Die Covid-19-Impfempfehlung für gesunde Kinder ist gefallen. So einige Familien stehen nun vor der Überlegung: Wollen wir dennoch den Piks fürs Kind?
„Wenn man von der allgemeinen Impfempfehlung der Stiko abweicht, was man im Einzelfall durchaus tun kann – dann wird das immer eine individuelle Entscheidung sein, die auf vielen unterschiedlichen Faktoren beruht“, sagt Prof. Reinhard Berner. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Dresden.
Bei den Impfempfehlungen der Stiko steht eine Überlegung im Mittelpunkt: Wie groß ist der Nutzen, den der Piks hat? Schwere Verläufe, Krankenhausaufenthalte, Intensivstation und Tod vermeiden – dafür ist die Impfung, so Berner, gemacht worden.
Verläufe sind fast immer mild
Seitdem sich die Omikron-Varianten durchgesetzt haben, hat sich der Nutzen der Impfung für gesunde Kinder deutlich verringert. Der Grund: „Kinder erkranken unter Omikron-Varianten nur selten schwer – noch seltener als unter den vorherigen Varianten“, sagt Professor Tobias Tenenbaum, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Sana Klinikum Berlin-Lichtenberg und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie.
Kinder mit Vorerkrankungen
Aber wie lautet denn nun die neue Empfehlung der Stiko, wenn es um Kinder geht? Eine Covid-19-Impfung empfiehlt die Stiko Kindern ab sechs Monaten, die ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe haben. Dazu zählt ein Kind mit einer schweren neurologischen oder neuromuskulären Erkrankung. Oder ein Kind mit einer chronischen Erkrankung der Lunge. In der Impfempfehlung listet die Stiko auf, bei welchen Erkrankungen eine Impfung empfohlen wird.
„Von solchen Kindern wissen wir, dass sie bei Covid-19, aber eben auch bei der Influenza oder anderen Virusinfektionen ein hohes Risiko haben, ins Krankenhaus – oder gar auf die Intensivstation – zu müssen“, sagt Berner. Eine Impfung kann dieses Risiko deutlich senken.
Was bei leichteren Erkrankungen gilt
Aber was gilt für das Kind, das ein leichtes Asthma hat oder eine Neurodermitis? Für die Stiko, so Berners Einschätzung, zählen sie zu den gesunden Kindern. „Ein Kind, das eine normale Teilhabe am Leben hat, das sich ganz normal körperlich beim Sportunterricht oder im Sportverein belasten kann – ein solches Kind hat kein Risiko, eine schwere Covid-19-Infektion zu erleiden“, sagt er.
Die Hoffnung, einen Infekt zu ersparen
Auch wenn erst mal der Sommer ansteht – schon jetzt rechnen einige Eltern damit, dass im Herbst und Winter wieder zahlreiche Krankheitserreger in den Kitas und Schulen umhergehen. Wäre die Impfung nicht ein Weg, dem Kind wenigstens einen Infekt zu ersparen?
„Das ist ein verständlicher Gedanke“, sagt Berner. Aber er blickt nicht ganz ohne Skepsis darauf. Denn es gebe viele, viele Viren, die sich der Nachwuchs in der Kita auflesen könnte. „Die Frage ist: Wäre es überhaupt sinnvoll, gezielt zu versuchen, eine einzelne Infektion zu verhindern, die noch nicht einmal einen schweren Verlauf macht?“, sagt er. „Oder ist es nicht viel sinnvoller, dass sich – wie bei vielen anderen Atemwegsinfektionen auch – eine natürliche Immunität aufbauen kann?“ Denn seiner Einschätzung nach ordnet sich das Coronavirus nun ein in die „unendliche Vielfalt der unterschiedlichen Atemwegsviren, die es jeden Winter gibt“.
Fremdschutz kann ein Grund sein
Bei der Überlegung, ob Eltern ihr gesundes Kind impfen, geht es aber vielleicht nicht allein um den Nachwuchs. Vielleicht steht bei dem Großvater bald eine Krebstherapie an, die das Immunsystem enorm schwächen wird. Auch hier greift die Empfehlung der Stiko, dass enge Angehörige von Immunsupprimierten einen ausreichenden Impfschutz haben sollten.