Schauspieler Florian David Fitz über Erfolgsdruck, Kritik und Szenen in luftiger Höhe
Als Marc Meier verzauberte Florian David Fitz in „Doctor’s Diary“ die Damenwelt. Mit „Vincent will Meer“ beeindruckte er die Kritiker. In seinem aktuellen Kinofilm „Der geilste Tag“ spielt er an der Seite von Matthias Schweighöfer einen Todkranken, der zum Ende seines Lebens noch etwas erleben will.
Herr Fitz, haben Sie als alter Pfadfinder eigentlich einen Überlebenstrick?
Nein, nicht wirklich. Mit den Pfadfindern war ich vor allem im Zeltlager. Aber ich weiß, wie man einen Donnerbalken baut (lacht). Wobei ich keinen Donnerbalken bauen würde, selbst wenn ich keine Toilette hätte. Diese Mühe würde ich mir nicht machen. Da kann man sich anders behelfen.
Ihre Eltern hatten ein Hotel, das heute Ihre Schwester führt. Vor welcher Arbeit haben Sie sich früher gedrückt?
Wenn ich mich bei einer Sache gedrückt hätte, wäre das sofort auf mich zurückgefallen. Das zog sich durch alle Bereiche durch: vom Frühstücksservice bis zur Abrechnung hin zum Check-in am Empfang. Ich hatte nichts dagegen. Außerdem habe ich davon sehr profitiert, weil ich in Amerika als Kellner nebenher mein Geld verdienen konnte. Das hat auch irgendwie Spaß gemacht.
In Boston haben Sie damals mit einem Schnarcher und einem Drogenabhängigen zusammengewohnt. Was bringen Sie als Mitbewohner mit?
Ich bin pedantischer, als mir lieb ist. Sachen, die mich früher aufgeregt haben – wenn es hieß: Klositz runter, der Letzte macht das Waschbecken sauber – das mache ich jetzt selbst. Aber das kam durch meine Zeit in Boston, weil es in der WG so dreckig war. Davor war ich ein Teenager, dem Sauberkeit egal war und der darüber mit seiner Mutter gestritten hat. Heute brauche ich eine Mischung aus Wärme, Gemütlichkeit und Nest.
In Ihrem aktuellen Film „Der geilste Tag“ spielen Sie mit Matthias Schweighöfer eine Szene auf einem Kran in luftiger Höhe. Ihre Figur ist entspannt, Matthias Schweighöfers ist panisch. Wie schlimm war es wirklich?
Matthias hat auch im wahren Leben Höhenangst. All die Ängste seiner Figur hat er auch in Wirklichkeit. Beim Dreh hatten wir das ein wenig unterschätzt.
Hatten Sie keine Angst?
Ich habe den Mund anfangs zu voll genommen. Ich habe schon auch leichte Höhenangst. Aber ich versuche, mich dem bewusst auszusetzen, weil sie sich sonst ausbreiten. Deswegen balanciere ich ganz selbsterzieherisch ab und an bei mir auf dem Dachfirst herum (lacht). Die Szene im Film musste ich machen, sonst wäre das alles zu teuer geworden. Die haben mich 40 Meter mit dem Kran hochgefahren, oben in der Luft runtergelassen, und da musste ich dann kopfüber hängen. Da hatte ich schon Schiss und auch keine großen Ambitionen, mich selbst zu erziehen. Mei, was soll man machen, ich habe die Augen zugemacht und es durchgezogen.
„Der geilste Tag“ handelt von zwei Sterbenskranken, die noch mal was erleben wollen. 2014 haben Sie in „Hin und weg“ einen ALS-Kranken gespielt. Warum ist der Tod als Thema so interessant?
Ehrlich gesagt ist es mehr Zufall als System. Den Plan für „Der geilste Tag“ hatten Matthias und ich schon viel früher. Nur leider hatte ich keine Zeit, das Drehbuch zu schreiben. Als das Angebot für „Hin und weg“ kam, wollte ich dem Produzenten absagen, weil ich das Thema nicht wiederholen wollte. Das Buch hat mich aber so berührt, dass ich „Hin und weg“ schließlich doch gemacht habe. Als ich später das Buch zu „Der geilste Tag“ geschrieben habe, bin ich erst an Grenzen gestoßen, weil ich mich gefragt habe, wie ich es anders machen kann. Denn ich wollte ehrlich schreiben und trotzdem lustig sein. Dann hat es klick gemacht. Es ist aber auch leichter, komödiantisch zu sein, weil von Anfang an klar ist, dass die beiden sterben, und man gerne zuguckt, wie die das gewitzt zu ihrem Vorteil ummünzen. In „Der geilste Tag“ stellen sich die Protagonisten auch die Fragen nach dem Sinn des Lebens. Natürlich gibt es einen Grund, warum man Filme macht, in denen der Tod eine Rolle spielt. In dem Moment, wo jemand bald stirbt, ist der Mensch viel mehr da, er ist wie angeschaltet. Und in dem Moment, wo wir den Tod vor Augen haben, betrachten wir unser ganzes Leben.
