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Peter Heppner im Interview Wolfsheim geht immer

Von Melanie Heike Schmidt | 13.01.2018, 16:00 Uhr

Er war „die Stimme“ von Wolfsheim, doch auch solo läuft die Karriere von Sänger und Musiker Peter Heppner bestens.

Er besitzt eine der ungewöhnlichsten und charismatischsten Stimmen der Popmusik, und selbst die hanseatisch knappe, aber freundliche Begrüßung reicht aus, um Erinnerungen an oft gehörte Lieblingslieder zu wecken. Peter Heppner war die Stimme von Wolfsheim, das Hamburger Duo landete in den Jahren 1987 bis 2005 mehrere Hits, darunter „The Sparrows and the Nightingales“, „Once in a Lifetime“ oder „Kein zurück“. Heppners Duett „Die Flut“ mit Joachim Witt verkaufte sich rund 750 000-mal, außerdem arbeitete er mit Musikgrößen wie Nena, Paul van Dyk oder Marianne Rosenberg zusammen. Zurzeit sorgt der Sänger mit seiner „30 Jahre Heppner“-Jubiläumstour für volle Konzerthallen.
Herr Heppner, Sie sind vor Kurzem 50 geworden, aktuell sind Sie auf „30 Jahre Heppner“-Jubiläumstour. Auf der Bühne hängt hinter Ihnen ein riesengroßes Plakat, wo genau das draufsteht: 30 Years of Heppner. Fühlen Sie sich alt?
Hahaha, raten Sie mal... Nein, im Ernst: Schon, ja. Und ich würde mich noch älter fühlen, wenn da „50 Jahre Heppner“ draufstehen würde.

Steht das in 20 Jahren dort: „50 Jahre Heppner“?
Das will ich hoffen, ja.

Ist man irgendwann zu alt, um Rockstar zu sein?
Das kann wohl sein, aber wissen kann ich es natürlich nicht. Im Moment bin ich auf jeden Fall noch nicht zu alt dafür.

Sehr viele Menschen wollen Sie live sehen, vor allem auch sehr unterschiedliche Menschen. Wie erklären Sie sich das?
Sagen wir es mal so: Was die verschiedenen Altersstufen angeht, ist ganz viel tradiert worden. Da haben die Eltern schon diese Musik gehört, und deren Kinder tun dies eben auch. Erst gestern hat mir jemand erzählt, dass Wolfsheim oder Peter Heppner immer das Einzige war, das man zusammen im Auto hören konnte, weil es das Einzige war, auf das alle sich einigen konnten.

Geht Ihnen dieses ewige Wolfsheim auf die Nerven? Schließlich ist Heppner schon eine ganze Weile eine eigene Marke.
Wenn man ehrlich ist, sogar länger als Wolfsheim. Als ich mit Joachim Witt und „Die Flut“ bekannt geworden bin, da kannte Wolfsheim eigentlich niemand oder kaum einer.

Das Lied „Die Flut“ erschien im Jahr 1998, richtig?
Genau. Die Band Wolfsheim war zwar in der Szene bekannt (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist die sogenannte Schwarze Szene, auch Gothic-Szene genannt), aber darüber hinaus kaum. Wir hatten auch noch keine Charts-Platzierung oder so etwas erreicht.
Wolfsheim hätte ohne Ihre Stimme nie funktioniert.
Und es war ja nicht nur die Stimme, ich hab mitkomponiert, Texte geschrieben, mitproduziert, ich hab das Artwork mitgemacht. Das war auch mein Baby. Und ich habe alle Nebenprojekte immer so gestaltet, dass sie Wolfsheim nützen, dass sie zuträglich sind für Wolfsheim.

