An den Ausgabestellen in der Stadt stehen auch viele Flüchtlinge an, aber noch gibt es ausreichend Lebensmittelspenden
„Armut in Deutschland ist längst zum Dauerzustand geworden. Verliert die Regierung die Ärmsten weiter aus ihrem Blickfeld, droht der gesellschaftliche Unfriede. Tafeln leisten niederschwellige Soforthilfe und fördern die Integration. Unsere Angebote dürfen seitens der Politik jedoch nicht länger überstrapaziert werden.“ In deutlichen Worten beschreibt der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl, die Situation, der die Mitarbeiter an den Ausgabestellen der Republik begegnen. Durch den Flüchtlingsstrom hat sich die Nachfrage nach kostenlosen Lebensmitteln erhöht – auch in Schwerin.
„Die Spitze hatten wir vor einem Jahr“, sagt Schwerins Tafel-Chef Peter Grosch. Mittlerweile habe sich die Lage wieder beruhigt. „Wir kommen klar, können alle Bedürftigen versorgen.“ Es gäbe in der Landeshauptstadt ausreichend Lebensmittel und keine Engpässe,
so Grosch. Und er betont: „Wir unterscheiden nicht zwischen Deutschen und Migranten. Wer Hilfe braucht, dem wird geholfen.“ Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle sei auch in Schwerin jeder dritte Tafel-Kunde ein Flüchtling gewesen, heute betrage der Anteil knapp 20 Prozent, schildert der Tafel-Vorsitzende. Etwa 200 Kunden kämen jeden Donnerstag zur Ausgabestelle in der Petrusgemeinde im Mueßer Holz, rund 100 seien es jeden Freitag in der Ausgabestelle in der Versöhnungsgemeinde in Lankow.
„Viele Menschen, die aus den Krisengebieten der Welt zu uns kommen, staunen darüber, dass auch Deutsche bei der Tafel anstehen, um sich zum Beispiel Brot, Obst, Gemüse oder Milchprodukte zu holen“, berichtet Grosch. „Sie glauben einfach, dass in unserem Land alle Leute reich sind.“ Auch die neuen Tafel-Kunden müssten außerdem lernen, dass eine Tafel kein Supermarkt sei, so der Vorsitzende. „Bei uns gibt es mal von dem einen Lebensmittel mal mehr und mal weniger.“
Nach Angaben des Bundesverbandes Deutsche Tafel versorgen die mehr als 900 Tafeln deutschlandweit jetzt zusätzlich etwa 280 000 Flüchtlinge. Die Zahl der Kunden sei in diesem Jahr um fast 20 Prozent gestiegen, die Menge der gespendeten Waren dagegen nur um zehn Prozent. Trotz der größeren Spendenmenge bekomme also jeder Einzelne im Durchschnitt etwas weniger Lebensmittel, rechnet Bundesvorsitzender Brühl vor.
Dennoch: Wie Grosch sieht auch Brühl bei aller Skepsis im Vergleich zum Vorjahr eine gewisse Entspannung der Lage bei den Tafeln. „Die Menschen kommen zu uns, um Lebensmittel zu erhalten und Kontakte zu knüpfen. Tafeln sind zu einem zentralen Motor der Integration geworden.“ Viele Anfangsschwierigkeiten seien inzwischen behoben worden, Sprachbarrieren abgebaut, so der Bundesvorsitzende. Er warnt allerdings: „Mit Sorge beobachten wir die Versuche von außen, einen Keil zwischen die Ärmsten in diesem Land zu treiben.“ Zugleich ein Appell Brühls an die Politik.
Auch Peter Grosch hat bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder betont, dass die Tafel gesellschaftliche Ungleichgewichte nicht beheben, sondern nur abmildern könne. Soziale Gerechtigkeit zu schaffen, sei eine originäre Aufgabe der Politik, sagt der Schweriner Tafel-Chef.