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Taubenzüchter in Lützow Der Taubenvater aus Lützow

Von TAKE | 11.05.2017, 16:00 Uhr

Ab morgen schickt auch Harry Eckert seine Brieftauben wieder  auf die Reise – und dann beginnt das große Warten

Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Das sagt der Volksmund. Harry Eckert hält es im lieber anders herum. Brieftauben, das sind seine Lieblinge. Er züchtet und versorgt sie. Und er wartet auf sie. Oft viele Stunden lang. Dann steht er Zuhause am Fenster und schaut in die Luft und rüber zum Schlag. Dann hofft er, dass alle seine Schützlinge den Weg zurück nach Lützow finden. Es gab mal eine Flugsaison, da blieben 35 seiner Tauben auf der Strecke. Morgen beginnt die neue Saison, dann gehen die Alttauben wieder auf die Reise. Zwei Vorflüge gab es bereits. In Wittstock und Neuruppin. „Zwei Tauben fehlen noch“, sagt Harry Eckert und schaut in den wolkigen Himmel. Vielleicht kommen sie ja doch noch.

Harry Eckert ist wieder an seinem Schlag. Wie jeden Tag. Vier Stunden ist er dann bei seinen Tauben, kümmert sich darum, dass sie genug zu fressen bekommen und zweimal ihre Runden übers Dorf fliegen können. Zu tun gibt es immer etwas. Auch am Schlag, den er vor mehr als 30 Jahren mit aufgebaut hat. Heute will er einen Drahtboden einziehen, damit der Taubenmist durch das Gitter fallen kann und die Vögel nicht darin herumpicken. Früher, als er noch nicht diese unheilbare Nervenkrankheit hatte, da ging alles besser von der Hand. Jetzt zittert sie. „Parkinson, gar nicht schön“, sagt er und greift zu einer Drahtschere. Schlosser war er, später auch mal Hausmeister im Schloss Lützow, als es noch der Bahn gehörte. „Das war direkt um die Ecke, da konnte ich mir die Arbeit einteilen und zwischendurch auch die Tiere versorgen“, sagt Eckert. Jetzt ist er 71, kämpft gegen die Krankheit an, die seine Nervenzellen zerstört und ihm manchmal schon die Erinnerungen raubt. Die Brieftauben, sagt der Rentner, die seien eine gute Ablenkung.

Morgen geht es mit seinen besten 48 Fliegern im Stall zur Einsatzstelle nach Gadebusch. Dort steht der Kabinenexpress, der dann noch Schwerin, Ludwigslust und Grabow anrollen wird, um bis zu 4500 Brieftauben ins Brandenburgische zum ersten von insgesamt zwölf Wertungsflügen zu bringen. In Seelow gehen die Klappen auf – und die Tauben machen sich auf den 250 Kilometer langen Weg zurück. Wer ist die schnellste?

Preisgelder, die gibt es für die hiesigen Brieftaubenfreunde schon lange nicht mehr zu gewinnen. Aber es geht um die Ehre, um den Lohn für die ganze Arbeit, die in diesem Hobby steckt. Und es geht um Pokale. Gute Tauben, die hatte auch Züchter Eckert oft im Schlag. Schnelle Tauben, kräftig und mit der nötigen Ausdauer, um weite Strecken zu fliegen. In der kommenden Flugsaison werden die Tauben einmal in der Nähe von Warschau aufgelassen. 636 Kilometer. Ein langer Weg. Ein gefährlicher Weg.

Sperber, Habicht, Wanderfalke. „Die holen sich gerne die Tauben“, weiß Harry Eckert. Bereits wenn er seine Vögel Zuhause rauslässt, lauert oft ein Habicht am Himmel. Zwei Jungtiere hat er erst kürzlich geschlagen. Nur die Federn hat ihr Besitzer in der Nähe des Schlags noch gefunden. „Selbst die Ringe waren verschwunden“, sagt er. Manchmal geht den Tieren bei weiten Flügen aber einfach nur die Puste aus oder ein Gewitter sorgt für Orientierungslosigkeit. Einmal ließ Harry Eckert Tauben im niederländischen Breda hoch. Es blitzte, donnerte und eine verirrte Taube landete statt in Lützow in einem Schlag in München. Der Taubenfreund dort schickte das Tier wieder zurück. „Morgens um 11 Uhr. Abends um 19 Uhr war es wieder bei mir“, erinnert sich Eckert.

Ein paar Pokale und viele Heimkehrer – die wünscht sich der Züchter für die kommenden Monate. Dann wird er wieder am Fenster stehen, in die Luft gucken und warten. Und vielleicht flattern bis dahin ja auch noch die beiden vermissten Tauben von den Vorflügen ein.