Haben Sie deshalb persönliche Nachrufe in den Film einfließen lassen?
In der Vorbereitung für den Film habe ich ein Buch gelesen, in dem Menschen ihre eigenen Nachrufe geschrieben haben. Ich finde, das ist eine fantastische Idee. Wenn ein Pfarrer über dich redet, fragt man sich oft: Was hat das mit mir zu tun? Es ist schöner, wenn ein Mensch selbst schreibt, was ihm wichtig war. Es war wahnsinnig hilfreich, die Nachrufe zu lesen. Sie zeigen, wie unterschiedlich Menschen aus dem Leben scheiden. Das bringt den Leser zum Nachdenken über das eigene Leben. Natürlich vergisst man das drei Tage später. Aber es ist gut, zwischendurch mal aufzuwachen. Im Alltag ist es oft schwierig, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Wir wollen immer höher, schneller, weiter. Sollten wir uns eigentlich auf unser Innerstes fokussieren? Es muss nicht das Innerste sein. Ich glaube, es ist weniger intellektuell. Wir sollten einfach im Hier und Jetzt leben. Alles andere ist im Kopf.
Können Sie denn gut im Hier und Jetzt leben?
Wenn ich es das könnte, dann hätte ich nicht den Drang, mich damit so oft auseinanderzusetzen. Aber ich versuche es. Mehr kann ich nicht tun.
Sie haben das Drehbuch für den Film geschrieben, Regie geführt und eine Hauptrolle gespielt. Wie schwierig ist dieser Spagat?
Es ist einfach nur sehr viel Arbeit. Das macht den Film zum Marathon. Allein die Bucharbeit dauert sehr lang. Dafür habe ich on/off ein ganzes Jahr gebraucht. Anschließend wird vorbereitet, dann wird gedreht, danach geht es in den Schnitt, am Ende kommt die Presse.
Matthias Schweighöfer hat nicht nur die zweite Hauptrolle gespielt, sondern war auch Produzent des Films. Sind Sie ein harmonisches Team?
Es hat nie zwischen uns geknallt. Matthias mag Konflikte nicht und zieht sich eher zurück. Problematischer war für mich, dass Matthias vor unserem Dreh viel gearbeitet hat. Zu Drehbeginn war er wahnsinnig erschöpft. Als wir dann im Hospiz mit dem Dreh starteten – dieser Ort löst auch Ängste bei ihm aus –, dachte er, dass alles grauenhaft wird. Er saß ganz blass am Set, und ich habe ihm erklärt, dass wir doch eine Komödie machen wollen. Es war sehr schwer, ihn wieder in die Spur zu bringen.
Warum?
Matthias hat keine Erfahrungen mit diesem Genre-Mix. Ich weiß, dass man tragische Themen ehrlich und lustig erzählen kann. Aber er hat bislang nur klare Komödien gemacht. Deswegen war ihm nicht so klar, was daran lustig ist, wenn jemand stirbt (lacht). Das war eine große Herausforderung, aber auch sehr spannend. Denn parallel zu der Figur im Film hat sich Matthias genauso entwickelt. So hat er zum Beispiel große Flugangst und steigt eigentlich in keinen Flieger. Für den Film musste er aber nach Südafrika fliegen. Wir haben Hypnose ausprobiert und vieles mehr. Aber als wir in Südafrika waren, ist er so richtig aufgeblüht. Jetzt schreibt er mir immer noch davon und will sofort wieder hin.
Sie haben lange zusammen geplant und gedreht. Vermisst man sich nach dem Ende des Projekt, oder sind Sie froh, Ihre Ruhe zu haben?
