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Seychellen Wo die Palmen Hochzeit feiern

Von Jutta Lemcke | 30.03.2019, 16:00 Uhr

Mit ihren Traumstränden, Palmenwäldern und Riesenschildkröten liegt auf den Seychellen Liebe in der Luft

Schwarze Papageien flöten ihr Tirili. Eine Kokosnussspinne eilt über den weichen Dschungelboden. Riesige Wedel formen weit oben ein immergrünes Dach und tauchen den Palmenwald ins Dämmerlicht. Und hier unten passieren fantastische Geschichten. Shaun Larue, einheimischer Naturguide, kennt sie alle und streift wie ein exotischer Märchenonkel durchs üppige Grün, um viele Wahrheiten und einige Legenden zu erzählen.

Wahrheiten und Legenden

Im Palmenwald Vallée de Mai auf der zweitgrößten Seychelleninsel Praslin ist beispielsweise die geheimnisumwitterte Coco-de-Mer-Palme zu Hause. Genau genommen gibt es zwei sehr unterschiedliche Exemplare: Eine männliche mit Blütenständen, die wie ein riesiger Phallus aussehen, und eine weibliche, deren viele Kilogramm schweren Samen einem üppigen weiblichen Becken gleichen. Meist stehen die schlanken Bäume viele Meter voneinander entfernt im Wald und so rätselt jedermann, wie sie wohl zueinander kommen können. Doch wo Liebe ist, ist auch ein Weg. Nachts, wenn es heftig stürmt, so sagt die Legende, ist es soweit: Die Meeresnusspalmen neigen sich zueinander und feiern Hochzeit. Die männlichen Bäume mit ihren langen Blütenständen paaren sich mit den weiblichen – und Palmenkinder werden gezeugt.

Die Wissenschaftler haben eine andere Theorie. „Lange ging man davon aus, dass der Wind die Pollen überträgt“, sagt Shaun Larue. „Doch heute glaubt man, dass Geckos mit ihren Haftfüßen die Stämme hoch- und runterlaufen und für Bestäubung sorgen.“ So oder so ist Shaun dem Zauber dieses Millionen Jahre alten Märchenwaldes erlegen. Sechs Palmenarten sind hier vereint, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt – wie die Coco de Mer.

Auf den Seychellen übertreibt die Natur an allen Ecken.

Philodendren, Hibisken, Zimtbäume und Gewürzvanille – was woanders kümmerlich keimt, wuchert hier. So wundert es nicht, dass auch die Schildkröten Giganten sind. Vor allem auf der Insel Curieuse schleppen sich die mächtigen Panzertiere raschelnd und schmatzend durch den Wald. Die ehemalige Leprainsel steht heute unter Naturschutz und ist Heimat für rund 300 Aldabra-Riesenschildkröten, die von dem zu den Seychellen gehörenden Aldabra-Atoll stammen.

Wer als Besucher auf die sonst unbewohnte Insel kommt, verliebt sich gleich in die behäbigen Urzeittiere, die ihre faltigen Hälse neugierig aus dem Panzer strecken, wenn sie leckere Blätter oder süße Minibananen sehen. Noch länger werden die Hälse, wenn ein Schildkrötentourist mit dem Kraulen beginnt.

Esmeralda bringt 300 Kilogramm auf die Waage und blickt auf rund 200 Lebensjahre zurück.

Dann verdreht das Panzertier genüsslich die dunklen Augen und reagiert mit missmutigem Fauchen, wenn die Wellnessbehandlung abbricht. Die Kolosse werden steinalt. Die älteste ihrer Art lebt auf der Seychellen-Insel Bird Island. Esmeralda bringt 300 Kilogramm auf die Waage und blickt auf rund 200 Lebensjahre zurück. Sie krabbelte schon durch den Dschungel, als noch die französischen Korsaren über das Archipel herrschten, erlebte die britische Kolonialzeit mit und konnte sich über die Unabhängigkeit im Jahre 1903 freuen.

 

Ganz so betagt sind die Schildkröten an der Anse Takamaka nicht, die unter der Obhut von Elvis Ogony stehen. Der Kenianer pflegt die Tiere im Auftrag des Fünfsterne-Resorts Raffles Seychelles, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, kranken und schlecht versorgten Tieren ein neues Zuhause zu geben. Drei Eimer mit Bananen verschwinden jeden Tag in den gierigen Mündern der Schildkröten. Die meisten der Tiere seien 50 bis 80 Jahre alt, schätzt Elvis.

Seine Lieblingsdame ist allerdings deutlich jünger – so etwa in seinem Alter, Ende dreißig. Sie ist helle im Kopf, sportlich immer als erste zur Stelle, wenn es Futter gibt und Elvis insgesamt sehr zugetan. Das sieht man sofort, denn immer ist sie an seiner Seite und knabbert an seinem Hosenbein.

Zeitvertreib finden Einheimische und Touristen vor allem im Wasser, unter Wasser und an den puderzuckerfeinen Stränden. Und von denen gibt es reichlich. Einige werden regelmäßig mit zu den schönsten der Welt gewählt. Ein Paradies, zu dem es schwer fällt, ein „Aber“ zu formulieren. Noch nicht einmal gefährliche Tiere sind zu fürchten. Genau genommen gibt es – außer den eingeführten – überhaupt keine Säugetiere, da sich die Inseln bereits vor Jahrmillionen vom afrikanischen Kontinent abgespaltet haben, zu einer Zeit, als ausschließlich Reptilien die Welt bevölkerten.

Keine Säugetiere? Das stimmt nicht ganz. Irgendwann haben es Flughunde auf die Seychellen geschafft. Selbst an den Hotelvillen baumeln sie kopfüber an den Dachvorsprüngen. „Die meisten Gäste finden sie niedlich“, sagt Stefan. Doch bei den Seychellois erzeugen sie noch andere Gefühle, nämlich Appetit. Traditionell werden die Tierchen gerne mal in Curry serviert. Dieser Tradition muss man als Besucher nicht folgen. Eine andere ist da romantischer: Wer die knusprigen Chips aus der Brotfrucht kostet, erhält ein Versprechen – er kommt noch einmal zurück auf die Seychellen.