Kreisbauernpräsident spricht über aktuelle Probleme in der Landwirtschaft und will Geld für kapitulierende Milcherzeuger
Die Stimmung unter den Landwirten ist schlecht. Der Milchpreis ist im Keller, die Preise für Schweinefleisch und Geflügel ebenfalls. Hinzu kommt das Glyphosat, das den Bauern Sorgen bereitet. Im Gespräch mit der SVZ spricht Jörg Haase, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Nordwestmecklenburg und Chef der Agrar Aktiengesellschaft Gadebusch, über die Probleme in der Landwirtschaft.
Herr Haase, es wird zurzeit viel über Sorgen für die Landwirte gesprochen. Wie schwer haben es die Bauern in Nordwestmecklenburg?
Haase: Die Landwirtschaft hat im Moment, was die Pflanzenproduktion angeht, einen nicht so guten Ruf. Fast jeden Tag wird von Giften gesprochen, dabei schützen wir unsere Pflanzen. Hinzu kommt die Niedrigpreisproblematik was die Milch angeht, bei Schweinen und auch beim Geflügel.
Welches ist zurzeit das größte Sorgenkind?
Unser größtes Sorgenkind ist im Moment die Milch, weil der Preisverfall jetzt schon fast ein Jahr andauert. Viele reine Milchviehbetriebe kämpfen um ihre Existenz. Das Problem ist einfach, dass wir zurzeit nur noch 21 bis 23 Cent pro Liter bekommen. Der Landwirt braucht für die Produktion im Durchschnitt aber 35 Cent pro Liter.
Was können Sie, der Kreisbauernverband und seine Mitglieder, dagegen tun?
Wir müssen uns irgendwie organisieren. So, dass die Werthaltigkeit der Milch in der Bevölkerung anerkannt wird und der Handel die Milch nicht weiterhin zu Schleuderpreisen verschenkt.
Wie viele Milchbauern in Nordwestmecklenburg hat der geringe Milchpreis bereits die Existenz gekostet?
Es gibt bislang drei Betriebe im Kreis, die aufgehört haben. Einer hat ganz aufgegeben, die beiden anderen strukturieren um auf reine Pflanzenproduktion. Und etliche weitere überlegen, auch mit der Milchproduktion aufzuhören. Eine Umstrukturierung hat zur Folge, dass weniger Arbeitskräfte gebraucht werden.
Den Betrieben bleibt nichts anderes übrig, weil sie Kredite abbezahlen müssen?
Das Problem ist, dass wir die letzte Milchkrise erst 2009 hatten. Danach haben viele Betriebe in neue Stalltechnik investiert. Auch, weil das Land das Programm artgerechte Tierhaltung ins Leben gerufen hat. Das heißt, die Bauern haben in mehr Wohlbefinden ihrer Kühe investiert. Sie haben dafür Agrar-Förderprogramme bekommen, mussten sich aber verpflichten, zwölf Jahre lang weiterhin zu produzieren. Das hat zu Anfang funktioniert, zumal wir vor anderthalb Jahren einen Milchpreis von 40 Cent hatten.
Dadurch haben sich die Investition der Landwirte gelohnt?
Ja, aber dieses Programm der Landesregierung gibt es nicht mehr. Das bedeutet, die Bauern sitzen da und bekommen keine Fördermaßnahmen mehr für die Art der Produktion. Und jetzt ist auch noch der Milchpreis im Keller. Für die Landwirte im Kreis, die kräftig investiert haben, ein echtes Problem. Ihnen geht es besonders schlecht.
Das heißt, einige Landwirte sind nicht nur sauer auf die Molkereien und den Handel, sondern auch auf die Landesregierung?
Natürlich. Vor allem, weil die Landesregierung und auch der Bund bei Umstrukturierungen oder bei Existenzaufgabe, was jetzt passiert ist, nicht zu den Landwirten steht und zum Beispiel sagt: Wir unterstützen euch, damit ihr schneller aus euren Verpflichtungen rauskommt. Wir vom Kreisbauernverband fordern deshalb eine Entschädigung für die betroffenen Landwirte.
Nicht nur die Milchbauern im Kreis kämpfen um ihre Existenz. Auch Schweine- und Geflügelmastbetriebe haben große Sorgen?
Sie sind in einer ähnlichen Lage, das wissen viele in der Bevölkerung aber nicht, weil nicht die Masse wie bei den Milchbauern von einer Existenznot betroffen ist. Bei Schweinen brauchen wir einen besseren Preis, um wirtschaftlich zu arbeiten. Beim Geflügel sieht es ähnlich aus.
Auch die Landwirte in der Pflanzenproduktion haben Sorgen?
Da haben wir das Thema Glyphosat. Das Spritzen gegen Unkräuter soll verboten werden. Dadurch müssen wir Landwirte noch häufiger auf den Acker fahren, um Unkräuter zu bekämpfen. Das verdichtet nicht nur den Boden, sondern ist auch eine größere Belastung für die Umwelt.
Kritisch sehen viele Landwirte auch die vielen Landschaftsschutzflächen im Kreis?
Zurecht, denn es werden viel zu viele Flächen dem Naturschutz gewidmet. Wir haben das Vogelschutzgebiet Wismarbucht, das Vogelschutzgebiet Schweriner See, das Biosphärenreservat Schaalsee. Hinzu kommen zahlreiche FFH-Gebiete. Und es werden immer mehr. Solche Gebiete machen die konventionelle Landwirtschaft mehr und mehr unmöglich, weil den Landwirten die Flächen fehlen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Zurzeit wird stark daran gearbeitet, dass Kulturflächen, die über Jahrhunderte von unseren Vorfahren geschaffen wurden, Knall auf Fall vernichtet werden. Auch deshalb haben wir Sorgen und Nöte. Und deshalb ist die Stimmung unter den Landwirten im Kreis auch extrem schlecht.
Was muss sich denn ändern für die Landwirte?
Es muss den Landwirten die Möglichkeit gegeben werden, dass sie von ihrer Arbeit leben können. Das heißt, er muss die Chance haben, das Produkt, das er erzeugt, gesund zu erhalten und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu verkaufen. Deshalb ist die Wertschätzung in der Bevölkerung für landwirtschaftliche Produkte ganz wichtig. In den Supermärkten wird nach wie vor oft nach dem billigsten gegriffen, was nicht verwerflich ist. Aber man sollte schon gucken, woher die Produkte kommen. Ich plädiere für regionale Produkte. Ich muss keine Schweine aus dem Ausland essen. Und ich muss auch keine Milch aus Bayern trinken, wenn ich Hansano vor der Tür habe.
Wie sieht es angesichts so vieler Negativmeldungen mit dem Nachwuchs in den Landwirtschaftsbetrieben des Kreises aus?
Sehr unterschiedlich. Im Leitungsbereich haben wir große Nachwuchsprobleme, was verständlich ist. Wer will sich da vor den Karren spannen lassen und die Verantwortung übernehmen? Ähnlich sieht es auf dem Tierproduktionssektor aus. Hier muss auch am Wochenende und an Feiertagen gearbeitet werden. Wenn andere Feierabend haben, müssen die Tiere gefüttert werden. Für diesen Beruf braucht man Liebe. In der Pflanzenproduktion und im Technikbereich sieht es anders aus. An den großen Maschinen sind viele junge Leute interessiert.