Krankenkasse spart an Beratung : Barmer schließt Niederlassungen
Verunsicherung bei Mitarbeitern und Versicherten der Barmer GEK: Die zweitgrößte deutsche Krankenkasse kündigte gestern eine umfassende Umstrukturierung an. Bundesweit soll jede zweite Geschäftsstelle geschlossen werden, die Zahl der Beschäftigten soll von 15 000 auf 11 500 sinken.
Die Telefone standen bei der Barmer GEK nicht mehr still. Mit der Ankündigung, die Zahl der Geschäftsstellen auf bundesweit 400 halbieren zu wollen, hat die Krankenkasse gestern für Verunsicherung unter ihren fast neun Millionen Versicherten gesorgt. Viele fragten umgehend vor Ort nach, ob die Geschäftsstelle erhalten bleibt. Zufriedenstellende Antworten gibt es bisher nicht – die Details stehen noch nicht fest.
Dabei ist ein umfangreicherer Service am Telefon und per Internet das erklärte Ziel des tiefgreifenden Umbaus. Denn auch die Krankenkassen spüren, dass Kunden immer häufiger moderne Kommunikationswege nutzen, statt persönlich vorbeizukommen. Die Barmer GEK will mit ihrem Umbau zugleich Kosten sparen und effizienter werden, also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
„Spannend ist: Verliert man damit Mitglieder oder nicht?“, sagt der Teamleiter Gesundheit der Verbraucherzentrale Bundesverband, Kai Vogel. Kundennähe gelte bisher bei Krankenkassen als hohes Gut. Der Chef der Barmer GEK, Christoph Straub, räumt ein: „Es wird vereinzelt längere Wege geben.“ Aber es sei wichtig, auf die Trends zu reagieren. „Immer mehr Versicherte wollen uns über das Telefon kontaktieren, zunehmend auch über Mail und andere social media“, betont er in der ARD. Es seien neue Fachzentren mit hoch qualifizierter Beratung geplant.
Doch trotz aller Beteuerungen – es geht auch ums Sparen. Die Barmer GEK will mittelfristig 3500 Arbeitsplätze wegrationalisieren. Das ist etwa jede fünfte Stelle. Dabei handelt es sich nicht um ein Unternehmen in Not. 2012 erzielte die Kasse noch fast eine halbe Milliarde Euro Überschuss. 2013 soll es aber wegen stark steigender Ausgaben für ärztliche Leistungen und für Krankenhäuser nur noch ein Überschuss in zweistelliger Millionenhöhe gewesen sein.
Die Konkurrenz schläft nicht. Die gerade erst zum Branchenprimus aufgestiegene Techniker Krankenkasse hat schon spezialisierte Zentren. Auf einen Vollzeitmitarbeiter kämen rund 900 Versicherte.
Die DAK-Gesundheit bezeichnet die Reorganisation als dauerhafte Management-Aufgabe. Zählte man dort 2010 noch gut 13 000 Mitarbeiter, sind es nun trotz zwischenzeitlicher Fusionen knapp 2000 weniger. Aus damals 813 Beratungsstellen wurden bis im vergangenen Jahr 671.
Ähnliches ist auch von der IKK Classic zu hören: „Wir gehen davon aus, dass sich die Nachfrage nach Beratungsleistungen in der Geschäftsstelle vor Ort in der Zukunft eher noch verstärken wird.“
In Mecklenburg-Vorpommern werden derzeit 245 000 Versicherte von 420 Mitarbeitern in 26 Geschäftsstellen und Kundencentern betreut, so Barmer-GEK-Landessprecher Bernd Schulte. Bis Juli werde nun geprüft, wie die Inanspruchnahme der einzelnen Geschäftsstellen sei. „Wir werden uns nicht aus der Fläche zurückziehen“, versichert Schulte. „Die Erreichbarkeit soll sichergestellt bleiben.“ Versicherte, die zur Arbeit pendeln, hätten sich längere Öffnungszeiten gewünscht, dem werde sicher entsprochen. Allerdings trage die Kasse auch dem Umstand Rechnung, dass immer mehr Versicherte sich telefonisch oder über das Internet an die wenden. Diese Bereiche sollen deshalb künftig ausgebaut werden, so Schulte.
Diskutieren Sie mit.
Leserkommentare anzeigen