Das beliebteste Geschenk zum Muttertag sind Blumen. Aber wie wäre es in diesem Jahr mal mit einer anderen Idee?
Das Abendessen planen, einen Termin beim Kinderarzt vereinbaren oder den Babysitter für nächsten Samstag bestellen: In allen Familien gibt es Aufgaben, die oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Aus diesen vielen Kleinigkeiten kann großer Druck entstehen. Dann spricht man von einem zu hohen Mental Load.
Doch was genau ist damit gemeint? "Mental Load beschreibt die Situation, dass ein Mensch, meistens die Frau, die Managerin der Familie und damit für alles verantwortlich ist", sagt Diplompsychologin Patricia Cammarata im Gespräch mit dieser Redaktion. Es gehe bei dem Begriff weniger um die einzelnen To-dos als vielmehr darum, die Zusammenhänge im Kopf zu haben und jederzeit zu wissen, was gerade ansteht. "Es dreht sich um den Druck, den man durch das alleinige Tragen von Verantwortung spüren kann."
Warum tragen meist Frauen den Mental Load?
Die Bloggerin und Mutter ist zur Fachfrau in Sachen Mental Load geworden, hält Vorträge zu dem Thema und bietet Workshops an. Als sie selbst zum ersten Mal von dem Begriff gehört hat, sei es wie "eine Erleuchtung gewesen". "Dieses Wort zu kennen und zu verstehen, was eigentlich mit mir los ist, fand ich sehr hilfreich." 2017 stieß Cammarata wie viele andere durch einen Comic der französischen Zeichnerin Emma Clit zum ersten Mal auf den Begriff Mental Load. In "You should've asked" beschreibt diese die unsichtbare Arbeit, die viele Frauen erledigen und über deren Umfang sich ihre Männer nicht bewusst sind: Sie planen die Mahlzeiten der Familie, haben den Inhalt des Kühlschrankes im Blick, kümmern sich um Arzttermine des Nachwuchses, wissen, welche Kinderschuhe bald zu klein sind und für welche Freunde oder Familienmitglieder ein Geburtstagsgeschenk gekauft werden muss. Und auch wenn sie vielleicht nicht all diese Aufgaben selbst erledigen, sind sie doch diejenigen, die die Arbeit planen und überwachen. (Den vollständigen Comic können Sie sich hier ansehen.)
Doch warum sind es meist Frauen, die den Mental Load tragen? Patricia Cammarata sieht das in den Stereotypen begründet, die auch heute, wo ein Großteil der Mütter einer bezahlten Arbeit nachgeht, noch vorherrschen. Dabei spiele eine große Rolle, welche Erfahrungen man in der eigenen Familie gemacht habe. "Wenn man eine Mutter hat, die zu Hause für alle Themen die Verantwortung trägt, dann rutscht man als Mädchen oder junge Frau auch ganz schnell in solche Muster. Da man keine Alternativbeispiele hat, hinterfragt man diesen Anspruch an Frauen auch gar nicht erst."
Gefahr des Burn-outs
Aber genau an diesem Anspruch – zu arbeiten und trotzdem die treusorgende Mutter zu sein – zerbrechen immer mehr Frauen. "Besonders weil bei vielen pragmatischen Entscheidungen noch immer die Nase gerümpft wird. Zum Beispiel wenn man immer die Mutter ist, die nur den Aufbackkuchen mitbringt", sagt Cammarata. "Es ist traurig aber wahr, dass immer mehr Frauen über lange Zeit an der Grenze zum Burn-out leben – und viele diese dann auch irgendwann überschreiten."

Um diese auch körperlichen Folgen der Erschöpfung zu vermeiden empfiehlt Cammarata den Paaren sich hinzusetzen und eine Liste mit allen Aufgaben anzulegen, die es rund um die Familie gibt. "Das sollte zunächst ruhig der Mann machen. Erfahrungsgemäß wird die Liste meist nicht ganz so lang. Außerdem beinhaltet sie oft Punkte, die zwar regelmäßig aber nur selten vorkommen, wie zum Beispiel Batterien im Rauchmelder auswechseln oder das Auto zum TÜV bringen. Das muss natürlich auch gemacht werden, ist aber nicht im Vergleich zu Windeln wechseln oder der täglichen Essens-Planung zu sehen." Die Liste allein habe oft schon den Effekt, dass dem anderen klar werde, wo die unsichtbare Arbeit liege und er mehr Wertschätzung gegenüber Dingen an den Tag lege, die er zuvor gar nicht gesehen habe.
Gleichberechtigung kostet Zeit
Die Liste könne helfen, Themen zu identifizieren, die man guten Gewissens abgeben kann. Doch auch das ist nicht so einfach, wie es zuerst klingt. "Man muss dann aushalten, wenn die Sachen mal schief gehen und darf da nicht nachsteuern. Das ist ein ganz harter Prozess." Papa einfach mal machen lassen – das fällt vielen Müttern schwer. "Frauen haben sich eine hohe Expertise zu vielen Themen der Kindererziehung angeeignet", erklärt Cammarata. "Wenn man eine sehr konkrete Vorstellung davon hat, wie Sachen zu laufen haben – weil man sich bereits seit Jahren darum kümmert – dann muss man da auch klar drüber sprechen." Man solle sich fragen: Was ist mir wichtiger – dass alles genauso ist, wie ich es immer gemacht habe oder dass mir jemand die Arbeit abnimmt?
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Cammaratas Tipps zeigen eines: Die unsichtbaren Aufgaben gerecht aufzuteilen, das macht Arbeit und benötigt viel Kommunikation. "Dagegen sträuben sich viele, weil es dem Ideal der Liebe, das man sich ohne Worte versteht und dem anderen Wünsche von den Augen ablesen kann, widerspricht. Aber da muss ich entscheiden, ob ich eine Beziehung haben will, die gleichberechtigt ist und wo nicht einer schlimmstenfalls vor Erschöpfung krank wird."
Zum Muttertag wünscht sich Cammarata, dass man es schafft über die Aufgabenverteilung in der Familie entspannt zu sprechen und "es als selbstverständlich angesehen wird, dass beide Partner in diesen Bereichen gleich gut sind. Es gibt ja keinen Grund, dass Frauen in Sachen Haushalt oder Kindererziehung besser sein müssen."