Bis Ende der Woche hat Diplomrestaurator Manfred Sährig den Recken unter seinen Fittichen
Stolz, ein bisschen verrückt, wie ein Schüler im Aufsatz schrieb, als man den Recken 1954 um 1,50 Meter in Richtung Rathaus versetzte, so blickt der Roland seit 471 Jahren von seinem steinernen Sockel auf die Stadt und ihre Bürger. „Für sein Alter sieht er noch recht proper aus“, sagt Manfred Sährig. Und der muss es ja wissen, ist er doch von Hause aus Diplom-Restaurator. Das Sinnbild für Stadtrecht, eigene Gerichtsbarkeit und damit Freiheit kennt der Berliner ziemlich gut, besser als manch Perleberger. Denn er ist ihm nicht nur einmal um den Bart gegangen, hat ihm die Nase geputzt, sondern hat Stellen in Augenschein genommen, die Normalsterblichen verbogen bleiben. Seit 1991, wo der Recken vom Kopf bis zu den Sohlen samt Sockel eine Komplettkur in Sachen Verjüngung erhielt, betreut der Berliner den Perleberger Roland. Und nicht nur den, wie er sagt. Insofern hat sein Urteil, dass der hiesige figürlich betrachtet ein überaus eleganter und zugleich einer der stattlichsten seines Zeichens ist, durchaus Gewicht.
Allerdings hat auch jener fast 500 Sommer und Winter schon erlebt, hatte sich betrunkenen Ulanen zu erwehren, die ihm die Nase abschlugen, und bot gar einem Panzer die Stirn. Jene Blessuren allerdings wurden schon zu DDR-Zeiten bzw. 1991 restauratorisch verarztet.
Alle vier bis fünf Jahre hat der Recke aber Kosmetiktermin bei Manfred Sährig. So auch jetzt wieder. Weniger um die Intimsphäre des Ritters zu schützen, als vielmehr Passanten und Autos vor Staub und Schmutz, gibt sich der Roland so derzeit verhüllt. Bis Ende der Woche noch, ist von Restaurator zu erfahren. Bis dahin geht es ihm mit Heißdampf, Drahtbürste, Spachtel und Pinsel an Kopf und Kragen, an Arm- und Beinschienen, Kniekacheln und Schulterstücken, Helm und Visier, löwenkopfverzierten Harnisch, Schwert und Schild. Und auch das bärenfußförmige Schuhwerk samt Waden werden nicht ausgespart.
Übrigens, Bart und rechte Wade sind die Schwachstellen des Recken aus Sandstein aus dem Elbsandsteingebirge, konkret aus dem Cottaer Gebiet. Der Bart ist inzwischen vernadelt, wie der Fachmann die für Laien nicht sichtbare Zusatzbefestigung bezeichnet. Damit hält der ewig. Die rechte Wade ist etwas dünner ausgefallen – was nicht ungewöhnlich sei und mit dem Druck zusammenhänge, der bei der Fertigung aufgewandt wurde. „Er ist eben auch nicht aus einem Guss“, bemerkt Manfred Sährig scherzhaft.
Der unsrige wurde aus Sandstein mit einer tonigen Bindung geschaffen. Dieser lasse sich gut bearbeiten, speichert aber eben auch in den hauchdünnen Schichten Wasser, was bei Frost dem Recken zum Verhängnis werden kann. Und so werden nicht nur dicke Moosschichten, die sich seit dem letzten Kosmetiktermin angesetzt haben, und Flugasche entfernt, der Fachmann schaut auch nach möglichen Schäden.
„Die Bleihaut, die wir 1991 auf dem Sockel aufgebracht haben, zahlt sich aus“, bemerkt der Restaurator. Zuvor war diese stark versalzen und vergipst. Jene Stellen, wo Wind und Wetter ihre Spuren hinlassen haben, sogenannte Absandungserscheinungen durch Schlagregen und dergleichen verursacht, erhalten frisches Make-up. Allerdings nicht als Creme oder Puder, sondern mit Silikatkreiden und Sandsteinfestiger werden sie wieder aufgefrischt und für die nächsten Jahre haltbar gemacht. Gegen kleine Löcher in der Bleihaut hilft mineralischer Mörtel, den es wie beim Make-up eben auch in unterschiedlichen Tönen gibt.
Kurzum, eine Woche unter der Hand von Restaurator Manfred Sährig, unterstützt von Caspar Burkhardt, der ein freiwilliges Jahr bei der Denkmalpflege macht, und der Roland sieht um 100 Jahre jünger aus. 5300 Euro lässt die Stadt sich diese Kosmetikbehandlung kosten.