
Ein Schnäpschen zum Frühstück: Wanderung zwischen Darchau und der Landesgrenze Mecklenburgs brachte illustre Truppe zueinander
Wie eine gesunde und sehr aufgeschlossene Zusammenarbeit funktionieren kann, zeigte am Dienstag einmal mehr die traditionelle Deichschau an der Elbe. Der Landkreis Lüneburg, der Neuhauser Deich- und Unterhaltungsverband, die Polizei, die Bundeswehr, die Feuerwehr und die Gemeinde Neuhaus sowie die Stadt Bleckede nutzten den gesamten Vormittag, um sich nicht nur den Elbdeich zwischen Darchau und der Landesgrenze zu MV anzusehen. Vielmehr ging es darum, sich auszutauschen, zu informieren und konstruktiv an neuen Projekten zu arbeiten. Etwa 30 Teilnehmer stellten sich den nicht gerade freundlichen Witterungsbedingungen.
„Bei Hochwasser sitzen wir hier alle im selben Boot“, hätte es Bettina Blankenhagen vom Amt Neuhaus, die ihre Bürgermeisterin vertrat, nicht besser formulieren können. Und im Jahr 2013 hatte die Katastrophe die Region nachhaltig geschädigt. Tausende Helfer waren im Einsatz, um das Hinterhalt vor den drückenden Wassermassen zu schützen. Umso wichtiger sind nun die regelmäßigen Deichschauen. Hier kommt alles auf den Prüfstand. Risse in den Deichbefestigungswegen, fehlende Begrünung auf der Deichkrone oder den Böschungen. Sauber notiert und protokolliert darf auf der Tour aber auch der Spaß nie verloren gehen. Ein eingeschworener „Haufen“ sind die Deich-Wächter an der Elbe. Zu Beginn der großen Wanderstrecke ein zünftiges Schnäpschen, zur Stärkung ein Frühstück und am Ende sogar ein deftiges Mittagessen. Wer arbeitet, darf auch genießen.
Wie korrekt und zum Teil sogar liebevoll aber alle Maßnahmen und Entwicklungen am Deich verfolgt werden, dürfte Seltenheitswert haben. Immerhin wurden schon knapp 3 Millionen Euro aus Zuschüssen und Förderungen seit der Katastrophe 2013 bewilligt und wieder verbaut. „An einem Deich wird es nie langweilig“ sagt Wolfram Kallweit vom Amt Lüneburg, der diesmal der Schauführer ist. In gewisser Weise sei das Hochwasser vor vier Jahren sogar ein Segen gewesen, da fortan viel für die Stabilität und den Schutz investiert werden konnte. Karsten Helms vom Niedersächsischen Landesverband für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz konnte sogar mit konkreten Zahlen belegen, wie der Deich in der Vergangenheit besser gemacht wurde. „Auf einem laufenden Meter Deich haben wir 28 Kubikmeter Sand und 22 Kubikmeter Lehm verbaut. Genutzt haben wir dazu 120 Hektar Bodenausgleichsflächen.“
Oberboden, Schutzkörper und Lehmabdeckung sind an vielen Abschnitten bereits bearbeitet worden. Trotzdem sind neue Abschnitte in Planung. Budget dafür sei noch vorhanden, heißt es von Wilhelm Siefert, dem Vorsitzenden des Neuhauser Deich- und Unterhaltungsverbandes. In seiner Einstiegsrede wies er zudem darauf hin, dass der Haushalt im vergangenen Jahr stimmte, sogar ein leichtes Plus erwirtschaftet werden konnte. Sowohl der reine Haushalt des Verbandes, der sich im Bereich der Einnahmen zum Großteil auf Beiträge stützt und auch bei der Gewässerunterhaltung sind positive Bilanzen gezogen worden. Neben den Bauprojekten sollen jetz noch verfügbare Mitteln für Technik reinvestiert werden. Ein neuer Mäher steht auf dem Einkaufsplan und auch in puncto Kettenbagger solle sich etwas tun. „Wir wollen damit eindeutig die Arbeitsproduktion steigern“, sagt Siefert.
Ein schwelendes Streitthema an der Elbe ist jedoch nach wie vor die „Verbuschung“. Verband, Deichgeschworene und alle Behörden, die eher auf Sicherheit am Deich bedacht sind, befinden sich noch immer im Clinch mit Nabu und BUND. Zwist: Verbuschung behindert den Wasserabfluss. Doch in welchem Maße? Da streiten sich die Gelehrten. Großer Gegner des Fortschreitens der Verbuschung ist Johannes Haker. „Hätten wir darauf früher reagiert, wäre das Wasser 2013 niemals über den Deich gestiegen. 11 Millionen Euro hätten gespart werden können.“ Provokant. Wolfram Kallweit hält dagegen. „Wenn man den Abfluss wirklich deutlich verbessern will, bräuchte man englischen Rasen. Und das ist unrealistisch.“
Über das Thema Verbuschung am Elbdeich wird so schnell also kein Gras wachsen – eine gepflegte Streitkultur kann aber auch konstruktiv sein.