Ornithologen trafen sich zur Herbsttagung in Parchim. Beobachtungsdaten des Weißstorches ausgewertet. Population geht zurück
„Lernt, sammelt Tatsachen, häuft Tatsachen an! Ohne sie bleiben eure Theorien leere Bemühungen!“ Dieser Ausspruch stammt von dem Nobelpreisträger Pawlow, der den bedingten Reflex („Pawlowsche Hundeexperimente“) entdeckte. Sinngemäß könnte dieser Ausspruch über der diesjährigen Herbsttagung der Parchimer Ornithologen gestanden haben. Es ging um die Auswertung der Beobachtungsdaten u. a. des Weißstorches, die von den Mitgliedern der Fachgruppe Ornithologie im Verlauf der Brutperiode 2016 gesammelt wurden.
Dr. Lothar Daubner, der Storchenbetreuer des Altkreises Parchim, legte eine sehr differenzierte Analyse des Storchenbestandes des Altkreises vor und verglich mit dem Storchenbestand in Deutschland. Bei uns eine starke Abnahme, deutschlandweit ein Zunahme. Aus seinen Ausführungen ging hervor, dass hier multifaktorielle Ursachen vorliegen. Der neuerdings erweiterte Reisanbau in Spanien bedingt eine Zunahme der Beutetiere des Weißstorches auf seinem Zug. Er hat es also gar nicht mehr „nötig“, nach Afrika zu ziehen, um dort zu überwintern. Sicherlich führt auch die Erwärmung der letzten Jahre dazu, dass der Storch schon in Spanien seinen Herbstzug beendet. Dadurch werden auch Verluste auf dem Zug über das Meer minimiert. Relativ wohlgenährt trifft dann der Weißstorch schon auf dem Heimzug im Frühling in seinem Brutgebiet ein. Davon profitiert die Storchenpopulation in Süd- und Südwestdeutschland.
Pessimistisch ist die Situation im Altkreis Parchim, hier befindet sich seit Jahren der Weißstorch im Sinkflug. Wir können das deshalb so genau einschätzen, weil aus dem Altkreis Lübz Zählungen aus rund 55 Jahren vorliegen, und aus dem gesamten Altkreis Parchim liegen seit 1993 lückenlose Erfassungen vor. Die Ursachen sind komplex, vor 1989 erfolgte teilweise eine mitunter großflächige und rücksichtslose Melioration, die den Wasserhaushalt in der Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes tiefgründig veränderte. Beispiel: Als der Scheidegraben zwischen den Dörfern Quaßlin und Darß tiefer gelegt wurde, lief der Dorfteich in Wahlstorf aus. Der Autor dieses Beitrages besitzt noch Fotos aus den 1940er Jahren, wo man noch im Wahlstorfer Dorfteich schwimmen konnte! Viele Sölle sind trockengelegt worden. In Abhängigkeit vom Wasserhaushalt verschwanden Beutetiere des Storches wie verschiedene Froscharten, Kröten und Unken. Nach 1990 kam es zu einer tiefgreifenden Veränderung in der Landwirtschaft mit enormer Verringerung der Weidehaltung von Milchkühen, Weiden- und Wiesenumbruch, Anbau von Monokulturen und einer entfesselten Chemisierung.
Das alles wirkte sich besonders auf die Nahrungssituation der Jungstörche aus. Brauchen die Jungstörche nach dem Schlupf kurzzyklisch Weichnahrung, ist die Wirbeltiernahrung in größeren Abständen später zum Beginn des Federschiebens nötig. Der Wechsel ist problematisch, in dieser Phase treten die größten Jungstierverluste aus Nahrungsmangel auf. Mäuse allein sind keine Alternative, da bei ihnen starke Bestandsschwankungen auftreten, besonders ausgeprägt in weiträumig offenen, monotonen Agrarlandschaften ohne nennenswerten Baum- oder Strauchbewuchs, in vielfältiger strukturierten Landschaften sind die Schwankungen erheblich geringer. Erschwerend kommt hinzu, dass die neuerdings auftretenden Wetterkapriolen mit Starkregen vor der vollständigen Befiederung der Jungstörche zu deren Verlust führen. Weitere Gefahren drohen aus der schwierigen Flugroute im Osten, der Verdrahtung der Landschaft und der Verfolgung im Überwinterungsgebiet.
