Das Überregionale Förderzentrum für den Förderschwerpunkt Sehen Mecklenburg-Vorpommern in Neukloster lud zum Jubiläum ein.
Im Rahmen der diesjährigen „Woche des Sehens – Chancen sehen“ lud Vera Vormelker, Leiterin der Frühförderung im Überregionalen Förderzentrum für den Förderschwerpunkt Sehen Mecklenburg-Vorpommern (ÜFZ Sehen) in Neukloster, zu einer kleinen Jubiläumsfeier ein.
Vor 40 Jahren, also 1976, wurde ein Vorschulteil in die 1953 gegründete eigenständige Sehschwachenschule mit Internat in Neukloster integriert. „Das war der Start für die Frühförderung sehgeschädigter Kinder, denn man hatte erkannt, dass man die ersten Lebensjahre eines sehgeschädigten oder blinden Kindes für dessen optimale Entwicklung nutzen muss“, so Vera Vormelker. „Andersherum gesagt: Wenn die Entwicklung in diesem Alter ohne Sehgeschädigten spezifische Förderung erfolgt, stellt dies eine erheblich Entwicklungsgefährdung für das Kind dar.“
Die 1986 mit drei Jahren in den Kindergarten der Sehschwachenschule gekommene voll blinde Jessica Schröder war vier Jahre später die erste blinde Schülerin, die die Sehschwachenschule besuchen durfte. Durch diesen Vorstoß ihrer Mutter, die sich für die Beschulung ihres Kindes in Neukloster durchsetzen konnte, war der Weg für weitere blinde Kinder in der Sehschwachenschule geebnet. Für Jessica Schröder ebenso, denn hier in Neukloster erfuhr sie von Anfang an die Förderung, die sie brauchte, um heute, 33-jährig, das zu sein, was sie ist: eine Referentin für internationale Zusammenarbeit am Deutschen Blinden- und Sehschwachen Verband (DBSV) in Berlin.
Blind ihren Weg gehen
Die junge Frau beeindruckte die Gäste der Jubiläumsfeier mit ihrem Werdegang, über den sie selbstbewusst berichtete: „Bis zur 10. Klasse bin ich an diese Schule gegangen, anschließend habe ich an der Höheren Handelsschule für Blinde und Sehbehinderte mein Fachabitur gemacht, bin daraufhin nach Berlin gegangen und studierte an einer ganz normalen Fachhochschule Sozialpädagogik. 2009 reiste ich für ein Jahr nach Indien, wo ich in Kanthari Sozialmanagment studierte. Danach blieb ich länger in Indien und engagierte mich ehrenamtlich für verschiedene Organisationen, teils für sehbehinderte, aber auch für andere Organisationen. 2011 wurde ich in Berlin Jugendreferentin für den DBSV und seit August bin ich Referentin für internationale Zusammenarbeit. Hier arbeite ich vorwiegend politisch, kontrolliere z. B. Gesetzentwürfe der EU für die Tauglichkeit für Sehbehinderte. Dabei ist auch viel Lobbyarbeit, z. B. das Thema geräuscharme Fahrzeuge. Meine Kollegen und ich haben durchsetzen können, dass diese leisen Elektrofahrzeuge mit einem akustischen Geräuschwarnsystem ausgestattet wurden. Erste Unfälle wegen Nichthören des Autos waren bereits passiert, deshalb ist für sehschwache und blinde ein Warnsystem nötig und jetzt zur Pflichtausrüstung geworden.“
Wenn man den bisherigen Lebensweg von Jessica Schröder so hört, kann man kaum glauben, dass diese jungen Frau blind ist. Schon gar nicht, wenn man dann hört, dass sie mit dem Zug von Berlin angereist war und wieder abreisen wird und dass sie in Berlin grundsätzlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Der nächsten Indien-Termin steht im Dezember auch wieder bevor. „Dahin fliege ich allein“, schmunzelte sie. Dass Jessica Schröder absolut selbstständig ihren Lebensweg meistern kann, das hat sie in erster Linie ihrer frühen Entwicklungsförderung im ÜFZ Sehen in Neukloster zu verdanken.
Frühförderung in Gefahr
Diese Frühförderung wurde 1993 um die mobile Frühförderung, also die fachkompetente Förderung sehbehinderter und blinder Kinder in ihrer Häuslichkeit ab dem frühsten Babyalter ergänzt.
Die Erhaltung dieser Errungenschaft kostete eine Zeit lang einen harten Kampf. Das Land übertrug mit der Gebietsreform 2012 die Trägerschaft des ÜFZ Sehen auf den Landkreis NWM, aber die Frühförderung als wesentlicher Bestandteil des ÜFZ wurde im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, noch war eine Übernahme durch den Landkreis NWM gewollt. „Damit war der Bestand der teilstationären und mobilen Frühförderung in MV extrem gefährdet. Aber es wurde gekämpft und 2013 im Juni sicherte eine Langzeit-Vereinbarung für zehn Jahre die organisatorische Einheit der Frühförderung und des ÜFZ in Neukloster“, so Vera Vormelker.
Und Karina Jens vom Ministerium ergänzte: „Dies ist gesichert durch die Landesträgerschaft. Es ist ein wichtiger Weg, der weitergegangen werden muss. Das Land stellt dazu Personal- und Materialausstattungen zur Verfügung. Nun sind wir, glaube ich, auf dem richtigen Weg!“