Dennoch sind Sie und ihr damaliger Partner bei Wolfsheim dann getrennte Wege gegangen, der Streit wäre wohl vor Gericht gelandet, wäre die Klage nicht abgewiesen worden. Im Jahr 2013 haben Sie das letzte Mal gesagt, Sie würden sich trotz allem freuen, wenn es mit Wolfsheim weiterginge. Würden Sie das heute wiederholen?
Ich hab immer gesagt und das sage ich auch heute: Es ist nicht meine Schuld, dass Wolfsheim zu Ende gegangen ist. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre Wolfsheim weitergegangen. Es hätte sich verändern müssen, denn wir sind an einem Punkt gewesen, wo Dinge offensichtlich wurden, die so nicht weitergehen konnten. Ich hab Dinge erfahren, die ich nicht wusste, die schon seit Jahren und Jahrzehnten mehr oder weniger so liefen. Ich hätte so nicht weitermachen können. Aber ich hätte auf jeden Fall gewollt. Wie gesagt: Ich wollte es auch nicht beenden.

Und wenn nun Ihr Ex-Wolfsheim-Partner Markus Reinhardt bei Ihnen anklopfen würde?
Ich wüsste nicht, was Markus sagen könnte. Es braucht ja eine gewisse Vertrauensbasis, man kann ja nicht über alles Verträge abschließen, nur, um sich sicher zu sein. Nein, eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, unter welchen Umständen das funktionieren sollte.
Heppner ist heute ähnlich erfolgreich wie Wolfsheim damals. Wo möchten Sie mit Heppner noch hin?
Ich bin eigentlich immer noch auf dem Weg, auf dem ich von Anfang an unterwegs war: Ich will gute Popmusik machen. Das wollte ich schon immer. Ich wollte zum Beispiel auch nicht so szene-spezifisch sein, ich wollte aber auch nicht nicht dazugehören.

Die Liste derjenigen, mit denen Sie schon zusammengearbeitet haben, ist nicht nur beeindruckend vielfältig, sondern auch sehr lang. Gibt es noch jemanden, mit dem Sie unbedingt zusammen arbeiten möchten? Mit irgendeinem Star vielleicht?
So ist das nie passiert, nein. Es waren immer Situationen und Gelegenheiten, die gepasst haben, und dann haben wir etwas zusammen gemacht. Wenn die Gelegenheit nicht passt oder die Musik nicht, dann geht es nicht, dann kann ich auch gar kein Lied schreiben. Ich kann daher jetzt nicht sagen: Ich will unbedingt noch mit Madonna arbeiten, bevor sie stirbt, oder mit irgendwem sonst. So läuft das nicht.

Gibt es irgendwas, von dem Sie sagen: Oh, das hätte ich lieber nicht tun sollen?
(Lacht) Nein, eigentlich nicht. Das ist aber auch ein bisschen meine Haltung. Ich versuche, möglichst nicht in der Vergangenheit zu leben und auch möglichst nicht, den Sachen nachzuhängen. Letztlich lässt sich alles, was ich gemacht habe, auch wenn es Fehler waren, ja selbst wenn es grobe Fehler waren, aus der Situation heraus erklären. Es gab immer Gründe dafür. Hinterher kann man vielleicht sagen: Ach, hätte ich das und das gewusst, dann... Aber letztlich bin ich mit allem, was ich gemacht habe, zufrieden und auch glücklich.

Sie haben Familie, auch eine Tochter im Teenie-Alter. Wie findet sie, dass der Papa immer noch Rockstar ist? Eher cool oder eher peinlich?
Ich glaube, sie findet das manchmal eher peinlich. Aber das liegt nicht daran, dass sie meint, dass ich zu alt dafür bin, das ist es nicht.

Sondern?
Vielleicht daran, dass 14- oder 15-Jährige alles peinlich finden, was die Eltern machen. Und wenn der Vater dann noch ein Popstar ist... Andererseits ist das für sie natürlich auch cool: Sie ist auf Konzerten, fährt mal mit nach Dresden oder wie heute nach Potsdam, dann ist sie in schönen Hotels, manchmal habe ich auch eine Suite. Das findet sie schon schick. Und das macht dann auch Spaß.

