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Welt-Hirntumor-Tag 2023 Diagnose Hirntumor: Welche Hilfen es gibt

Von Angela Hoffmann | 08.06.2023, 13:58 Uhr

Anlässlich des Welt-Hirntumor-Tags 2023 beantworteten Experten die Fragen unserer Leser zum Glioblastom, der häufigsten Form von bösartigen Hirntumoren bei Erwachsenen.

Bei der Behandlung eines Glioblastoms, der häufigsten und aggressivsten Form von bösartigen Hirntumoren bei Erwachsenen, gilt es keine Zeit zu verlieren. Umso wichtiger sind Informationen über die Behandlung und den Umgang mit dieser schweren Erkrankung. Fragen von Lesern beantworten folgende Experten aus Fachkliniken: Dr. Tobias Martens (Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg), Dr. Tillman Schrammel (Helios Klinikum Berlin Buch) sowie Prof. Julian Prell und Jörg Illert (Universitätsklinikum Halle). Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Gibt es eine Möglichkeit der Früherkennung oder bestimmte Risikofaktoren für ein Glioblastom?

Dr. Tobias Martens: Leider gibt es keine Möglichkeit einer Früherkennung oder eines Screenings. Es existieren keine Blutwerte, die Auskunft über ein Glioblastom geben könnten, und es ist nicht sinnvoll, ohne konkreten Anlass zur Früherkennung eine Kernspintomografie des Kopfes zu machen. Risikofaktoren im klassischen Sinne finden sich ebenfalls nicht. Es lässt sich kein sicherer Zusammenhang mit Ernährungsgewohnheiten, der Nutzung von Handys oder früheren Ereignissen wie Schädelverletzungen herstellen. Extrem selten gibt es genetische Veränderungen, die das Auftreten dieser Tumore fördern. Ebenso kann eine Bestrahlung des Gehirns in früheren Jahren Tumore entstehen lassen, doch auch das ist eine Seltenheit.

Wie kann eine möglichst schnelle Diagnose sichergestellt werden?

Dr. Tillman Schrammel: Werden für ein Glioblastom spezifische Symptome fachärztlich festgestellt, sollte ein bildgebendes Verfahren, in der Regel eine Magnetresonanztomografie (MRT), erfolgen. Bestätigt das Ergebnis die Verdachtsdiagnose, ist der nächste Schritt die zeitnahe chirurgische Entfernung des Tumorgewebes, zumindest jedoch die Entnahme einer Gewebeprobe, um die Diagnose zu sichern und die Merkmale des Tumors bestimmen zu können.

Wie lange dauert es von der Diagnose bis zum Beginn der Behandlung?

Jörg Illert: Oft macht sich der Tumor durch neurologische Ausfallserscheinungen oder einen epileptischen Anfall bemerkbar. Nach dem Auftreten solch gravierender Symptome wird meistens rasch ein MRT durchgeführt. Sobald die Diagnose eines Hirntumors gestellt wurde, vergehen für gewöhnlich nur wenige Tage bis zum ersten Schritt der Behandlung – der chirurgischen Entfernung des Tumors oder der Entnahme einer Gewebeprobe.

Wie riskant ist die operative Entfernung des Tumors?

Dr. Tobias Martens: Das Risiko hängt im Wesentlichen von der Lage des Tumors im Gehirn ab. Daher ist immer eine individuelle Beratung und Risikoeinschätzung erforderlich. Das Risiko kann heutzutage durch Messungen, zum Beispiel der Muskelaktivität während der Operation, oder durch eine Wach-OP reduziert und damit eine weitreichendere Entfernung des Tumors ermöglicht werden. Das kann mitunter eine deutliche Verbesserung der Prognose bedeuten.

Welchen Einfluss hat die Untersuchung des Tumorgewebes auf die Therapie?

Prof. Dr. Julian Prell: Hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Die Fortschritte in der molekularbiologischen Gewebeuntersuchung bis hin zur Identifikation spezifischer genetischer Profile machen die Einordnung der Befunde sehr viel präziser. Die intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Profilen zeigt zunehmend auf, welche Patienten wie stark von bestimmten Therapieformen profitieren und welche Patienten dadurch nur unnötig belastet würden. So können wir die Patientinnen und Patienten sehr viel klarer über die Möglichkeiten der weiteren Therapieführung aufklären.

