Verband der Blinden- und Sehbehinderten macht auf Alltagsprobleme aufmerksam. Smartphones sind eine wichtige Hilfe
Die Welt besteht aus einem schwarzen Fleck, drum herum ist es grau, nur Umrisse sind zu erkennen. Oder das Auge erkennt nur noch einen kleinen, runden Punkt. „Es ist wie ein Puzzle, das ich zusammensetzen muss“, sagt Holger Manikowski. Er leidet an einer Augenkrankheit und war gestern ins Rathaus Wittenberge gekommen. Dort fand ein Aktionstag des Prignitzer Blinden- und Sehbehinderten-Verbands statt.
Auf eine Schwierigkeit wies er gleich hin: An den Treppenstufen zum Rathaus fehlt ein weißer Strich zur Orientierung. Wer eine der Simulationsbrillen aufsetzt und den Selbstversuch wagt, spürt sofort eine Unsicherheit auf der Treppe. Im Innern des Hauses hingegen geben weiße Striche Orientierung.
„Wir werden reagieren“, sagte die stellvertretende Bürgermeisterin Waltraud Neumann, die sich für solche Hinweise bedankte. Genau dazu sei der Aktionstag wichtig. Aber Holger Manikowski hat ein noch größeres Problem. Er wohnt in Hellburg, ein Dorf ohne Rufbusanbindung. „Drei Kilometer muss ich zu Fuß bis Wolfshagen laufen, um einen Rufbus nutzen zu können.“ Das sei nicht akzeptabel. Weder für ihn als Sehbehinderten noch für Rentner. „Und Taxis fahren nicht“, verweist er auf fehlende Alternativen. Landkreis und das Unternehmen Prignitzbus hätten ihn bisher nur vertröstet.
Es sind solche Themen, die den Aktionstag dominieren. Nur noch 36 Mitglieder zählt der Kreisverband, einst waren es 160. „Im Kreis beziehen aber 104 Menschen Blindengeld“, weiß Richard Liermann, der sich seit Jahrzehnten im Verband engagiert. „Gerne würden wir alle über unsere Aktivitäten informieren, aber das kreisliche Sozialamt darf die Adressen nicht herausgeben“, so Liermann. Die Bitte an das Amt, Infobroschüren zu verschicken, blieb erfolglos. „Zumindest haben wir keine bekommen“, sagte Liermann.
Lupen an Einkaufswagen bei Rossmann und Famila, Angestellte im Perleberger Edeka, die auf Bitten Sehschwache begleiten – es gibt Unterstützung, betont Andrea Karnawski. In Gaststätten die Speisekarten zu lesen, sei schon schwieriger. In vielen Alltagssituationen helfen aber Smartphones und spezielle Software. „Onlinebanking ist für mich kein Problem“, so Karnawski. Reisen durch unbekanntes Terrain sei immer wieder eine Herausforderung, Beispiel Bahnhöfe: Die geriffelten weißen Leitstreifen dienen ihnen als Orientierung, was aber viele Reisende gar nicht wissen. „Sie stehen darauf oder haben dort ihr Gepäck abgestellt“, sagten Betroffene gestern im Rathaus, und so war die Veranstaltung auch für gesunde Besucher eine Bereicherung.
Wer Kontakt oder Beratung sucht, kann sich heute an den Verein wenden. Jeden zweiten Mittwoch im Monat sind Ansprechpartner in der Awo Begegnungsstätte in Wittenberge von 14 bis 16 Uhr anzutreffen.