Bürgermeister fühlt sich vom Kreis hintergangen: Einhundert Flüchtlinge beziehen in Malliß Wohnungen - ohne dass Gemeinde davon weiß
Geahnt hatte es Bürgermeister Volker Sielaff schon länger. Aber dass die Gerüchte im Dorf jetzt so schnell Wirklichkeit werden, hat auch ihn überrascht. Mehr als einhundert Flüchtlinge sollen in den nächsten Tagen in die leeren Wohnungen des 800-Seelen-Ortes ziehen. Die ersten 27 sind schon da. Sielaff erfährt davon am Telefon von einem Mallißer, der sie zufällig aus dem Bus steigen sieht. „Ich bin sauer und maßlos enttäuscht“, sagt er. Im Februar noch hatte Sielaff mit dem Landrat persönlich vor den Neubaublöcken gestanden. „Wir waren uns einig, dass man hier keine Gemeinschaftsunterkunft einrichten kann“, so Sielaff. „Und vom Landrat gab es die Zusage, nichts ohne uns zu entscheiden und uns über neue Schritte zu informieren.“ Im Sommer dann kamen die ersten Flüchtlinge nach Malliß. Der Landkreis hatte drei Wohnungen angemietet. Spärlich sei die Information auch hier schon gewesen, so Sielaff. „Aber immerhin hatte man uns damals einen Tag vor dem Einzug Bescheid gegeben.“
Sechzehn Flüchtlinge leben seitdem im Dorf. Zwei von ihnen haben inzwischen ihren Aufenthaltstitel. „Sie fühlen sich hier so wohl, dass sie im Dorf bleiben wollen. Wir suchen ihnen gerade eine Wohnung in Malliß“, erzählt der Bürgermeister. Für ihn hätte die Integration der Flüchtlinge im Dorf nicht besser laufen können. „Wir haben die Familien von Anfang an mit einbezogen. Sie besuchen den Jugendklub, beteiligen sich an Sportturnieren, treffen sich zum Angeln mit den Mallissern oder helfen bei der Vorbereitung von Dorffesten.“ Von Ehrenamtlern aus dem Dorf werden die Syrer drei Mal wöchentlich in Deutsch unterrichtet. Das Fördergeld, mit dem die Ehrenamtler entschädigt werden sollten, haben sie lieber in neueste PC-Software für den Sprachunterricht gesteckt.
All das koste Zeit und Kraft, sagt Sielaff. „Und dann fällt man uns jetzt so in den Rücken.“ Zwanzig Flüchtlinge lassen sich gut integrieren, mehr als einhundert aber seien zu viel. „So schaffen wir das nicht“, sagt Sielaff. Gemeinderatsmitglied Carola Borchers sieht das ähnlich: „Das, was der Landkreis von uns Kommunen verlangt, macht er mit solchen Aktionen wieder kaputt“, sagt sie.
Beim Landkreis bedauert man das Vorgehen. Angesichts des immensen Arbeitsaufwandes sei die Information an die Gemeinde schlichtweg verpasst worden, sagte gestern Kreissprecher Andreas Bonin auf Nachfrage. Noch am Vormittag hatte daraufhin ein Mitarbeiter des Landkreises bei Volker Sielaff angerufen und sich entschuldigt.
Laut Bonin rechne der Kreis bis Jahresende mit 2000 Asylbewerbern, die auf alle Ämter verteilt werden müssen. Das passiere flächendeckend, und in vielen Gemeinden sei das Zahlenverhältnis Flüchtlinge-Einwohner ähnlich oder noch deutlich ungünstiger als in Malliß. So würden in Demen (850 Einwohner) 128 Flüchtlinge wohnen, in Karenz (240 Einwohner) seien am 1. Dezember Wohnungen für 100 Flüchtlinge angemietet worden, und im 35-Seelen-Dorf Schwechow lebten zurzeit 100 Asylbewerber. „Dass das leicht wird, sagt niemand“, so Bonin. „Das ist eine Riesenaufgabe, der sich alle stellen müssen. Und sie wird nächstes Jahr nicht kleiner.“