Erhalten alle Patienten eine Strahlen- und Chemotherapie?

Dr. Tobias Martens: Die Standardtherapie des Glioblastoms besteht in der kombinierten Therapie aus Bestrahlung, Chemotherapie und der Behandlung mit TTFields. Doch Lage, Größe und molekulare Besonderheiten des Tumors erfordern oftmals eine individuelle Anpassung des Therapieschemas, um die Optionen bestmöglich einsetzen zu können. Es kann also durchaus sinnvoll sein, von der Standardtherapie abzuweichen.

Wann beginnt die Behandlung mit TTFields – und wie funktioniert sie?

Dr. Tillman Schrammel: Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom wird TTFields angeboten, wenn die kombinierte Radiochemotherapie abgeschlossen ist und mit der Erhaltungs-Chemotherapie begonnen wird. Bei TTFields handelt es sich um eine apparative Therapie: Über Keramik-Gelpads, die direkt auf der Kopfhaut platziert werden, erzeugt ein tragbares Gerät schmerzlose elektrische Wechselfelder, die in der Lage sind, die Teilung noch vorhandener Krebszellen zu stören.

Findet die gesamte Behandlung in der Klinik statt?

Jörg Illert: Der stationäre Aufenthalt nach der Operation dauert in etwa eine Woche. Daran schließt sich die Bestrahlung an, die meist ambulant durchgeführt wird. Die für die Behandlung eines Glioblastoms infrage kommenden chemotherapeutischen Medikamente können als Kapseln zu Hause eingenommen werden. Regelmäßige Infusionen sind nicht nötig. Auch die Behandlung mit TTFields wird zu Hause durchgeführt. Die Patienten kommen in regelmäßigen Abständen zu uns in die Sprechstunde und erhalten die Rezepte und den Medikamentenplan für die Chemotherapie. Die Klinik macht auch unterstützende Therapieangebote, wie zum Beispiel ein Beratungsangebot durch speziell geschulte Psychologinnen und Psychologen.

Habe ich die Möglichkeit, an einer Studie teilzunehmen?

Prof. Dr. Julian Prell: Zahlreiche Forschungsgruppen bemühen sich intensiv und häufig in gemeinsamen Projekten darum, die Behandlung zu verbessern. Die Erprobung neuer Therapieansätze geschieht in diesem Rahmen in wissenschaftlichen Studien, für die es streng einzuhaltende Protokolle und Spielregeln gibt, vor allem die sogenannten Ein- und Ausschlusskriterien. Nicht jeder Patient fällt in die Zielgruppe jeder Studie, und nicht jede Klinik nimmt an jeder Studie teil. Auch darf man nicht vergessen, dass ein neuer Behandlungsansatz nicht zwingend besser ist als die erprobte Standardtherapie – ansonsten wäre die Studie ja nicht erforderlich. Deshalb müssen Patientinnen und Patienten vor einer Studienteilnahme realistisch über Chancen und Risiken aufgeklärt werden.

Was geschieht, wenn der Tumor zurückkehrt?

Dr. Tobias Martens: Kehrt der Tumor wieder, sollte zunächst geprüft werden, ob eine erneute Operation Sinn macht. Anschließend werden die weiteren Optionen, etwa eine Zweitbestrahlung oder weitere medikamentöse Therapien, von allen beteiligten Ärzten in einer Tumorkonferenz diskutiert. Eine erhebliche Rolle hierbei spielen die Wünsche des Patienten. Grundsätzlich gibt es beim Rezidiv keine Standardtherapie – es handelt sich immer um individuelle Therapieentscheidungen.

An wen kann ich mich wenden, um Fragen der häuslichen Pflege zu besprechen?

Dr. Tobias Martens: Die Organisation der häuslichen Pflege wird in der Regel durch die Hausärzte organisiert. Wenn es sich jedoch bereits in der Klinik abzeichnet, dass diese Unterstützung erforderlich sein wird, ist der Sozialdienst der behandelnden Klinik ein geeigneter Ansprechpartner.

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