Vier Tiere wurden in der Nacht zu heute auf einer Weide bei Birkholz gerissen. Betroffener Schäfer sieht seine Existenz gefährdet
„Bei uns herrscht gerade das blanke Chaos“, sagt Landwirt Viktor Podbielski, als wir in seinem Geländewagen über die Weide fahren, geradezu auf den Ort, an dem in der Nacht zu gestern mehrere Schafe gerissen wurden. Vier Tiere aus der Herde von Schäfermeister Marc Mennle sind tot, die Kehlen sind durchgebissen, ein Mutterschaf komplett ausgeweidet. Von 30 weiteren fehlt jede Spur, einige Schafe weisen schwere Verletzungen auf. Ein Tier ist in so massiver Panik geflohen, dass es einen Weidezaun mitriss, sich darin verhedderte und selbst strangulierte.
Podbielski versucht, Amtstierärztin Dr. Sabine Kramer ans Telefon zu bekommen. Es muss geklärt werden, wie mit den verletzten Schafen weiter verfahren wird, Spuren müssen gesichert werden, um den Verdacht eines Wolfsrisses zu bestätigen. Marc Mennle ist sich sicher: „Diese Bisszeichnung, das waren eindeutig keine Hunde.“ Am Waldrand nahe der Weide kreisen Adler und Kolkraben, möglicherweise ein Zeichen, dass dort im dichten Feld noch weitere Tiere liegen.
„Wir müssen erstmal durchzählen“, so Mennle mit Blick über den Rest seiner ursprünglich 320-köpfigen Herde. Und er macht seinem Ärger Luft. „Bei der Arbeitsgruppe Herdenschutzhunde stehen für Brandenburgs Weiden fertig ausgebildete Hütehunde bereit, die aber nicht ausgegeben werden können, weil das Förderprojekt noch nicht steht.“ Für ihn geht es an die Existenzgrundlage. Mit einem Ertrag von sechs Euro pro Jahr und Mutterschaft rechnet der Schäfer. Seit die Wolfsbedrohung immer konkreter wird, müsse er zum Teil doppelt zäunen, das gehe ins Geld. „Kein Wunder, warum es in Brandenburg nur noch 60 Berufsschäfer gibt, die zudem auch keinen Nachwuchs mehr finden. Wir leben unter dem Existenzminimum.“ Und werde ein Wolfsriss von den Experten nachgewiesen, könne eine Regulierung des Schadens bis zu vier Monaten dauern. „Ich bin kein Feind des Wolfes, aber da hängen zwei Familien dran. Wenn der große Teil der Bevölkerung den Wolf will, muss die Entschädigung dementsprechend sein“, so Mennle. Zum Schadensbild in Birkholz gehört auch ein Buchweizenfeld, das die Herde auf ihrer Flucht zum Teil platt gemacht hat. Ein Wolfsschadensgutachter vom Potsdamer Umweltministerium schaute sich den Fall gestern noch an. Viktor Podbielski hofft für Schäfer Mennle auf eine unkomplizierte Schadensregulierung, denn die Weide wird im Rahmen eines gemeinsamen Versuchsprojekts mit den Landesbehörden aufgrund geschützter Vogelarten nur noch sanft bewirtschaftet, die Schafe leisten ihren Beitrag zum Naturschutz.
Und Viktor Podbielski bemüht die Zahlen: „Wenn man sich überlegt, dass ein Wolf laut NABU drei bis sechs Kilo rohes Fleisch am Tag braucht, sind das über hundert Stück Rehwild pro Jahr und Wolf.“ Daraus können sich rechtliche Konsequenzen ergeben, meint Podbielski, denn eine solcherart kontinuierliche Reduktion des Wildbestandes könnte als Eingriff in das Eigentumsrecht der Jagdpächter verstanden werden. Werden noch mehr Wölfe heimisch, dann wären zukünftig ganze Reviere nicht mehr verpachtbar. Dazu komme, dass der örtlich schon recht hohe Druck durch die Wölfe dazu führt, dass Wildschweine sich in immer größeren Rotten mit bis zu 80 Tieren zusammentun. „Wenn die sich in ein Maisfeld zurückziehen, machen sie es nieder wie eine Dampfwalze und der Jäger kann nicht mehr regulierend eingreifen. Und all das ist anscheinend politisch gewollt“, so Podbielski.