Ein Angebot des medienhaus nord
Ein Artikel der Redaktion NNN

Eine Reportagereihe zum Anhören „Abgegebene“ erinnern sich an die Wochenkrippen in der DDR

Von Mirco Dalchow | 06.03.2023, 18:18 Uhr

Die Woche über in der Krippe und nur am Wochenende bei der Familie: Jungen und Mädchen, die in der DDR in Wochenkrippen betreut wurden, wuchsen genau so auf. Die neue Ausstellung „Abgegeben“ in der Kunsthalle Rostock zeigt, wie der Alltag damals aussah. Am Wochenende wurde sie eröffnet.

Reportagen zum Hören zur Ausstellung finden Sie hier:
Sie können den Player nicht sehen? Klicken Sie auf diesen Link und öffnen Sie den Artikel im Browser. Gegebenenfalls müssen Sie Ihren Ad-Blocker deaktivieren, um den Player sehen zu können. (hinter dem Link ist der Artikel verlinkt, in dem der Player auch eingebunden ist)

Die Wochenkrippen galten als Errungenschaft in der DDR. Säuglinge konnten dort ab der sechsten Lebenswoche abgegeben werden und wurden von montags bis freitags – auch nachts über – in den Einrichtungen betreut, meist bis zum dritten Lebensjahr. Die Kinder lebten dann nur am Wochenende bei ihren Familien.

Aber was bedeutet es für die Kinder, in dieser Zeit weitestgehend ohne Mutter und Vater aufzu­wachsen? Und wie lief die Betreuung? Fragen, denen die neue Ausstellung „Abgegeben – Wochenkrippen in der DDR“ in der Kunsthalle Rostock nachgeht. Am Wochenende, 5. März, wurde die Schau in der Hamburger Straße eröffnet.

Sophie Linz und acht weitere ehemalige Wochenkrippenkinder schildern in der aktuellen Ausstellung die Auswirkungen dieser Form der Fremdbetreuung in Bildern, Videos und Tonaufnahmen.

Mit der Fotografin Anja Lehmann, selbst ein ehemaliges Wochenkrippenkind, wurden die Standorte der Einrichtungen besucht. Die Erinnerungsfetzen an diese kollektive Lebenszeit haben die heute um die etwa 50 Jahre alten Abgegebenen mithilfe der in Berlin lebenden Künstlerin Karla Sachse in Installationen und Collagen gesammelt. In Tondokumenten, die Teil der Ausstellungsinstallation sind, schildern die ehemaligen Wochenkrippenkinder die Probleme, die diese Kollektiverziehung hinterließ.

Denn nach ihrem dritten Lebensjahr ging es für viele Kinder gleich weiter in das so genannte Wochenheim. Hier wurden die Kinder bis zum Schulbeginn untergebracht.

Bereits 1951 wurden die ersten Krippenplätze angeboten. Anfangs gab es keine ausgebildeten Erzieherinnen, sondern Ärzte und Krankenschwestern mussten die Betreuungsaufgaben übernehmen. Die letzten Wochenkrippen wurden 1992 geschlossen.

Mehr als 100.000 Kinder waren so bis zu ihrem dritten Lebensjahr nur an den Wochenenden bei ihren Eltern. Diese frühe und lange Trennung von den Müttern hinterließ oft Spuren bei den Abgegebenen. Für die jungen Mütter war die wochenlange Trennung auch oft schmerzhaft.

„Im Kinderheim wird man nur einmal abgegeben – in der Wochenkrippe jeden Montag.“
Wochenkrippenkind

Die negativen Folgen für Wochenkrippenkinder untersucht auch die Universitätsmedizin Rostock. Die Psychologin Eva Flemming und ihre Berliner Kollegin Stefanie Knorr befragten Wochenkrippenkinder zu den Auswirkungen der frühen Trennung auf ihr Leben.

So berichten viele Abgegebene von Beziehungsproblemen und der Angst, alleingelassen zu werden. Die Studie läuft noch und es können noch weitere frühere Wochenkrippenkinder daran teilnehmen und per E-Mail Kontakt aufnehmen.

Die Ausstellung „Abgegeben – Wochenkrippen in der DDR“ läuft noch bis zum 1. Mai. Teil der Ausstellung sind auch begleitende Veranstaltungen wie ein wissenschaftliches Symposium vom 21. bis 23. April, auf dem die Ergebnisse der Forschungsarbeit der Unimedizin Rostock vorgestellt werden. Auch eine Lesung mit der Buchautorin und Sängerin Susanna M. Farkas, ist angedacht, deren Wochenkrippenerlebnisse Teil der Ausstellung sind.

Noch keine Kommentare