Ein Angebot des medienhaus nord
Ein Artikel der Redaktion

Erhard-Bräunig-Preis Die Kandidatin aus der Kleiderbörse

Von mica | 28.10.2016, 05:00 Uhr

Lydia Schulz vom Arbeitslosenverband Gadebusch wurde für den mit 5000 Euro dotierten Preis vorgeschlagen

Rätselraten in der Kleiderbörse. Dort stellt sich Lydia Schulz vom Arbeitslosenverband Gadebusch die Frage: Wer hat sie für den mit 5000 Euro dotierten Erhard-Bräunig-Preis für bürgerschaftliches Engagement vorgeschlagen? So sehr sie auch grübelt, eine Antwort auf die Frage findet sie nicht. „Ich war jedenfalls schockiert, als ich das in der Zeitung gelesen habe“, sagt die 61-jährige Roggendorferin. „Denn meine Arbeit sehe ich als Selbstverständlichkeit an, um anderen Menschen zu helfen“, so Lydia Schulz. Weiter kommt sie nicht, denn das Telefon im Büro klingelt und sie nimmt den Hörer ab. An diesem Vormittag klingelt das Telefon noch ungefähr ein weiteres dutzend Mal.

Statt zu telefonieren oder Papierkram zu erledigen, wäre sie am liebsten unten bei ihren Frauen und würde beim Wäschesortieren helfen. Doch diese Zeiten sind für Lydia Schulz längst vorbei. Statt dessen schlägt sie sich mit Bürokratie herum, erledigt Abrechnungen, schreibt Anträge und grübelt, wo sie Geld herbekommt, um das Ganze am Laufen zu halten. Denn neben der Kleiderbörse betreibt der Arbeitslosenverband Gadebusch auch ein Bewerbercenter, eine allgemeine soziale Beratung, die Möbelbörse und eine Fahrradwerkstatt. 33 Leute haben hier eine Beschäftigung gefunden und können mit ihrer Tätigkeit anderen ein Stück weit helfen. „Vom 1. November an steht unsere Fahrradwerkstatt zum Beispiel auch Hartz-IV- und Sozialgeldempfänger zur Verfügung“, sagt Lydia Schulz.

Wie es ist, mit wenig Geld auszukommen, dass kennt die gelernte Feinmechanikerin und ehemalige LPG-Mitarbeiterin aus eigener Erfahrung. Nach der Wende gab es immer wieder Phasen, in denen die Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen ist. „Ich habe das durch, als 25 D-Mark in der Woche übrig waren, um davon Lebensmittel für uns zu kaufen. Da überlegt man dreifach, was notwendig ist und worauf man verzichten kann beziehungsweise muss“, erinnert sich Schulz. Total zurückgezogen habe sie sich damals während ihrer ersten Arbeitslosigkeit und sei nicht mehr ins Dorf gegangen.

Nach diesen Erfahrungen denkt Lydia Schulz heute oft darüber nach, wie sie für Frauen mit Ein-Euro-Job einen Ausweg finden kann. Wenn es klappt und ein Arbeitsvertrag unterschrieben wurde, macht das Lydia Schulz unheimlich glücklich.

Ob auch sie bald einen weiteren Grund zur Freude hat, stellt sich am 14. November heraus. Dann wird im Mecklenburgischen Künstlerhaus Schloss Plüschow erstmals der Erhard-Bräunig-Preis vergeben. 46 Namen befinden sich auf der Vorschlagsliste.

Sollte der Name Schulz nicht aufgerufen werden, sei dies alles andere als schlimm. „Es gibt mit Sicherheit ganz viele Leute, die diese Auszeichnung verdient haben“, sagt Lydia Schulz, die Erhard Bräunig (1945 – 2015) einst persönlich kennen lernte. „Er war ein sehr sympathischer Mann, der anderen zuhörte und auf dessen Wort man sich verlassen konnte“, so Schulz.

Für den Fall, dass die Wahl der Jury, doch auf Lydia Schulz fallen sollte, weiß die die Frau vom Arbeitslosenverband Gadebusch bereits, was sie mit den 5000 Euro anfangen wird: „Ich würde das Geld zu 100 Prozent in unsere Projekte stecken. Das ist sicher.“