
Bis zur Idee für seinen pointierten Wochenrückblick blättert sich Jochen Böttcher tagelang durch die Schweriner Volkszeitung
Es gibt Tage, da reicht ein Blick in die Zeitung und Jochen Böttcher weiß, was er zeichnen wird. Die meisten Tage aber verlaufen wie dieser: Böttcher denkt nach. Er greift immer wieder zum Zeitungsstapel. Er überfliegt die Überschriften, schaut sich jedes Foto an, blättert vor und wieder zurück. Er überlegt: „Der Polizeibericht ist kurios. Da lässt sich was draus machen. Aber wird der Leser die Pointe verstehen, wenn er die Meldung gar nicht gelesen hat?“ Böttcher lässt es lieber. Er orientiert sich an Fotos, großen Schlagzeilen und Themen, die die Menschen in der Region persönlich bewegen.
Bis Donnerstagabend sollte er eine Idee haben. Wenigstens eine Idee. Das Zeichnen fällt ihm leicht. Aber bis zu dem Witz, bis zur Pointe hinter der Geschichte, vergehen manchmal endlose Stunden, sogar Tage...
Gezeichnet hat Jochen Böttcher schon als kleiner Junge gern. Seine Mutter war Kunstlehrerin an der Dorfschule in Grebs, die auch Böttcher bis zur vierten Klasse besucht hat. „Wahrscheinlich habe ich ein bisschen von ihrem Talent geerbt“, sagt er. Nach der Schule erlernt er den Beruf des Steinmetz’, wird für zwanzig Jahre Werkstattmeister bei Böhm in Dömitz und arbeitet heute für die selbe Firma als Schrifthauer in Dannenberg.
Zeit für das Zeichnen nimmt er sich immer. Selbst nach einem langen Arbeitstag. „Wenn ich donnerstags immer noch keine Ahnung für den Wochenrückblick am Sonnabend habe, dann wird der Abend lang“, sagt er.
Meistens kommt er dann doch irgendwann, der Geistesblitz. Und manchmal muss er sich dafür auf seinem Stuhl nur umdrehen. Wie beim Cartoon zur Vogelzählung im Januar 2016. Da vermeldete die SVZ den Aufruf, die Vögel im eigenen Garten zu zählen. Keine leichte Aufgabe für Böttchers, wenn ihre Katze „Sissy“ auf der Fensterbank sitzt... Das Vogelhäuschen vor der Scheibe denkt sich der Autor dazu, alles andere zeichnet er fast originalgetreu ab. „Ich bin oft neugierig, welches Detail er aus unserer Wohnung in seinen Zeichnungen unterbringt“, sagt seine Frau Dörthe. Sie will das Motiv vor der Veröffentlichung nie sehen. „Da lass ich mich gern überraschen.“ Manchmal rufen Freunde an und erzählen Geschichten, die Jochen Böttcher für die SVZ zeichnen soll. Es kommt auch vor, dass Leute ihn auf der Straße zu einem Cartoon aus der SVZ ansprechen oder dass der Vater aus Güstrow anruft. Um keine Zeichnung seines Sohnes zu verpassen, liest er dort auch die Ludwigsluster Ausgabe.
Früher hat sich Jochen Böttcher oft so genannte „Inselwitze“ ausgedacht. Manche haben es sogar bis in den „Eulenspiegel“ geschafft. Bei Wettbewerben der Zeitschrift hat Böttcher für seine Cartoons mehrere erste Preise bekommen. Für die SVZ zeichnet er seit 2002. Erst sind es bebilderte Witze, seit 2008 liefert er regelmäßig „Böttchers Wochenrückblick“. Immer mit dem Anspruch: Lustig sein, aber sich nicht auf Kosten anderer lustig machen. „Niemand soll sich durch den Cartoon verletzt oder angegriffen fühlen.“
Für Wortspiele und Bilder, die ihm im Alltag einfallen, trägt der 55-Jährige ständig ein Notizbuch bei sich. „Das Zeichnen macht immer noch Spaß“, sagt er. „Und so lange es das tut, höre ich nicht auf damit.“

