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Internet Keine Lust auf Lesegebühren

Von VRAA | 06.07.2016, 06:00 Uhr

Stadtbibliothek beklagt starken Einbruch der Nutzerzahlen seit Jahresbeginn. Zahl der Ausleihen aber gleich geblieben.

„Man sollte alles lesen. Mehr als die Hälfte unserer heutigen Bildung verdanken wir dem, was wir nicht lesen sollten“, sagte einst Oscar Wilde. Doch die Ludwigsluster haben die Lust aufs Lesen offenbar verloren, könnte man beim Blick auf die Zahl der Nutzer der Stadtbibliothek meinen. Die ist im Vergleich zu den Vorjahren drastisch zurückgegangen. Doch die eigentliche Ursache ist bekannt: die Einführung einer Nutzungsgebühr Anfang 2016.

„Seit Januar müssen Nutzer unserer Stadtbibliothek pauschal zwölf Euro Gebühr für das ganze Jahr bezahlen“, erläutert Anke Ballhorn, Leiterin der Ludwigsluster Leseeinrichtung. „Das Problem ist aber, dass viele nicht bereit sind, diese Pauschale zu entrichten – und andere es nicht auf einmal können.“ Der verwaltungstechnische Aufwand sei allerdings nicht zu rechtfertigen, wenn jeder Nutzer monatlich einen Euro bezahlen müsste, so Anke Ballhorn weiter.

Die Mitglieder des städtischen Ausschusses für Kultur, Sport und städtepartnerschaftliche Zusammenarbeit sind sich einig: So kann es in Zukunft nicht weitergehen! Bei ihrer Sitzung am Montagabend diskutierten sie besorgt über die vorgelegten Zahlen. Während in den ersten sechs Monaten der Vorjahre immer rund 1450 Personen das Angebot der Bibliothek mit einem Ausweis nutzten, stehen 2016 bislang nur 682 registrierte Bücherfans zu Buche. Paradox: Die Zahl der entliehenen Medien – also Bücher, CDs und DVDs – ist von 2013 bis jetzt fast gleich geblieben: Trotz des deutlichen Rückgangs an Nutzern wurden von Januar bis Juli dieses Jahres 47 830 Medien entliehen – fast genauso viele wie im gleichen Zeitpunkt der vergangenen Jahre. Die Erklärung von Expertin Ballhorn klingt einleuchtend: „Wir stellen fest, dass 2015 und vorher jedes einzelne Familienmitglied einen Nutzerausweis hatte. Seit Einführung der Gebühren registriert sich nur noch ein Familienmitglied und leiht dann für den Rest der Familie mit aus. Deswegen sind auch die Zahlen der Entleihungen konstant geblieben.“

Mit rund 8000 Euro Mehreinnahmen durch die Bibo-Gebühr hatte die Stadtvertretung gerechnet. Bislang flossen rund 4000 Euro in die Stadtkasse. Dennoch wird der Plan nicht aufgehen. Anke Ballhorn: „Gerade in den ersten beiden Monaten registrieren sich die meisten Nutzer bei uns. In der zweiten Jahreshälfte rechnen wir deshalb nicht mehr mit vielen Einnahmen.“

Die Rechnung der Politiker scheint also nicht aufzugehen: Statt 8000 Euro mehr in der Stadtkasse gibt es deutlich weniger Nutzer in der Stadtbibliothek. Ob und wie es mit den Lesegebühren weitergeht, liegt in der Hand der Stadtvertreter. Oscar Wilde würde sich bestimmt freuen, wenn der eine oder andere Ludwigsluster durch seine Werke schmökert. Egal ob gegen Gebühr oder ohne.