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Geschichte der Prignitz So lief der Luftangriff auf Wittenberge

Von hata | 12.05.2017, 20:45 Uhr

Fotos und ein Film aus Archiven der amerikanischen Armee dokumentieren den Luftangriff 1945. Blindgänger wurden gesprengt.

72 Jahre und einen Tag lagen die Bomben im Erdreich zwischen Wittenberge und Breese. Am 23. Februar wurden 18 Blindgänger gesprengt. Zuvor waren es zwölf am 31. März 2016. Dass sie vom Luftangriff der Amerikaner am 22. Februar 1945 stammten, hatten Experten nie bezweifelt. Auch Zeitzeugen schilderten ihre Erinnerungen an die Bombardierung. Doch es gibt neben historischen Fotos sogar Liveaufnahmen, die den Luftangriff dokumentieren.

Die Aufnahmen stammen von der US Air Force und sind im Internet frei zugänglich. Unsere Redaktion bekam die Tipps von Axel Messing, einem Heimatforscher aus Northeim, und dem Wittenberger Heimatforscher Jürgen Schmidt.

Demnach war der Angriff Bestandteil der Operation „Clarion“ vom 22. bis 23. Februar 1945. Ein US-Offizier erklärt in dem knapp zwölfminütigen Video die Ziele der Mission. Mit rund 9000 Einsätzen und 6500 Bombern sowie Kampfflugzeugen war es eine der größten Operationen im Zweiten Weltkrieg. Ziel war die Zerstörung von Infrastruktur, insbesondere von Bahnhöfen, Häfen, Güterwagen. Dabei wurden eher unbekannte, bis dahin selten oder noch gar nicht bombardierte Ziele angegriffen. Insgesamt waren es 41, darunter Northeim, Stendal, Wittenberge, Ludwigslust.

Laut amerikanischen Akten waren über Wittenberge 72 Bomber im Einsatz. Die Bomber und Kampfflugzeuge stammten von der 8. US Armee der Air Force.

Der Film beginnt mit Erläuterungen zu der Operation, bevor Angriffe auf mehrere deutsche Städte gezeigt werden. Bei fünf Minuten und 40 Sekunden ist Wittenberge zu sehen. Mehr als zehn Bomben sind auf dem Film zu erkennen, anschließend die Explosionen. Jürgen Schmidt hat eine Quelle gefunden, nach der eine Last von 216 Tonnen abgeworfen wurde. „Wenn das stimmen sollte, dürften auch nach den zwei Sprengaktionen in Breese noch Blindgänger in der Erde liegen“, vermutet er.

Direkt im Anschluss zeigt der Film den Angriff auf Ludwigslust. Auch hier sind die Explosionen zu erkennen. Lüneburg zählte zu den Angriffszielen. Mehr als 400 Bomben sollen dort abgeworfen worden sein.

Jürgen Schmidt bezeichnet den Angriff im Februar 1945 als einen „Schlag gegen die Zivilbevölkerung“. Es habe keine Kampfhandlungen am Boden gegeben und nur wenige Wehrmachtseinheiten seien in und um Wittenberge stationiert gewesen. In der offiziellen Stadtchronik wird von 28 Toten und zahlreichen Verletzten sowie 19 zerstörten Häusern gesprochen. Das Delphinbad glich einer Kraterlandschaft, erinnern sich ältere Wittenberger. Wichtige Infrastruktur wurde nicht nachhaltig zerstört. Obwohl die B 17-Bomber bei 3000 Metern deutlich niedriger flogen als im Normalfall, seien die Bomben im Niemandsland zwischen Wittenberge und Breese niedergegangen. „Genau dort, wo die L 11 gebaut wird und die Bomben gesprengt wurden“, so Schmidt.

Er weiß von fünf Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg auf Wittenberge. „Drei flogen die Amerikaner, zwei die Briten.“ Bei einem Angriff seien zehn Gropius-Häuser zerstört worden. „Von den einst 39 Parzellen existieren seitdem nur noch 29“, sagt er.

Im Zuge seiner Recherchen stieß Schmidt auf einen Einsatz der Me 262. Die Messerschmidt gilt als erster Düsenjäger der Welt und war den Maschinen der Alliierten weit überlegen. „Zwischen Stendal und Wittenberge muss eine Messerschmidt im Einsatz gewesen sein. Sie schoss einen Bomber ab. Das war der einzige Verlust der Amerikaner bei beim Angriff am 23. Februar“, sagt Jürgen Schmidt. Er wird in Kürze einen Beitrag in der Prignitzer Heimat über den Luftangriff veröffentlichen.