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Sternberg Besinnlich bei Klang und Stille

Von Rdiger Rump | 28.07.2016, 05:00 Uhr

Das war die meditative Führung in der Sternberger Stadtkirche. Chor- und Orgelmusik luden zum Mitsingen ein.

Die beiden Glocken der Stadtkirche läuten jeden Tag zur Mittagsstunde. Was die Genauigkeit betrifft, ist auf sie mehr Verlass als auf die Sternberger Turmuhr. Auch zur meditativen Kirchenführung mit Chormusik erklingen die Glocken. Als es still wird, setzt die Orgel ein, weniger voluminös als es möglich wäre, sondern mehr, um in sich zu gehen. Danach singt der Chor der Kirchengemeinde, sanft begleitet am elektrischen Klavier. Dazwischen ertönt in die Stille ein Gong, der aus der katholischen Kirche mit wunderschönem Klang. Dazu zeigen im Abendlicht die Bleiglasfenster rund um den Altar ihre volle Farbenpracht.

Der Sommer lockt an Seen und Flüsse, in den Wald, ins Eiscafé oder in die Kirchen am Wegesrand, sagt Pastorin Katrin Teuber mit leiser, gerade noch hörbarer Stimme. Welcher Klang verbindet sich damit, welcher Ton steht für den Sommer?, fragt sie. „Nun wollen wir gemeinsam die Kirche zum Klingen bringen.“ Die Besucher singen erst zaghaft mit, doch immer mehr Stimmen gesellen sich zu der Klaviermusik.


Schlagen der Turmuhr hatte andere Bedeutung

Ob von Chor, Glocken, Orgel oder Turmuhr – Klänge sprechen uns an, nimmt Inge Schürer, ehrenamtliche Kirchenführerin, die einmal in der Woche die offene Kirche betreut, das Wort wieder auf. Das Schlagen der Turmuhr sei heute nichts besonderes mehr. Vielleicht schaue mancher auf seinen modernen Zeitmesser, um zu vergleichen. Früher dagegen richtete sich der Arbeitstag auf dem Lande nach der Kirchturmuhr. Oder als Kind habe sie gewusst, wann es Zeit war, nach Hause zu eilen.

Und Glocken läuteten nicht nur wie heute in Sternberg zur Mittagsstunde oder zum Gottesdienst, sondern auch bei Feuer. Und als der Zweite Weltkrieg endlich vorbei war, um Zuversicht zu geben. Glocken spielen in Weihnachts- und anderen Liedern eine große Rolle, so Inge Schürer. Um 1500 hatte Sternberg mit Hinrik van Kampen selbst einen Glockengießer. Seine Arbeiten finden sich unter anderem in Mestlin, Rerik, Klütz sowie Parchim. Letztere 1514 für St. Marien gegossen, gehören zu den am besten erhaltenen Glocken des Sternberger Meisters. Etwa zwei Jahrhunderte später wurden hier übrigens erneut Glocken gegossen.

Einen erstklassigen Ruf weit über Sternberg hinaus hat die Walcker-Orgel, setzt Schürer ihren Vortrag fort. Das Instrument fand seinen Platz 1895 auf der neu errichteten Empore.

Weniger bekannt sei dagegen der Komponist Albrecht Kasimir Bölkow (1818-1902), der unweit in Gägelow lebte. Von der Musikwelt sei er wahrgenommen, aber wenig akzeptiert worden. Sein berühmter Zeitgenosse Richard Wagner soll gesagt haben: „Genie hat er. Leider.“ Womit dieser gemeint haben dürfte, dass so einige Genies verkannt wurden. Der Tonkünstler aus dem kleinen Dorf bei Sternberg, der zunehmend die Öffentlichkeit mied, könnte die Moderne in der Musik mit begründet haben. Er befasste sich mit ostasiatischen Tonsystemen, band das „Geräusch“ in seine Kompositionen ein und zog in die weite Welt. Finanziell ermöglicht wurde ihm alles durch seinen Cousin Heinrich Wilhelm Ferdinand Bölckow aus Sülten, der als gelernter Kaufmann nach England ausgewandert war, dort im Norden in Middlesborough ein Eisenwerk eröffnete, die Stadt zum Zentrum der englischen Schwerindustrie machte, als erster Bürgermeister sowie ins Londoner Unterhaus gewählt wurde. Ihm sei als einzigem Mecklenburger in seiner Wahlheimat ein Denkmal gesetzt worden. Der Komponist Bölckow starb in Bolz.

In dem Wechsel von Klang und Wort erklingt nun wieder gefühlvolle Klaviermusik. Die Pastorin lädt ein, in die Stille zu lauschen, sie in sich zu spüren und den Körper zum Klangraum werden zu lassen. Wer mag, könne die Augen schließen. Schade, der Reporter würde zu gern folgen, muss sich aber erst Notizen machen von dem, was vorher gesprochen wurde.

Dann noch einmal ein Gongschlag, nur einer. Katrin Teuber trägt ein Gedicht von Eva Strittmatter vor, bevor sie alle auffordert, sich in der Kirche einen Platz zu suchen, beliebig irgendwo, sich aus den Tönen, die nun zu hören sind, einen für sich herauszusuchen oder einen hinzuzufügen und ihn zu summen. Zum Abschluss singen alle „Der Mond ist aufgegangen“, zuerst an den Plätzen, Teelichter in den Händen, bevor sie langsam in den Turmraum gehen und vor dem Reformationsfresko der schöne Abend ausklingt.