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TV für Kids Warum Maja dünn wurde

Von Sina Wilke | 21.02.2016, 09:00 Uhr

Mehr Schnitte, schlankere Figuren, viel Gefühl: Kinderfernsehen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert.

Wer verstehen will, wie sich Kinderfernsehen in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat, kann sich Wickie den Wikinger ansehen oder Heidi oder die Biene Maja. Flog Letztere früher noch proper, ein wenig zerzaust und eindimensional über Blumenwiesen, taumelte sie vor zwei Jahren von Kopf bis Fuß reloaded aus der Trickkiste: Der Körper dünner, die Augen größer, sehr niedlich und ein bisschen langweilig.

Prof. Dr. Tobias Hochscherf weiß, wieso: „Fernsehen wird globaler und dadurch einheitlicher“, sagt der Medienwissenschaftler der Fachhochschule Kiel. Schönheitsideale gleichen sich an – und zwar dem amerikanischen Vorbild. In den USA sind Trickfilmfiguren schon lange schlanker sowie erwachsener und dadurch sexualisierter. Weiblichkeit und Männlichkeit werden deshalb heute auch im deutschen Fernsehen „viel stärker betont als früher“, weiß Hochscherf. Die Elfe Mia aus der Erfolgsserie „Mia and me“ (siehe Foto rechts) ist ein Paradebeispiel: Sie hat nicht nur eine Wespentaille und spindeldünne Beine, sondern auch große Augen, lange Wimpern, rosige Wangen und Lider, wallende Haare und glitzernde Kleider. Der männliche Gegenentwurf ist der Kult-Handwerker Bob der Baumeister: Kennen ihn die meisten noch dickbäuchig, knollennasig und knuddelig, wirkt sein im Januar bei Super RTL gestarteter Nachfolger eher wie aus der Coca-Cola-Werbung: Groß, gut gebaut, mit lässig aufgekrempelten Hemdsärmeln, menschlicher – und männlicher.

Doch nicht nur das neue Idealbild hat die Kinderhelden aufgemischt, sondern auch die Technik: „Früher war Majas Gesicht bloß eine gelbe Scheibe. Heute hat es eine starke Gestik und Mimik. Da sieht man jedes Zucken am Auge“, weiß Hochscherf. Die Folge: Die Figuren zeigen mehr Gefühle, Sendungen werden dadurch emotionaler. Und sie werden bunter. „,Bibi und Tina’ ist knallbonbonfarben wie ein modernes Märchen“, sagt Hochscherf. Der aktuelle Kinofilm ist auch ein gutes Beispiel für einen weiteren Trend: Ebenso wie bei Kleidung und Spielzeug werden im Fernsehen mittlerweile stärker Sendungen für Jungen und Mädchen unterschieden. Was ihnen allen gleich ist: Fernsehen ist viel schneller geworden. „Seit der Hoch-Zeit des Kinos in den 40ern und 50ern hat sich die Zahl der Schnitte pro Sekunde verdoppelt“, berichtet der Medienwissenschaftler. Das liegt auch an der Fülle von Kameraeinstellungen: Wurde früher meist in der Totalen gefilmt, wechseln sich heute viele Perspektiven ab.

Auch die Geschichten selbst sind komplexer geworden – und mit dem Ende der Sendezeit sind sie noch lange nicht vorbei. „Eine Fernsehserie ist nicht mehr nur eine Fernsehserie“, sagt Prof. Hochscherf. Sondern Teil einer Storywelt: Mit Comics und Büchern, Online-Spielen und jeder Menge Merchandising-Produkten. Und dann ist da noch eine Entwicklung in vollem Gang: die Streaming-Dienste. Jedes Kind kann jederzeit (ohne Werbung) seine Lieblingssendung gucken. „Das ist die Fernsehlandschaft des Überflusses.“

Deshalb sind auch Zahlen zum Fernsehkonsum wenig aussagekräftig: Die zeigen nämlich, dass Kinder zwischen 3 und 13 Jahren 1992 mit 93 Minuten pro Tag länger vor der Glotze saßen als 2015 (82 Minuten; Erwachsene: 223). TV-Konsum übers Internet fehlt in der Statistik allerdings. „Die Kinder nutzen heute andere Medien. Fernsehen hat nicht mehr den gleichen Stellenwert“, sagt Prof. Hochscherf. Und die Qualität? „Es gibt einfach mehr. Mehr Gutes und mehr Schlechtes.“