Bürger-Überraschung des Jahres : Jesendorf: Nach fast 20 Jahren zur Kasse gebeten
Zweckverband Wismar verschickt einmalige Trinkwasserbescheide / Ventschow folgt Ende des Jahres.
Wer solch ein Schreiben in den Händen hält, schaut häufig erst einmal ungläubig. Denn nach fast 20 Jahren bittet der in Lübow ansässige Zweckverband Wismar zur Kasse in Sachen Trinkwasserbescheid.
„Schmutzwasser ist beschieden, jetzt folgt Trinkwasser“, so Grit Glanert, die Vorsteherin beim Zweckverband (ZV). Dabei gehe man alphabetisch vor. Zum ZV gehören die Stadt Neukloster sowie 25 Gemeinden von der Insel Poel bis Jesendorf und Lübberstorf; von Glasin bis Bad Kleinen. Insgesamt gibt es knapp 12 000 Anschlüsse. Aktuell ist man bei den einmaligen Trinkwasserbescheiden bei Jesendorf sowie demnächst bei Neukloster und Passee angelangt. „Ventschow kommt zum Ende der zweiten Jahreshälfte dran. Jedes Grundstück erhält einen Bescheid. Die Einwohner werden vorher informiert“, betont Glanert.
In Jesendorf gab es in Sachen Trinkwasser-Bescheid auch eine Einwohnerversammlung. Dort erfuhren die anwesenden ca. 30 Bürger von der Vorsteherin, dass „die Kappungsgrenze für ein Einfamilienhaus bei einer Grundstücksgröße von 1600 Quadratmetern liegt“. Bei einem Preis von 94 Cent/m2 sind also maximal 1504 Euro zu bezahlen. Für viele ist das freilich auch schon ein Batzen Geld, so dass der Zweckverband eine Ratenzahlung anbietet. Die Verzinsung beträgt dabei sechs Prozent.
Angesichts der aktuellen Marktlage ein stolzer Zins. Jesendorfs Bürgermeister Arne Jöhnk gab auf der Versammlung Grit Glanert denn auch mit auf den Weg, ob die Verzinsung nicht angepasst werden könne. Doch das verneinte die Vorsteherin gegenüber SVZ, man habe „keinen Ermessensspielraum. Wir sind kein privates Unternehmen und darum wie etwa die Finanzbehörden auch an die Bundesabgabenordnung gehalten. Die schreibt für alle Behörden sechs Prozent vor.“
Als spätester Zahlungstermin für die Grundstückseigentümer in Jesendorf sowie den Ortsteilen Büschow, Neperstorf und Trams hat der Zweckverband den 30. Juni gesetzt.
Im Vorfeld war laut dem kaufmännischen Leiter des Zweckverbandes, Volker Thiel, „natürlich überprüft worden, ob für Jesendorf das Trinkwasser bereits beim Zweckverband Güstrow/Bützow/Sternberg (WAZ) beschieden worden war. Das war nicht der Fall.“
Jesendorf war 1993 aus dem WAZ aus- und einige Jahre später in den Zweckverband Wismar eingetreten – erst einmal aber nur bei Trinkwasser. Die Abwassersparte betrieb man allein; freilich alles andere als Kosten deckend. Die Kommune hatte einen dicken Klotz am Bein. Bürgermeister Jöhnk kann sich noch sehr gut daran erinnern, war es doch 2004 seine erste Amtshandlung, aus der Misere rauszukommen. Man stellte einen Antrag, auch bei Schmutzwasser dem ZV Wismar beizutreten.
„Das haben wir erst einmal abgelehnt. Nur durch Fördermittel des Landes konnte damals Jesendorfs Not leidende Abwassersparte ins Gebührenschema des Zweckverbandes eingepasst werden“, so Thiel. Jesensdorfs Abwasser gehe jetzt nach Neukloster.
Heute gibt es im ZV nur ein Dorf, das sich selbst um sein Schmutzwasser kümmert – Lübberstorf.

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