
1300 Besucher rockten in Jamel gegen Intoleranz – mit den „Toten Hosen“ als Überraschungsgästen
„You’ll never walk alone“: Der weltweit zur Fußball-Hymne gewordene Song über das Wiederaufstehen und Weiterkämpfen, allen Widrigkeiten zum Trotz, schallte am späten Samstagabend durch die Nacht von Jamel. Tausend Kehlen nahmen den von Campino, dem Frontmann der Punkband „Die Toten Hosen“, angestimmten Refrain auf, und gaben dem Lied so eine weitere Bedeutung: Im Kampf gegen rechten Terror und Gewalt stehen Menschen wie das Künstlerpaar Birgit und Horst Lohmeyer nicht allein. So die klare Botschaft der neunten Auflage des Musikfestivals „Jamel rockt den Förster“.
Dass es in diesem Jahr anders werden würde, hatten die Lohmeyers, die seit 2007 zum Festival laden, wohl schon geahnt. Dass es so kommen würden, hatten sie wohl nicht zu träumen gewagt. Als sich der Überraschungsauftritt der „Toten Hosen“ herumsprach, war abzusehen, dass die Festivalwiese hinter dem Forsthaus nicht reichen würde. 1300 Besucher, ein neuer Rekord. Die Polizei musste das Areal später schließen.
Das kleine Jamel mauserte sich an diesem Tag zum Ort des Widerstands. Flagge zeigen gegen Rechts. Rechts, das sind in Jamel der Neonazi Sven Krüger und seine Gesinnungsgenossen. Sie hatten eine Hüpfburg aufgebaut und feierten Einschulung. Ein Schauspiel der Normalität. Zum Haus von Krüger setzte ein regelrechter Besucherstrom ein. Nazisgucken. Einfach mal sehen, wer da am Ende der Straße wohnt, wer den Lohmeyers in den vergangenen Jahren gedroht hat, sie beleidigt hat, und letztlich der Grund ist, warum „Forstrock“ überhaupt ins Leben gerufen wurde.
Auch Campino, Sänger der „Toten Hosen“, schlenderte durch Jamel. Nach einem Spaziergang vorbei an einem Kitschbild, das die „Dorfgemeinschaft Jamel“ anpreist, zeigte sich der Musiker entsetzt. Eklig sei das, sagt er. „Jamel steht für viele Orte wie diesen. Hier prallen gerade heute zwei Welten aufeinander.“
„Die Toten Hosen“ sind für ihr politisches Engagement bekannt. Die Teilnahme am Festival in Jamel war allerdings eine spontane Idee, wie Sänger Campino erzählte. „Wir haben die Lohmeyers angerufen und gefragt: Meint Ihr, Ihr habt noch einen kleinen Platz für uns, dass wir ein bisschen bei euch mitfeiern dürfen“, berichtete er am Abend unter dem Jubel der Fans. Die Geschichte der beiden aufrechten Kämpfer gegen Intoleranz und Fremdenhass habe ihn und seine Musiker „wahnsinnig berührt“, so Campino. „Nachdem ich davon gelesen hatte, habe ich mir auf den Nachttisch geschrieben: Warum spielen wir eigentlich nicht in Jamel?“
Neben den „Toten Hosen“ traten beim diesjährigen Forstrock viele weitere Künstler gegen rechts an. Unter ihnen zum Beispiel Songpoet Tino Eisbrenner. Sängerin Inga von der Ska-Punkband „Callin Tommy“ fand klare Worte: „Die Welt braucht mehr Lohmeyers, die sich gegen Intoleranz und Fremdenhass zur Wehr setzen.“ Nach Jahren als Schirmherr mischte sich zur Eröffnung am Freitag auch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) unter die Besucher. Er dankte den Lohmeyers für ihr Engagement, bat sie weiterzumachen und versicherte: „Wir lassen Euch nicht allein.“ Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) besuchte das Festival.
Für die Lohmeyers schwankten die Tage zwischen Stress rund um die Organisation und Rührung ob der Solidarität und Unterstützung für ihr Engagement. Als sie auf der Bühne den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage überreicht bekamen, konnte Birgit Lohmeyer die Tränen kaum zurückhalten und musste erst einmal tief durchatmen. „Es ist schön, dass ihr alle zu uns gekommen seid“, sagte sie.
Kurz vor dem Ende schallte dann die wichtigste Botschaft durch die Nacht. Als Campino „You’ll never walk alone“ („Du wirst nie alleine gehen“) anstimmte, fielen 1300 Stimmen mit ein.
Das war auch auf der anderen Seite des Dorfes zu hören. Und das ist auch gut so.


