Pastor i.R. Joachim Meyer schrieb Erinnerungen an seinen Vater Wilhelm Meyer, von 1934 bis 1968 Pastor, nieder
Gundula Harder und ihre Zwillingsschwester wurden von Pastor Wilhelm Meyer getauft. Da war die Jürgenshägerin gerade einmal fünf Monate alt. Als der Pastor der Kirchengemeinde Neukirchen 1968 starb, ging Gundula Harder noch nicht einmal zur Schule. „Ich kannte ihn also leider nicht persönlich oder eigentlich schon“, sagt die 55-Jährige. Mehr als 50 Jahre später wisse sie viel mehr über Pastor Meyer. Der Grund: Dessen Sohn, Joachim Meyer, selbst viele Jahre Pastor in Baumgarten, hat ein Buch über seinen Vater geschrieben. Gundula Harder und ihre Tochter Caroline Bartels haben ihn dabei unterstützt.
Das Buch „Eine mecklenburgische Kirchgemeinde und ihr Pastor in brisanter Zeit – Neukirchen 1934 -1968“ ist nicht nur die Geschichte eines Pastors, sondern auch die einer ganzen Region. Das alles hat Joachim Meyer in den Kontext mit geschichtlichen Ereignissen jener Jahrzehnte gebracht.
Ein Anliegen sei es gewesen, über das Verhältnis von Kirche und Staat im Nationalsozialismus und in der DDR zu berichten, sagt Meyer. „Wie konnte es zum Beispiel zu der Bewegung ,Deutsche Christen‘ kommen? Eine Bewegung, die sich gemein machte mit der NS-Idiologie“, sagt Joachim Meyer. Auf der anderen Seite, gab es die „Bekennende Kirche“, die genau die andere Seite vertrat. „Und es gab Pastoren, die weder auf der einen noch zur anderen Seite standen. Sie standen in der Mitte, so wie mein Vater“, sagt der Autor.
Wer glaubte, dass sich das nach dem Zweiten Weltkrieg änderte, wurde aber enttäuscht. „Einige Pastoren schlugen sich auf die Seite der DDR-Ideologie. Doch der Sozialismus der DDR war nicht der, den sie sich erhofften“, sagt Meyer.
Geschichtliche Ereignisse verbunden mit ganz persönlichen Erlebnissen seines Vaters machen das Buch zu einem kurzweiligen Leseerlebnis. Da erfährt der Leser zum Beispiel, dass die große Glocke der Kirche zu Neukirchen im Zweiten Weltkrieg nicht eingeschmolzen wurde, sondern 1942 in einem Glockenlager in Hamburg landete und Anfang der 1950er-Jahre nach Neukirchen zurückkehrte. Was bei diesem Rücktransport passierte und warum die Glocke noch einmal die Kirche verlassen musste, wird in dem Buch erzählt. Episoden aus dem Leben von Pastor Wilhelm Meyer, die auf der einen Seite zum Schmunzeln anregen, aber auch Ereignisse schildern, die nachdenklich machen. Zugleich lässt der Autor auch Erlebnisse aus dem eigenen Wirkungskreis in die Erzählungen mit einfließen.
Die Erlebnisse seiner Eltern, mit allen Höhen und Tiefen, dürfen nicht in Vergessenheit geraten, sagt Joachim Meyer. „Wenn wir es nicht aufschreiben, dann gerät es in Vergessenheit. Und das wäre sehr schade, denn auch unsere Zeit auf dieser Erde ist begrenzt“, sagt der 79-Jährige.
Und deshalb ist er auch Gundula Harder und ihrer Tochter Caroline Bartels für die Hilfe dankbar. Caroline Bartels hat die Manuskripte in digitale Form gebracht und damit für den Druck vorbereitet. Für Gundula Harder, die für Grafiken und die Gestaltung des Einbandes sorgte, war die Arbeit am Buch aber noch viel mehr.
Mit Hilfe der Erzählungen ihrer Eltern, ehemaliger Konfirmandinnen und Konfirmanden sowie vieler anderer Menschen der Gemeinde hätte sie sich ein eigenes Bild von Wilhelm Meyer geschaffen. „Fast 50 Jahre nach Ende der Schaffenszeit von Pastor Meyer, weiß ich so viel mehr über das Leben dieses Mannes in seiner Gemeinde und darüber hinaus, kann viele Spuren und Zeugnisse in unserer Gemeinde mit seinem Wirken verbinden und Gehörtes jetzt besser einordnen, ja oft sogar beantworten und verstehen, worüber ich immer wieder nachgedacht habe“, sagt Gundula Harder.
Sie habe schon jetzt erfahren, welche Reaktionen das Buch auslöst. Ältere Menschen erinnern sich, wenn sie in dem Buch lesen, und erzählen Geschichten, die sie sonst vielleicht nicht erzählt hätten. „So profitieren auch junge Leute davon“, sagt Harder.