Ein syrischer Flüchtling hat ein Jahr lang eigenständig Deutsch gelernt und will nun die Prüfung ablegen – wurde in Wismar aber abgewiesen.
Er möchte Deutsch lernen und die Prüfung ablegen, um arbeiten zu dürfen. Mahmoud Ismail, ein 31-jähriger Syrer, will niemandem auf der Tasche liegen, auch dem Staat nicht, sondern selbst für sich sorgen.
Der Krieg hat ihn aus dem Heimatland vertrieben. Seine Familie existiert nicht mehr. Mahmoud Ismail hat in Aleppo gelebt, in der Stadt, aus der das Fernsehen beinahe täglich Schreckensbilder sendet. Der Vater sei vor fünf Jahren an Krebs gestorben, die Mutter und alle sieben Geschwister bei einem Flugzeugangriff. Eine einzige Bombe löschte auf einen Schlag die acht Menschenleben aus, die Familie des jungen Mannes.
Er floh 2014 auf dem Landweg in die Türkei, hielt sich über anderthalb Jahre in Istanbul auf, lernte schon dort die einheimische Sprache, entschied sich dann aber für den Weg nach Deutschland. Der führte von der Türkei durch Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Kroatien und Österreich. Seit Ende September 2015 und damit genau ein Jahr befindet sich der Flüchtling in Deutschland. Über das Erstaufnahmelager Horst bei Boizenburg, einen Monat in Mühlengeez, dann Stove und Groß Stieten gelangte er nach Wismar und lebt dort in einer Wohngemeinschaft.
Deutsch lernen wollte Ismail von Anfang an und geht dabei sehr kreativ vor, besorgt sich Schriftliches, nutzt das Internet, fertigt sich selbst Lernblätter an und tapeziert damit Wände oder Schrank. „Er macht sich wirklich Mühe, das ist Wahnsinn“, sagt Birgit Deckert aus Warin. Sie hat als Sozialassistentin im Flüchtlingsheim Groß Stieten gearbeitet und macht nach dem Auslaufen dieser Anstellung ehrenamtlich weiter, „als sinnvolle Beschäftigung und weil einige Flüchtlinge gute Freunde geworden sind“. So wie Mahmoud Ismail oder ein Ehepaar ebenfalls in Wismar – sie aus dem Libanon und er aus Syrien.
Die Warinerin hat sich auch umgehört, wo der 31-Jährige die Einstufungstests und dann die Deutschprüfung absolvieren könnte. Vor dieser müssten bestimmte Fähigkeiten im Verstehen, Lesen und Schreiben nachgewiesen werden. Vom Jobcenter liege die Zustimmung vor, dass Ismail Test und Prüfung ohne den ein halbes Jahr dauernden Integrationskurs erledigen dürfe. Beim Anruf in der Volkshochschule (VHS) Wismar hieß es freundlich, so Deckert, sie könne gleich mit dem Syrer vorbeikommen, um erstmal die Formalitäten zu erledigen. Doch gleich nach der Vorstellung habe sie Ablehnung gespürt, sagt die Warinerin enttäuscht. Die Mitarbeiterin meinte, hätte sie gewusst, wie der junge Mann sich verhält, hätten sie gar nicht erst zu kommen brauchen. „Ich habe nur gesagt, dass die Grammatik nicht in einem Jahr zu schaffen ist“, beteuert der Syrer gegenüber SVZ. Dass sich die Frau der VHS „an der Art und Weise von Mahmoud gestoßen hat, er für sie arrogant und überheblich wirkte, kann ich überhaupt nicht verstehen“, so Deckert. Da „die Chemie nicht stimmt“, sollte er sich woanders bemühen.
Nehme jemand nicht an Einstufungstest und Integrationskurs teil, erstatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinerlei Kosten, hieß es auf SVZ-Anfrage von Sabine Oswald, Leiterin der Kreisvolkshochschule Nordwestmecklenburg. Externe Teilnehmer „erhalten von uns nur die Möglichkeit des Ablegens der Prüfung, wenn sie an der Einweisung in den Prüfungsablauf und dem folgenden Probetest teilnehmen“. Da der Mann „unsere Bedingungen, die der Qualitätssicherung und dem Schutz anderer Prüfungsteilnehmer/innen (ungestörter Prüfungsablauf) dienen“, nicht akzeptiert habe, sei ihm die Möglichkeit angeboten worden, dass er sich „bei einem anderen Träger anmelden kann, der nicht die gleichen Standards der Qualitätssicherung hat“.
Mahmoud Ismail hat nun einen Prüfungstermin bei der SBW Aus- und Fortbildungsgesellschaft für Wirtschaft und Verwaltung. Er möchte nicht nur die 60 Prozent Minimum schaffen, sondern 100. Und dann Arbeit finden, erst einmal egal welche, Hauptsache Arbeit.