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Nahverkehr Abgekoppelt vom Busverkehr

Von RANT | 31.07.2016, 20:30 Uhr

Mit neuem Fahrplan ist Großteil der Gemeinde Groß Pankow vom öffentlichen Nahverkehr abgeschnitten/ Elterninitiative wehrt sich

„Für uns hält der Bus nicht mehr“, steht auf dem Schild in Rohlsdorf, nahe der B 189. Die Elterninitiative „Busfahrplan 2016“ hat es in Abstimmung mit der Gemeinde Groß Pankow (Prignitz) aufgestellt, denn mit dem neuen Busfahrplan, der am heutigen 1. August in Kraft tritt, werden viele Dörfer entlang der B 189 zwischen Perleberg und Pritzwalk vom öffentlichen Busverkehr abgeschnitten. Diese Linie gibt es nicht mehr, lediglich Schulbusse in Richtung Groß Pankow.

Kein Parallelverkehr zwischen Bus und Bahn verlangt der neue Nahverkehrswegeplan des Landkreises Prignitz, auf dem der neue Fahrplan basiert. Und dieses Prinzip wurde zwischen Perleberg und Pritzwalk konsequent durchgesetzt. Mit dem Ergebnis, dass, wer kein Auto hat, jetzt zusehen muss, wie er zum Arzt, zu kreislichen Behörden oder zu anderen Einrichtungen in der Kreisstadt oder in Pritzwalk kommt. Denn auch der Rufbus greift in den meisten Dörfern nicht, weil sie unter 150 Einwohner haben. Und Zubringerbusse zum Bahnhof Groß Pankow gibt es auch nicht.

In kürzester Zeit hatte die oben erwähnte Elterninitiative 2138 Unterschriften gegen diese Schlechterstellung gesammelt und am 21. Juni dem Landrat übergeben (der „Prignitzer“ berichtete). Zumal sich auch die Fahrzeiten für die Grundschüler wesentlich verlängern, manche die halbe Gemeinde bereisen, bis sie endlich am Schulort sind. Gar nicht zu reden von den Mädchen und Jungen, die weiterführende Schulen besuchen, wie Kerstin Zellmer aus Kuhbier weiß. Sie ist Mutter von vier Kindern, zwei besuchen die Grundschule in Groß Pankow, zwei weiterführende Schulen in Pritzwalk.

An dem neuen Fahrplan hat die Unterschriftenliste nichts geändert. Doch die Initiative gibt nicht auf. Sie rief am vergangenen Freitagabend erneut zum Protest auf und viele Bürger aus Rohlsdorf, Klein Linde, Retzin, Kreuzburg, Groß Pankow, Wolfshagen und anderen Orten kamen. Andrea Pyrczek aus Retzin beispielsweise hatte sich für ihre Mutter auf den Weg nach Rohlsdorf gemacht. Denn die 75-Jährige muss regelmäßig zum Arzt. „Wir haben uns schon erkundigt, dass das Taxi für die Hin- und Rückfahrt 34 Euro kostet“, erklärt sie und fragt, wer das auf Dauer bezahlen kann.


Betroffene denken über Umzug nach
Wer kein Auto hat, aber noch gut zu Fuß ist, könnte theoretisch das Fahrrad benutzen. Allerdings gibt es zwischen Retzin und Spiegelhagen keinen Radweg. Und die B 189 ist eine sehr stark befahrene Straße.

„Das können wir auch den Asylbewerbern nicht zumuten“, stellte Peter Jeske klar. Er ist bei der Awo als Sozialarbeiter Migration beschäftigt, betreut die in der Gemeinde Groß Pankow untergebrachten Asylbewerber. „Die syrische Familie Bahry, die hier in Rohsldorf wohnt, muss am 5. August nach Eisenhüttenstadt zur Ausländerbehörde. Aber wie soll sie zur Bahn kommen? Oder die Tschetschenin Albina Nuvalewa, die am 1. August einen Arzttermin in Perleberg hat, zählte er aktuelle Beispiele auf. „Ich werde für die Betroffenen anderen Wohnraum suchen müssen, denn die jetzt entstandene Situation ist nicht händelbar“, brachte er das Problem auf den Punkt.

Auch Beate Schitteck, die Leiterin des Hauses Klein Linde, in dem der Deutsche Orden Suchtabhängige betreut, ist verärgert über den neuen Fahrplan. „Wir trainieren unsere Klienten, dass sie ihr Leben wieder selbst meistern können. Doch wenn sie nicht mal mehr allein mit dem Bus zur Stadt fahren können, ist das ein herber Rückschlag.“

Mit bei den Protestierenden waren auch die Groß Pankower Gemeindevertreter Annett Röhl und Norbert Milatz sowie der Kreistagsabgeordnete Thomas Schlaffke. Sie versprachen, sich gemeinsam mit der Elternintiative weiter für eine Änderung des jetzt neuen Busfahrplanes einzusetzen. Denn es könne nicht sein, dass der Großteil der Gemeinde Groß Pankow einfach vom öffentlichen Nahverkehr abgeschnitten werde. Wenigstens dreimal täglich eine Busverbindung in die Kreisstadt, damit wären viele schon zufrieden. Die jetzige Situation sei nicht akzeptabel, so die Betroffenen.