Zu Besuch bei den Fallschirmsportlern von Neustadt-Glewe, die nicht nur Blütenköniginnen den Sprung aus großer Höhe ermöglichen
Und das alles nur für ein paar Fotos: Es wackelt gewaltig in dem Aluminiumkasten, in dem ich fest gegurtet auf dem Boden sitze. Die kalte Luft zerrt an mir, wir sind in 4000 Metern Höhe und ich habe Schiss, bei offener Luke aus dem Flugzeug zu fallen. Wäre ich doch nur am Boden geblieben.
Willkommen bei den Fallschirmsportlern von Neustadt-Glewe. Das ist der Verein, der ab Ende August die Deutschen Meisterschaften im Fallschirmspringen ausrichten wird. Da kommt so eine Werbeaktion, bei der die Blütenköniginnen aus Dodow per Fallschirm einschweben, ganz gelegen. Vanessa Rogge, die neue Königin, sitzt neben mir, angegurtet an ihrem Tandemlehrer. Glücklich sieht sie nicht aus, eher blass. Anders ihre Nachbarin und Vorgängerin im Amt, Luisa Heinrich, sie scheint sich sogar zu freuen. Ich beneide die beiden in dem Moment nicht. Sie müssen gleich springen. Ich kann drin bleiben. Erst später werde ich mir wünschen, ich wäre doch gesprungen.
Fürsorglich sind sie, die Fallschirmleute und aufmerksam. Man duzt sich. Mein Betreuer heißt Holger, er ist die Ruhe in Person und weicht mir schon kurz vor dem Start nicht von der Seite. Ich soll zwar nur Fotos machen, aber zur Sicherheit bekomme auch ich einen Fallschirm angelegt. Ich mag mir den Fall der Fälle gar nicht ausmalen. „Wenn es soweit kommen sollte, schubse ich dich über die Kante und ziehe, dann geht der Schirm gleich auf“, versucht er mich zu beruhigen. Ein anderer Fallschirmspringer zeigt mir gleich denn Griff für den Notschirm. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob ich den in der Luft finden würde.
Blütenköniginnen, die aus dem Himmel fallen, sind auch für die Sportler um den Vereinsvorsitzenden Jörg Panzer etwas Besonderes. Tandemspringer sind es nicht, das gehört zum Alltag und bessert die Einnahmen auf. Und so springen an dem Tag nicht nur die beiden Blütenköniginnen aus 4000 Metern Höhe ab, sondern auch noch andere zahlende Gäste. Der Standardpreis liegt bei 200 Euro. Pro Sprung.
„In der Luft greifst du dann die Schlaufen rechts und links, das sieht man dann schon. An denen ziehst du dann, damit kann man steuern. Und wichtig, kurz vor der Landung, ziehst du beide Schlaufen ganz runter und hebst die Beine vor der Landung an. Aber das brauchst du alles nicht“, raunt Holger mir beim Anlegen der Gurte zu. Ich höre gebannt hin.
Falko, der lockere Pilot, gibt zügig Gas mit seiner Cessna Grandtour. Wackelnd stoßen wir durch die Wolken. Dann wird bei 1500 Metern dass seitliche Rolltor zum ersten Mal aufgerissen. Zwei Vorspringer verschwinden. Dann steigen wir auf 4000 Meter, die Tandemspringer sind jetzt dran. Sie robben sich an die Luke heran, die Mädels vorn angeschnallt, kurzer Blick in den Abgrund, dann sind sie weg. Doch jetzt kommt der Rückflug, mein Betreuer Holger und ich sind mit dem Piloten allein, nachdem er weitere Tandemspringer über dem Platz in Neustadt-Glewe rausgelassen hat. Was nun kommt, lässt sich für den Laien nur als Achterbahnfahrt direkt aus dem Himmel beschreiben. Wenn es zwei Minuten bis zur Landung gedauert hat, war es viel. Doch ich kann nicht auf die Uhr gucken, ich muss mich festhalten und bin vollends mit Überleben beschäftigt. Holger hilft mir in dem hin- und her springenden Flugzeug wo er kann. Ich soll tief durchatmen, bedeutet er mir im Krach, dann setzt Pilot Falko auf. Später erfahre ich, dass sei noch die nette Tour gewesen, Falko könne auch anders fliegen. Mir hat es auch so gereicht. Und obwohl ich nicht gesprungen bin, ahne ich, wie sich die Mädels in den Fallschirmen gefühlt haben müssen, ganz anders nämlich.
Später lässt das Rauschen in den Ohren nach, die Erde hat mich wieder. Und ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass Springen wohl besser gewesen wäre, als dieser Rückflug. Für die Profis vom Verein ist das Routine, sie kennen die aufgeregten Gespräche der Gelandeten. Für sie ist das Alltag, für alle anderen ist es ein Riesenerlebnis, das sie in ihrem Alltag sonst nie erleben werden. Und diesen Traum leben die Fallschirmleute, die bei aller Lockerheit die Sicherheit nie aus dem Auge lassen. Selbst ich mit meinem Fallschirm für den Notfall bin gleich von drei verschiedenen Sportlern kontrolliert worden.
Wer sich das alles näher ansehen und eine Ahnung von dem bekommen will, was im Fallschirmsport so geht, der sollte sich vom 26. August bis zum 2. September frei nehmen und bei den Meisterschaften dabei sein.