... besser, als wenn der Papa Beamter wäre oder etwas in der Art?
Auf jeden Fall.

Werden wir mal politisch: Im Lied „Meine Welt“ kommen nahezu alle Themen vor, die auch bei der neuen Bundesregierung eine Rolle spielen werden: Klimawandel, Frieden, Umweltschutz, Macht und wie man mit ihr umgehen sollte, Toleranz. Haben Sie solche Interpretationsmöglichkeiten im Kopf, wenn Sie Texte schreiben?
„Meine Welt“ kommt ja daher wie ein Kinderlied, und man könnte es auf dieser Ebene verstehen und belassen. Es kommt ja auch bei Kindern sehr gut an. Aber natürlich gibt es die Ebene dahinter, und das ist auch Absicht. Man kann sich die Welt ganz einfach machen und sagen: Das und das macht uns Probleme – warum hören wir damit nicht einfach auf? Das war der Ansatz. Und in den Achtzigerjahren waren wir auch so drauf, da sind wir für so etwas auf die Straße gegangen, ganz naiv. Wir haben einfach gesagt: Wir wollen das nicht mehr, wir wollen jetzt Frieden.

Was ist passiert?
Das ist uns irgendwie verloren gegangen. Die Leute tun immer so abgeklärt, so wissend, als würden sie heute alles wissen und begreifen. Aber es geht niemand mehr auf die Straße.

Würden Sie sich das wünschen, angesichts von AfD-Wahlerfolgen und anderen extremen Strömungen in Deutschland und auch in Europa?
Auf jeden Fall, das wäre gut.

Es gibt genug Künstler, die an politischen Themen wenig Interesse haben.
Ich empfinde es als meine Aufgabe, ganz nah am Leben einer Gesellschaft, an den Leuten dran zu sein. Das ist mein Beruf: zu wissen, wie Menschen ticken, mich in ihre Lage zu versetzen, zu versuchen, sie zu verstehen. So verstehe ich den Künstlerberuf.

Und wenn es mal Missverständnisse gibt?
Ich bin ja oft gefragt worden, ob ich es denn gut finde, dass die Leute „Wir sind wir“ so oder so verstanden haben ...
... oder die Zeile im Wolfsheim-Lied „The Sparrows and the Nightingales“, die da heißt: „Wo ist der Führer, der mich führt, ich warte immer noch“. Da hagelte es Nationalismus-Vorwürfe, und es gab ein Riesentheater ...
Ja, das gab es. Dazu muss ich sagen: Es ist nicht mehr mein Ding. Ab dem Punkt, wo ich es veröffentliche, kann ich nicht mehr kontrollieren, was Leute daraus machen, wie Leute es verstehen, wie Leute sich den Schuh anziehen. Und das ist auch nicht mehr meine Aufgabe. Ich mache ein Angebot, das ist die Kunst, die ich mache. Was die Leute dann für sich daraus machen, ist nicht mehr meine, sondern deren Angelegenheit.

Sie sind in Hamburg geboren und leben immer noch dort. Werden Sie erkannt, wenn Sie in der Stadt unterwegs sind?
Es kommt drauf an, wie präsent man ist. Mein letztes Album ist jetzt fünf Jahre her, da ist man weniger präsent. Im Moment werde ich ungefähr einmal im Monat angesprochen. In Hamburg sind die Leute aber auch eher cool, sprich zurückhaltend. Man wird nicht immer angesprochen, selbst wenn man erkannt wird.

Würden Sie sich Sorgen machen, wenn Sie niemand mehr anspricht?
Nein, ich würde das wahrscheinlich gar nicht mitkriegen.

Zurzeit arbeiten Sie an einem neuen Heppner-Album. Wann wird es fertig sein?
2018, wahrscheinlich im Herbst.