Vereine verzeichnen immer weniger Gäste und machen Wetter, Schleusen, Brücken und Sackgassen-Lage dafür verantwortlich
Familie Braun hat sich extra neue blaue Poloshirts gekauft für den ersten Bootstrip ganz allein. Papa steht am Ruder, erst im vergangenen Jahr hat er in Kühlungsborn seinen Bootsführerschein gemacht. Eine Woche lang schippern die vier Braunschweiger über die Seen, Flüsse und Kanäle in MV, in Lübz haben sie sich ihr Boot gechartert. Diverse Schleusen und Brücken haben sie passiert auf dem Weg nach Schwerin, alles habe super geklappt, schwärmen die Niedersachsen. Andere Bootsfahrer seien sehr hilfsbereit, sagt Amelie Braun. Die beiden Söhne Simon (15) und Jakob (13) sind hochkonzentriert dabei, abends in den zwei Kajüten ist es eng aber gemütlich und selbst der Labradudel Paul hat viel Spaß an der Seefahrt. Schwerin hat Zahnarzt Dr. Martin Braun am Nachmittag angesteuert, am nächsten Mittag will er wieder los: „Es sind Gewitter angesagt, bis dahin wollen wir im nächsten Hafen sein. Für Schwerin haben wir leider nicht allzu viel Zeit gehabt“, sagt er und macht schon die Leinen los.
Die fröhliche, sportliche Familie gehört zu den typischen Gästen, die beim Seglerverein an der Marstallhalbinsel ihr Wasser-Quartier beziehen. Etwa 50 freie Liegeplätze sind dort für Gäste reserviert, sagt Detlev Laborn, der als Vorstandsmitglied des mitgliedsstärksten Seglervereins in MV zuständig ist für den Hafen. Durchschnittlich machen pro Jahr 700 bis 1000 Touristen-Boote an den Stegen fest. Hier können sie ihre Toiletten entleeren, Wasser aufnehmen, auf dem eigenen Boot sicher übernachten. Die Tendenz ist allerdings sinkend. Über die Gründe dafür kann er nur Vermutungen anstellen: „Mit dem eigenen Boot fahren immer weniger Leute in Urlaub, das merken wir auch bei unseren eigenen 450 Mitgliedern“, sagt der erfahrene Skipper. Hinzu kämen die immer mal wieder auftauchenden Probleme und Staus an Brücken oder in den voll automatisierten Schleusen. Von Plau bis Schwerin seien immerhin acht Schleusen zu passieren.
Und dann liegt Schwerin auch noch am Ende einer Wasserstraßen-Sackgasse und müsse ganz bewusst angesteuert werden. Die benachbarte, touristisch bestens entwickelte Müritzregion sei hingegen einfach im Rundkurs zu durchschippern und biete jede Menge idyllische Plätzchen – und auch die großen Charterbootverleihe. „Die Berliner beispielsweise kommen so gut wie gar nicht nach Schwerin, sondern bleiben im Müritzrevier“, sagt Laborn. Dafür empfängt der Seglerverein häufig Niederländer und Dänen sowie Wassertouristen aus ganz Deutschland. Die meisten bleiben aber nur ein bis zwei Nächte.
Gegenüber beim Yachtclub gibt es zwar mehr Langzeitgäste, die einfach die Ruhe genießen wollen. Dafür beschränkt sich die Zahl der jährlichen Touristen aber auf etwa 50, sagt Hafenmeister Lambert Nöhlen. Früher waren es doppelt so viele. Er glaubt, dass das Wetter Schuld ist am Gästeschwund.
Die Segler nehmen das mit Gleichmut hin, denn das Gästegeschäft ist für die Vereine ohnehin nur ein Zubrot. Sie setzten auf Jugendarbeit und richten oft Regatten aus.