Im Lübzer Kunstspeicher endete jüngst ein Kurs zur Pulp-Art. Einige Ergebnisse sind nun im Schaufenster am Ziegenmarkt zu besichtigen
Manchmal ärgern uns Anglizismen, erstens, wenn man nicht weiß, was sie bedeuten. Zweitens haben sie was Aufgedonnertes. Alles, was als neu, schnell und global profiliert werden soll, wird englisch benannt. Manchmal jedoch sieht man über die englische Bezeichnung auch ganz schnell hinweg, weil dahinter etwas wirklich Überzeugendes steckt. Hinter dem Begriff der „Pulp Art“ jedenfalls steht ein erstaunliches, außerdem ökologisch nachhaltiges künstlerisches Verfahren, das die Berliner Künstlerin Roswitha Paetel jüngst in einem Kurs des Lübzer Kunstspeichers mit den Teilnehmenden erarbeitete.
Man möge sich vorstellen, wie sich das Papier eines billigen Arztromanheftchens vom Bahnhofskiosk anfühlt. Es ist dunkler, holzhaltiger als anderes Papier. Auf Billigpapier wurden und werden auch in den USA triviale Heftchenromane gedruckt und ihr Name dort, nämlich „Pulps“, wurde auf das Papier übertragen. Aus dieser Ecke also stammt der rätselhafte Begriff und bedeutet nichts anderes, als dass aus Pulp, also Pulp-Papier, Plastiken gemacht werden. Und nun ahnen wir auch schon, dass der Werkstoff, um den es hier geht, im Grunde nichts anderes ist als das wohlbekannte Papiermasché. Wer hat nicht irgendwann Kasperköpfe aus Papiermasché gebastelt?
Aber Vorsicht! Die Werke der Roswitha Paetel sehen wahrlich nicht wie gebastelt aus und in der Regel auch überhaupt nicht nach Papiermasché. Dies liegt an der Homogenität ihrer Objekte, die durch die Form, aber auch die meist überaus glatte Oberfläche erreicht wird. Es gibt nichts, was man unter dieser Oberfläche weniger vermuten würde als Papiermasse, so vollkommen ist die Metamorphose. Die sympathische, an der UDK Berlin studierte und daselbst seit 18 Jahren auch lehrende Künstlerin weiß: „Papiermasché kann aussehen wie Beton, Holz, Porzellan oder Stein.“ Allerdings muss die Plastik nach der Formgebung entsprechend geschliffen und poliert werden.
Aus „Pulp“, also Heftchenpapier muss die Masse natürlich nicht hergestellt werden. Im Kurs sei wesentlich mit der „Zeit“ gearbeitet worden, sagt Paetel lachend. Aber auch das „Handelsblatt“ eigne sich gut, Zeitschriften hingegen gar nicht. Ihre Kunst, die sie spürbar freudig und überzeugt vermittelt, hat etwas Frei-Lassendes, Demokratisches. Schichtweise erschafft Paetel Federleichtes in der Hand und im künstlerischen Ausdruck. Ringe, gerundete, sehr harmonische Körper, Alltagsgegenstände, wie zum Beispiel – künstlerisch verfremdet nachgebildet – sehr erstaunliche „Federbälle“. Und sie ermuntert jeden, mit dem Material Zeitung, das wir gewöhnlich in der Tonne versenken, selbst zu arbeiten. Zu diesem Zweck hat die Künstlerin auch Literatur dazu veröffentlicht, wie man es macht. (Problemlos im Handel erhältlich) So kann jede(r) in vielerlei Hinsicht „leicht“ Plastiken oder Gegenstände des täglichen Lebens, wie Lampen, Schalen und vieles andere erschaffen.
Wer einen ersten Blick in die Welt der Pulps tun möchte, sollte die kleine Ausstellung im Schaufenster des Lübzer Kunstspeichers nicht verpassen, denn ab sofort stellt Julia Theek dort „Pulp Art“ aus. Oder/und: www.paetel-kunst.de

