Urteil : Cocktails künftig mit Papphalm
Die EU-Kommission sagt dem Plastikmüll den Kampf an
71 Trinkhalme benutzt jeder EU-Bürger rein rechnerisch im Jahr, um Cocktails, Saft und Co. zu schlürfen. Das sind mehr als 26 Milliarden Halme in ganz Europa. Ein großes Problem. Denn viele der Plastikröhrchen landen statt im Müll in der Landschaft und schließlich im Meer. Deshalb hat es der Trinkhalm nun sogar auf die Agenda der EU-Kommission geschafft. Sie fordert ihn und weitere Wegwerfprodukte aus Kunststoff zu verbieten, um die Weltmeere zu schützen. Mehr als zehn Millionen Tonnen Müll landen jedes Jahr im Wasser, schätzen Experten. Der größte Anteil davon ist Plastik. Darunter viele Trinkhalme. Kunststoff braucht jedoch mehr als 450 Jahre, um abgebaut zu werden. Bei einer Untersuchung des Bundesumweltamts enthielten bereits jetzt knapp 70 Prozent der Fische in der Nord- und Ostsee Mikroplastik. Der Abfall an den Stränden ist nicht mehr zu übersehen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Immer mehr Menschen im Land helfen daher auf eigene Faust beim Reinigen der Strände. Doch reicht das?
Ein Land sammelt Müll an den Stränden
Zigarettenstummel, Scherben, Plastikdeckel... der Müll der Meere der als Treibgut an unsere Strände gespült wird, ist nicht mehr zu übersehen. Vielen Menschen in MV ist der Unrat ein Dorn im Auge. Mit Aufräumaktionen wollen sie die Küsten vom Müll befreien.
Nur drei Stunden dauerte es, bis die Container voll mit dem Müll aus einem kleinen Abschnitt er Warnow sind. Gesammelt von zirka 30 Freiwilligen mit Kajak und Kescher. Das Touristikunternehmen Stadtpaddeln Rostock hat zum Müllfischen aufgerufen. Auch nach der 800-Jahrfeier in Rostock soll wieder fleißig Abfall aus dem Fluss gesammelt werden. Mehr Infos gibt es auf der Facebookseite Stadtpaddeln-Rostock.
Um auf das Thema Meeresmüll aufmerksam zu machen, tourt Kea Hinsch, Bundesfreiwillige beim BUND Meeresschutzbüro von Samstag (2. Juni) bis zum 10. Juli mit dem Fahrrad entlang der Ost- und Nordseeküste. Die „Tour de Meeresmüll “ startet um 11 Uhr am BUND-Infostand an der Seebrücke Zingst beim Umweltfotofestival „Horizonte“. Dann geht es über Rostock, Wismar Lübeck, Kiel, Föhr, Hamburg, Stade, Cuxhaven und Bremerhaven wieder zurück nach Bremen. An den einzelnen Stationen wird Kea zusammen mit den regionalen BUND-Gruppen und anderen aktiven Menschen Müllaktionen durchführen. Am 7.6. um 12.30 Uhr ist Kea mit dem BUND Rostock in Warnemünde auf der Promenade am Teepott aktiv gegen Meeresmüll. Am 9.6. trifft sie sich mit dem BUND Wismar um 11 Uhr an der Seebrücke Wismar Wendorf.
„Take three for the sea“, was übersetzt so viel wie „Nimm drei für das Meer“ bedeutet, ist eine Aktion, die 2009 in Australien gestartet ist. Sie fordert die Menschen dazu auf, auf dem Rückweg vom Strand mindestens drei Teile Müll zusätzlich zum eigenen Abfall mitzunehmen und zu entsorgen. Klingt einfach? Ist es auch. likl
Plastikbesteck und Wattestäbchen ade?
