Interview mit Jörg Lettau, dem Geschäftsführer der kommunalen Nahbus Nordwestmecklenburg GmbH, über die Lage im neuen ÖPNV
Ein Vorwurf steht im Raum: Zahlen eines aktuellen Berichts des Landkreises Nordwestmecklenburg zum Zustand des Öffentlichen Personennahverkehrs seien falsch. Rüdiger Jacobs, der Betriebsratsvorsitzende der Nahbus Nordwestmecklenburg GmbH, sprach in diesem Zusammenhang von einer zuvor nicht richtig durchgeführten Auswertung. SVZ-Redakteur Holger Glaner fragte nach bei Jörg Lettau, dem Geschäftsführer des für den ÖPNV verantwortlichen kommunalen Busunternehmens.
Wie bewerten Sie die Aussage Ihres Betriebsratsvorsitzenden?
Jörg Lettau: Er hat damit lediglich sagen wollen, macht den neuen ÖPNV nicht schlechter, als er tatsächlich ist. Das Problem des Evaluationsberichts ist, dass es – übrigens auch aus dem Vorjahr – keine belastbaren Fahrgastzahlen für den gesamten Landkreis Nordwestmecklenburg gibt. Der Bericht bezieht sich ausschließlich auf verkaufte Fahrscheine, nicht auf die tatsächlichen Nutzerzahlen.
Das müssen Sie unseren Lesern erklären.
Nehmen wir als Beispiel unsere „Tageskarte 2+“. Diese berechtigt den Inhaber zur Mitnahme einer weiteren erwachsenen Person sowie beliebig vieler eigener Kinder oder Enkel im Alter von bis zu 14 Jahren. Also sind im Evaluationsbericht aufgeführt, wie viele Tickets wir in diesem Tarif verkauft haben. Aber die Anzahl der verkauften Fahrscheine muss mit einem entsprechenden Nutzungsfaktor bewertet werden, um festzustellen, wie viele Fahrgäste tatsächlich damit unterwegs waren.
Und wie verhält es sich in anderen Tarifen?
Ganz ähnlich. Eine Monatskarte wird nur einmal gekauft und taucht in der Fahrscheinstatistik demzufolge auch nur einmal auf. Man muss die Zahl mit der sogenannten Nutzungshäufigkeit kombinieren, dann kommt man auf die wirklichen Beförderungsfälle. Statistisch betrachtet geht man bei Monatskarteninhabern davon aus, dass diese mit ihrem Ticket durchschnittlich 50,6 Mal den Bus nutzen. Bei Wochenkarteninhabern legt man einen Wert von elf Fahrten zu Grunde.
Das heißt, die Zahlen im Evaluationsbericht des Landkreises sind doch richtig?
Ja, aber es handelt sich eben um verkaufte Fahrscheine, und die bedürfen allerdings einer entsprechend tiefgehenden Interpretation. Hierfür war der Zeitraum für die Evaluierung meines Erachtens zu kurz. Nach dem Start im Januar benötigt man eigentlich mindestens ein Jahr um vergleichende Aussagen treffen zu können. Im nächsten Jahr halte ich es für wichtig, dass wir echte Fahrgastzählungen auf allen Linien im Landkreis durchführen. Dann können wir auch die Verkehrsströme und -richtungen sowie die Auslastungen der Fahrzeuge auf den einzelnen Linien besser bewerten. Also, wer fährt mit seinem Ticket wohin oder steigt an welchem Ort in welche Richtung um?
Warum aber ist die Zahl der verkauften Monatskarten zwischen Januar und Juni erheblich gesunken? Wird dieses Tarifangebot nicht angenommen?
Leider sagt die Verkaufsstatistik nichts über die verkauften Abonnement-Tickets aus. Denn die meisten der Zeitfahrer sind nach dem erfolgreichen Ausprobieren der neuen Monatstickets zur Abo-Monatskarte, die eine weitere Rabattierung von 25 Prozent ermöglicht, gewechselt.
Wie ist es denn nun um den Öffentlichen Personennahverkehr im Nordwestkreis tatsächlich bestellt?
Gut. Mit der Umsetzung der Fahrplanänderungen sind die anfänglichen Schwierigkeiten im östlichen Teil des Landkreises bereinigt, auch die Zusammenarbeit mit unseren Partnerunternehmen funktioniert gut. Insbesondere in den Ferienmonaten haben wir gute Fahrgastzuwächse aus dem touristischen und Freizeitsektor verzeichnen können. Wir sehen also, dass langsam greift, was wir im Januar begonnen haben.
Vier Fahrplanwechsel in nur neun Monaten sorgen dennoch für Verunsicherung unter potenziellen Fahrgästen. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?
Tarif- und Fahrplanänderungen führen immer zu Verunsicherungen bei unseren Fahrgästen. Diese vier Fahrplanwechsel waren aber zur Verbesserung des Fahrplanes notwendig. Schwierigkeiten gab es vor allem in den ersten drei Monaten, in denen wir sicherlich Fahrgäste verloren haben. Aber mittlerweile wird unser Taktsystem gut angenommen und die Erweiterungen im Fahrplan für die Sommermonate sind insbesondere von spontanen Kunden angenommen worden. Jetzt gilt es, an einigen Tarifen, insbesondere dem für kürzere Wegstrecken zwischen fünf und sieben Kilometern, zu arbeiten.
In diesem Jahr muss der Landkreis den neuen ÖPNV mit gut 2,2 Millionen Euro bezuschussen. Im nächsten Jahr soll dieser Betrag auf 1,5 Millionen heruntergefahren werden. Wie realistisch ist diese Zahl für das Jahr 2017?
Der erhöhte Zuschuss für das Jahr 2016 resultiert im Wesentlichen aus fehlenden Fahrgeldeinnahmen. Deshalb arbeitet die Kreisverwaltung mit unserer Hilfe an einer Neugestaltung des Beförderungstarifes. Wie realistisch die erwähnten 1,5 Millionen Euro am Ende sind, kann ich aus heutiger Sicht noch nicht beurteilen.