Ein Angebot des medienhaus nord
Ein Artikel der Redaktion

Bahntest Mobil nur mit dem Regionalexpress

Von hata | 17.12.2015, 08:00 Uhr

Zwei Prignitzer Rollstuhlfahrer testen die Bahn mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen

„Wir machen mobil“ lautet ein Werbespruch der Bahn. Häufige Zugverspätungen, andere Wagenreihenfolge oder defekte Weichen vermitteln oftmals einen ganz anderen Eindruck. Zwei Prignitzer Rollstuhlfahrer wollten es ganz genau wissen und haben die Bahn getestet – mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen.

Sehr zufrieden äußert sich Ramona Baerwaldt aus Mödlich. Sie möchte den Weihnachtsmarkt in Berlin-Spandau besuchen. Da die 49-Jährige aus Erfahrung weiß, dass Reisen mit der Bahn oft einem Abenteuer gleicht, machte sie zuvor den Test.

Ramona Baerwaldt ist auf den Rollstuhl angewiesen und kennt die Tücken des Alltags nur zu gut. Hier mal eine für sie unüberwindbare Stufe, da mal eine viel zu enge Tür. Und obwohl Bahnfahren für Menschen mit körperlichem Handicap attraktiver geworden ist und immer mehr Bahnhöfe in Deutschland barrierefrei sind, war sie skeptisch.


Absprachen mit der Zentrale

Vom Wittenberger Bahnhof wollte sie mit dem Regionalexpress nach Berlin. „Ich habe bei der Deutschen Bahn angerufen“, erzählt sie. Von ihren Fahrten zu Konzerten oder Bundesliga-Fußballspielen weiß sie, dass ein vorheriger Anruf in der Mobilitätsservice-Zentrale der Bahn hilfreich ist. Dort kann Unterstützung beim Ein-, Um- und Aussteigen konkret abgesprochen und zu einem Termin fest vereinbart werden.

Mit dem freundlichen Hinweis, doch auch den für die von ihr benutzte Strecke zuständigen Bahnbetreiber, die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG), zu informieren, sicherten schließlich beide Unternehmen Hilfe zu.
„Schon als wir auf dem Wittenberger Bahnhof angekommen sind, war die Überraschung groß. Beide Fahrstühle zu den Gleisen funktionierten“, berichtet die seit 30 Jahren in der Verwaltung des Amtes Lenzen-Elbtalaue tätige Frau. Das hatte sie schon ganz anders erlebt. „Einmal wurde der Zug extra für mich auf Gleis eins umgeleitet, weil die Fahrstühle kaputt waren. Das ist ungefähr zwei Jahre her.“

Dieses Mal lief alles reibungslos. Ein ODEG-Mitarbeiter nahm die Rollifahrer in Empfang, legte vor dem Einsteigen in den Regionalexpress eine Rampe zwischen Bahnsteig und Waggon, und schon war die kleine Reisegruppe auf dem Weg nach Berlin.

Dort angekommen wurden sie von Bahnmitarbeitern in Empfang genommen und später wieder auf die Heimreise geschickt. Auch die Rückreise mit dem Zug verlief ohne Probleme.
„Ich muss mich bei der Bahn bedanken. Es war ein erlebnisreicher Tag, mal ganz ohne Hindernisse“, sagt Ramona Baerwaldt und bezeichnet die Probetour als gelungen. Künftig werde sie den Service der Bahn wohl häufiger nutzen.


Der Fernverkehr enttäuscht

Das wird Dirk Ebert aus Wittenberge eher nicht machen. Nicht weil er es nicht möchte, sondern weil er es nicht kann. Der 53-Jährige ist seit fünf Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Anders als Romona Baerwaldt wollte er nicht mit dem Regionalexpress und der ODEG fahren, sondern mit dem Fernverkehr der Deutschen Bahn.

Aber das sei von Wittenberge aus nicht möglich, sagt er. Der Grund: Auf dem Bahnhof gibt es keine Hubbühnen. Im Unterschied zum Regionalexpress befindet sich der Einstieg in einen IC nicht annähernd auf Bahnsteighöhe. Deshalb reiche die beim Regionalexpress verwendete Rampe nicht aus.

Das sei sehr ärgerlich, denn die Züge selbst sind behindertenfreundlich. „Sie haben extra breite Türen und auch Wagen speziell für Rollstuhlfahrer“, weiß Dirk Ebert.

Er habe bei der Bahn angerufen, sein Problem geschildert. Die Antwort sei wenig hilfreich gewesen. Da es auf dem Bahnhof in Wittenberge kein Servicepersonal mehr gibt, könne niemand die Hubbühne bedienen. Deshalb gibt es sie offenbar gar nicht erst.

Wenn Ebert mit der Bahn verreisen wolle, müsse er zunächst den Regionalexpress bis nach Berlin oder Magdeburg nehmen und dann dort in einen IC umsteigen. Auf den großen Bahnhöfen seien die Hubbühnen und das Personal vorhanden, habe die Auskunft der Bahn gelautet.


Keine Antwort von der Pressestelle

 

Unsere Redaktion wandte sich an die Pressestelle der Deutschen Bahn, bat um eine Erklärung dieses Sachverhalts. Eine entsprechende Mail schickten wir am Montagvormittag ab, ein persönliches Telefonat mit dem Pressesprecher folgte. Am Dienstag kam keine Antwort, stattdessen baten wir erneut schriftlich um eine Auskunft. Bis zum gestrigen Redaktionsschluss hat sich die Bahn nicht bei uns gemeldet.

Dirk Ebert ist enttäuscht. Beruflich hat er selbst als Zugbegleiter gearbeitet. „Bis 2010 gab es auf unserem Bahnhof noch eine Hubbühne, die von uns Zugbegleitern bedient wurde“, sagt er.

Er habe sich auch an die SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Ziegler gewandt, die ihrerseits bei einem Treffen mit Deutsche Bahn Chef Rüdiger Grube auf das Problem aufmerksam machte. „Leider habe ich nur ein nichts sagendes Antwortschreiben bekommen. Hier wäre kein Personal, um diese Bühne zu bedienen. Als Rollifahrer hat man somit keine Möglichkeit, einen Fernzug der Deutschen Bahn von Wittenberge aus zu nutzen, obwohl Fernzüge nach Hamburg, Berlin, Leipzig, München hier halten.“