Unbekannte mauerten Eingang von Gebetsraum in der Weststadt zu. Vor einigen Monaten großflächige Schmierereien
Es ist ein unscheinbares Gebäude, ein ausgedientes Trafohäuschen in Parchims Weststadt. Für die rund 150 Angehörigen der muslimischen Gemeinde ist es mehr, es ist ihr Gebetsraum. Hier belästigen sie niemanden, hier ruft kein Muezzin. Dennoch wurde das grau verputzte flache Häuschen mit Glasbausteinen jetzt zum zweiten Mal Ziel einer fremdenfeindlichen Attacke. Vor einigen Monaten hatten Unbekannte die Wände mit großflächigen Parolen beschmiert. Jetzt mauerten sie in der Nacht zu Freitag die Tür zu und pflasterten die Wand mit Erdogan-Zitaten.
Eines haben die Täter erreicht: Angst geht um. Zwar stand das Netzwerk für Flüchtlinge in Parchim den Attackierten zur Seite. Deren Mitglieder, zu denen auch Christen gehören, saßen gestern mit den muslimischen Gläubigen zusammen. Aber, so Robert Stenzel vom Netzwerk, man sei übereingekommen, keine Stellungnahmen abzugeben. Ein tröstender Zettel klebte allerdings an der zugemauerten Eingangstür. „Mauern sind dazu da, eingerissen zu werden“, stand darauf. Und: „Gebt nie die Hoffnung auf. Seid stark und bleibt glücklich!“

Mysteriös bleibt der Zeitablauf des Geschehens. Die Mitglieder der Moschee-Gemeinde rissen die Wand ein, bevor sie am Freitag die Polizei alarmierten.
Eigentümer des Gebäudes, in dem sich der Gebetsraum befindet, ist Nihat Tütünen. Der aus dem Osten der Türkei stammende Kurde lebt und arbeitet mit seiner großen Familie seit fast 20 Jahren in Parchim und Umgebung. Er hat der syrischen Moslem-Gemeinde aus Parchim, Lübz und Umgebung, die bislang keinen adäquaten Gebetsraum gefunden hat, den Gebäudeteil vorübergehend zur Verfügung gestellt.
In der Weststadt, auf der Rückseite des Gebetsraums, hat Familie Tütünen schon vor längerer Zeit einen Treffpunkt geschaffen, wo sich Landsleute bei Tee, Gesprächen und türkischem Fernsehen unterhalten. Und hierher lädt das Familienoberhaupt, das einen Fugenbetrieb besitzt, auch alle interessierten Deutschen zu Gesprächen ein. Statt eine Mauer zu errichten, sollte man über mögliche Ängste reden – bei einer Tasse Tee.
Tütünen kann nachvollziehen, dass Deutsche etwas Angst bekommen, wenn nach dem Freitagsgebet 150 bis 200 Menschen aus dem Gebetsraum kommen, dass sie sich erschrecken, obwohl diese Menschen friedvoll sind. Wenn es Probleme geben sollte, dann doch eher hier zwischen den Kurden und Syrern, meint er. Doch es gebe keine Konflikte. Nihat Tütünen: „Wir sind alle friedliche Menschen.“
Parchims Bürgermeister Dirk Flörke reagierte gestern „sehr erschüttert“. Bisher sei Parchim von derlei Attacken verschont geblieben. Flörke sieht die Tat als Angriff auf die Religionsfreiheit der Menschen und fragt: „Was kommt als Nächstes?“ Dirk Flörke wünscht sich für Parchim, dass der Dialog fortgeführt wird: „Integration gelingt nur, wenn wir alle miteinander reden. Und wir stehen nun einmal vor der Aufgabe, die Flüchtlinge zu integrieren.“