In den Weltmeeren treiben bis zu 140 Millionen Tonnen Plastikmüll. Für die Beseitigung der Umweltschäden sind nach Angaben der EU-Kommission bis 2030 rund 22 Milliarden Euro nötig. Nun schreitet Brüssel ein und verordnet der Union einen weitgehenden Abschied von Einweg-Plastikprodukten. Die wichtigsten Fragen und Antworten von Detlef Drewes:
Kommt jetzt endlich ein Plastikverbot?
Ja und nein. Die Brüsseler EU-Kommission sieht ihren Vorstoß eher als Bann, um Plastik zu ersetzen. Das dürfte bei den Produkten, die als Erstes betroffen sind, auch kein Problem sein.
Um welche Produkte geht es denn?
Im Mittelpunkt stehen zehn alltägliche Kunststofferzeugnisse, die aber rund 70 Prozent des Mülls an Stränden ausmachen. Im Einzelnen handelt es sich um Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonhalter aus Kunststoff. Alle diese Gegenstände könnten durch umweltschonendere Materialien ersetzt werden – zum Beispiel Holz. Die Hersteller sollen künftig an den Kosten für die Entsorgung dieser Gegenstände beteiligt werden: Behälter, Tüten und Folienverpackungen für Lebensmittel wie Obst, Gemüse oder Süßigkeiten, Getränkeflaschen und -becher, Tabakerzeugnisse, Feuchttücher, Luftballons und leichte Kunststofftragetaschen. Einweg-Plastikflaschen müssen bis 2025 zu 90 Prozent recycelt werden.
Werden auch die Kennzeichnungen geändert?
Ja. Hygieneeinlagen, Feuchttücher und Luftballons müssen künftig Hinweise auf die Auswirkungen für die Umwelt haben, weil man den Verbraucher für das Risiko von Kunststoffabfall sensibilisieren will.
Bringen solche Vorschriften denn wirklich was?
Die Kommission verweist auf den Erfolg ihrer Kampagne gegen Plastiktüten. Seit Inkrafttreten dieser Verordnung ging der Verbrauch in der EU um rund 50 Prozent zurück.
Wird es eine Plastiksteuer geben?
Es geht nicht um eine Steuer, sondern um einen Anreiz, die Vermeidung von Plastikmüll engagierter anzugehen. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hatte das Instrument vorgeschlagen, um den Verbrauch an Einweg-Kunststoffen zu senken. Sein Vorschlag sieht vor, dass ein Mitgliedstaat, der die Recyclingquoten für Plastik verpasst, 80 Cent pro Kilo nicht wiederverwertetem Kunststoff an die EU-Kasse zahlt.
Kommentar "Längst überfällig" von Detlef Drewes |
Die Bilder sind herzzerreißend. Ein Seepferdchen hat sich um ein Wattestäbchen gewickelt, weil das Tier es offenbar für eine Pflanze hielt. In unseren Meeren sind längst neue Kontinente entstanden – aus Kunststoffabfall. Von solchen Fotos, die es aus allen Teilen der Welt gibt, lassen wir uns zwar berühren. Aber die eigentlich naheliegende Frage drang bisher zu wenig durch: Welche Folgen hat die langsame Rückkehr des Plastiks in unsere Nahrungskette für uns? Der Vorstoß der EU-Kommission kommt spät, er ist überfällig. Weil unsere Plastikkultur längst wichtige Lebensräume unserer Umwelt ruiniert. Appelle sind schön, aber sie fruchten nicht. Das Problem sollte an der Wurzel angefasst werden. Verbraucher und Industrie haben das Problem des Plastikmülls bisher regelrecht in den Weltmeeren verklappt. Doch das Thema ist damit nicht weg, sondern schwimmt weiter an der Oberfläche. Dass Einweg-Flaschen immer größere Müllstrudel verursachen, darf nicht hingenommen werden. Es bleibt zu hoffen, dass das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten, die den Vorschlag nun noch beschließen müssen, nicht verwässern oder verschleppen. Unsere Meere und unsere Gesundheit haben keine Zeit mehr für solche Spielchen. |
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