Man fühlt beides. Es wird in der Crew sehr schnell familiär. Nach dem Dreh fragt man sich oft, wo alle sind, und vermisst das Zusammensein. Nach meinen ersten Drehs bin ich oft in ein Loch gefallen, weil ich so ein Gefühl von Nähe und von Liebe hatte, das dann wieder weg war. Zum Glück triffst du die Leute immer wieder und lernst auch loszulassen. Ich sehe es inzwischen wie eine Klassenfahrt.
Von dieser Klassenfahrt postete Herr Schweighöfer eifrig Fotos auf Instagram. Er ist in den sozialen Netzwerken sehr aktiv, während Sie abstinent bleiben. Warum?
Ich habe Angst, mich zu zerfasern. Mir tut es besser, wenn ich keinen Kanal habe, wo ich dauernd agieren und Dinge anschauen kann. Ich würde ständig schauen, was los ist. Außerdem habe ich, wie beispielsweise in der Phase des Films, keine Zeit, diese Kanäle zu bespielen. Ich finde, Elyas M’Barek macht das sehr gut und gewitzt. Wenn man diese Kanäle bespielt, sollte es ein richtiges Hobby sein. Bis jetzt habe ich das Talent dazu bei mir noch nicht entdeckt.
Mit Matthias Schweighöfer und Ihnen gilt der Film in der Besetzung als Hitgarant. Haben Sie einen hohen Erfolgsdruck?
Matthias und ich haben gemeinsam diesen Film gemacht, weil wir – in dem Wissen, dass wir zwei Menschen sind, die die Öffentlichkeit interessieren – mehr Leute aus dem Haus und ins Kino locken wollen. Außerdem hat Matthias die Sehnsucht, die Grenzen ein wenig auszuweiten und das Publikum mit einem anderen Stoff zu reizen. Ich habe immer gesagt, dass wir froh sein können, diesen Film zu machen, der Tod ist jetzt erst mal kommerziell kein Selbstläufer. Aber der Trailer geht so krass ab, da steigen natürlich die Erwartungen.
Wie gehen Sie damit um?
Ich versuche, die Erwartungen herunterzuschrauben. Das geht mir natürlich auf den Geist, dass ich derjenige sein muss, der alle etwas bremst. Ich will mir einfach nicht das Herz brechen.
Können Sie gut mit Kritik umgehen?
So wie jeder andere auch, mit der Zeit wird es besser. Die Kritiken in der Zeitung muss man mit Abstand lesen, und zwar die guten wie die schlechten. Das Problem ist, dann hast du den Kritiker ständig auf der Schulter sitzen. Das ist sowohl für das Spielen als auch das Schreiben kontraproduktiv.
In der Schauspielschule wurde Ihnen gesagt, dass Sie mit der Schauspielerei niemals Geld verdienen werden. Warum sind Sie trotzdem dabei geblieben?
Ich wusste nicht, ob es mit der Schauspielerei funktioniert. Ich wusste nur, dass ich es auf jeden Fall ausprobieren möchte. Aber wenn ich acht Jahre nur gekellnert hätte, dann hätte ich auch aufgehört. Ich bin nicht der Typ, der Lust auf einen Beruf hat, der mich nicht zurückliebt.
Vor vielen Jahren haben Sie mal einen Rosamunde-Pilcher-Film gedreht. Bereuen Sie diesen Ausflug?
Wissen Sie was? Meine Schauspiellehrerin hat mich damals dazu ermutigt. Sie war von der Falckenbergschule und nicht gerade der Unterhaltungskultur zugetan. Aber sie hat die Rolle gelesen und gesagt: „Probier das mal aus, die Rolle hat Fleisch, wenn du da gut bist, dann hast du wirklich was gelernt.“ Tatsächlich mag ich diesen Pilcher. Er hat Charme. Außerdem hatte ich dort wahnsinnig viel Glück. Am Set habe ich Freunde gemacht, die mich seitdem begleiten. Sie sind mir so wichtig, dass ich es noch tausendmal tun würde.
Wen möchten Sie seitdem nicht mehr missen?
Anja Knauer und Alexandra Schalaudek waren meine Partnerinnen, und wir haben seitdem zusammen die Welt zwischen Kuba und Israel unsicher gemacht.Neben der Schauspielerei können Sie auch singen und Klavierspielen.
Schreiben Sie auch Musik?
Früher habe ich viel Musik geschrieben, aber heute habe ich dafür zu wenig Zeit.