Über Generationen war Schlachterhandwerk hier zu Hause, jetzt entsteht in historischem Ambiente modernes Wohn- und Geschäftshaus
Mit dem Schuhmarkt 8 avanciert nun das letzte hässliche Entlein an diesem Platz zu einem Schwan. Seit etlichen Monaten ist das ehrwürdige Anwesen eine Baustelle. Von Grund auf wird es saniert, „erhält seine alte Schönheit zurück“, so der Investor, der in diesem Zusammenhang auf das enge Miteinander mit der Denkmalpflege verweist. Auch wenn das alte Haus kein Einzeldenkmal ist, so ist es doch Bestandteil des historischen Stadtkerns. Entsprechend behutsam gehe man hier zu Werke, werde alles erhalten, was erhaltenswert ist, Defektes ausgebessert und Fehlendes nach altem Vorbild ergänzt.
Die Ära des Hauses, die eng mit dem Schlachterhandwerk verknüpft ist, lässt sich bis auf das Jahr 1819 zurück verfolgen, wie Stadtarchivarin Sylvia Pieper für den „Prignitzer“ in Erfahrung brachte. Damals übte Johann Noelcke hier das Schlacht- und Fleischerhandwerk aus. Bis 1892 lässt sich diese Familientradition in dritter Generation recherchieren. Und Spuren des Handwerks finden sich noch heute, berichtet der Investor.
Auf dem Hof seien früher die Tiere abgeladen und dann im Hinterhaus geschlachtet worden. Verarbeitet wurde das Fleisch dann im Keller. Und das deckt sich mit dem, was die Stadtarchivarin herausfand: Im Gebäudeteil zur Schuhstraße gewandt, befanden sich das Schlachtehaus und die Räucherkammer.
Eine kleine Attraktion, aber eigentlich gar nicht so außergewöhnlich für das alte Perleberg, im Keller gibt es einen mit Feldsteinen gemauerten Hausbrunnen. Rund 1,50 Meter ist er tief und führt noch Wasser. „Den werden wir natürlich erhalten“, betont der Investor. Ebenso den mit Feldsteinen gemauerten Keller, die Kellertreppe aus alten Rotbrandziegeln, alte Balken und auch Lehmwände. Gerade Letztere sorge für ein besonderes Klima, machen es aber auch nicht leicht, diese Wände mit einer Dämmung zu versehen. Doch man habe ein Architekturbüro für entsprechende Arbeiten gefunden. Alte Fliesen im Flur und Fußboden werden erhalten, Fensterlaibung und Fassade erhalten ihren alten Stuck zurück. „Um Fehlendes originalgetreu zu ergänzen, haben wir so um die zehn Schablonen mit Blechschere und Feile selbst gefertigt“, ist von Peter Schröder, Polier in der Firma Sawitzki & Taute, zu erfahren.
Ein Wohn- und Geschäftshaus war es von eh und je. Sylvia Pieper dazu: „1892 übernahm der Viehhändler Otto Thiele das Geschäft. Er baute das angrenzende Wohnhaus in der Schuhstraße zur Räucherkammer, zum Stall und zu einem Eisschacht für die Kühlung der Ware um. Auch veränderte er die Vorderfront zum Schuhmarkt und verlegte den Laden auf die rechte Seite. Aus dieser Zeit mögen auch die leider inzwischen verschwundenen Wandfliesen und diverses Zubehör gestammt haben.
Nach dem Tod von Otto Thiele übernahm der im Geschäft tätige Fleischer Robert Kraft das Gewerbe. 1930 betrieb Fleischermeister Ernst Müller und 1934 Fleischermeister Karl Grabow das Geschäft. Nach dessen Tod wurde es dem Konsum übertragen.
Vielen ist der Laden noch als „Broilerbar“ bekannt, wo sich schon morgens die Broiler im „Schaufenster“ drehten. Nach der Wende zog hier ein Wild- und Geflügelfachgeschäft ein. Vor wenigen Jahren wurde es geschlossen. Seither war es sehr still um das Anwesen geworden.
Ein Haus mit zwei Wohnungen und Geschäftsfläche entsteht hier nun wieder. Eine kleine Besonderheit dürfte das Gründach sein. Acht Zentimeter hohe Bepflanzung werde über ein Drainagesystem hier für einen grünen Ausblick über den Dächern der Stadt sorgen. Im Sommer 2016 soll alles fertig sein, so jedenfalls sind die Vorstellungen.