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Musiker im Interview Warum Werder-Fan Heinz Rudolf Kunze nicht ins Fußballstadion geht

Von Lars Laue | 09.06.2023, 06:00 Uhr | Update am 11.06.2023

Er macht schon seit mehr als 40 Jahren Musik und ist immer noch im Geschäft: Im Interview spricht der Musiker Heinz Rudolf Kunze über sein Erfolgskonzept, wobei ihm die besten Ideen kommen, die Gemeinsamkeit mit Udo Lindenberg, seine Liebe zu Osnabrück und Werder Bremen und darüber, welche Kritik ihn schmerzlich trifft.

Der Musiker Heinz Rudolf Kunze singt seinen einstigen Hit „Dein ist mein ganzes Herz“ aus dem Jahr 1985 nicht mehr sonderlich gern. „Glauben Sie, dass Klaus Meine jeden Abend Lust hat, zu pfeifen?“, antwortet der 66-Jährige im Interview auf die Frage, ob er den Song noch immer möge. Gleichzeitig erklärte der Künstler, dass es keine Rolle spiele, „ob wir die Sachen von früher noch mögen“. Kunze sagt im Interview mit unserer Redaktion: „Die Leute wollen das hören und wir sind für die Leute da. Und sie haben ein Recht darauf. Ich wäre ja ein Schuft, wenn ich ihnen den Song vorenthalten würde. Ich bin Entertainer und mein Job ist es, die Leute glücklich zu machen.“

Lesen Sie hier das Interview in voller Länge:

Herr Kunze, wir sitzen hier zum Interview im Hotel Atlantic in Hamburg, sozusagen im Wohnzimmer von Udo Lindenberg. Haben Sie heute Morgen schon mit ihm gefrühstückt?

Das ist leider nicht möglich. Udo Lindenberg steht – soweit ich gehört habe – nicht vor 16 Uhr auf.

Aber Sie kennen sich gut.

Wir kennen uns sehr gut. Udo war schon zu Gast, als ich in Hamburg im Studio von Otto Waalkes mein erstes Album aufgenommen habe. Das Studio war ein Treffpunkt für alle Typen der Hamburger Szene. Da trafen sich die Musiker abends, um Billard zu spielen und Bier zu trinken oder selber was aufzunehmen. Als ich im Frühjahr 1981 dort mein erstes Album aufnahm, kam Lindenberg rein, legte sich im Regieraum aufs Sofa und gab gute Tipps. Seitdem kennen wir uns.

Wer Heinz Rudolf Kunze hört, denkt automatisch an „Dein ist mein ganzes Herz” aus dem Jahr 1985. Das ist bald 40 Jahre her. Mögen Sie diesen Song noch immer?

Darauf antworte ich mal mit einer listigen Gegenfrage: Glauben Sie, dass Klaus Meine jeden Abend Lust hat, zu pfeifen?

Nö.

Sehen Sie. Mit anderen Worten: Wir sind Profis. Es spielt keine Rolle, ob wir die Sachen von früher noch mögen. Die Leute wollen das hören und wir sind für die Leute da. Und sie haben ein Recht darauf, denn sie verbinden damit viele schöne Dinge, haben sich bei dem Stück kennengelernt oder dazu geheiratet. Ich wäre ja ein Schuft, wenn ich ihnen den Song vorenthalten würde. Ich bin Entertainer und mein Job ist es, die Leute glücklich zu machen. Und wenn die Menschen das Lied von mir hören wollen, spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich es noch so gern wie andere Songs spiele.

„Ich bin Werder Bremen.“

Sie stehen seit mehr als 40 Jahren auf der Bühne, gehen bald wieder auf Tournee. Gab es auch Krisen oder so etwas wie einen Karriereknick in Ihrer künstlerischen Laufbahn?

Einen richtigen Karriereknick nicht, aber wenn man so lange dabei ist, gibt es natürlich eine Berg- und Talfahrt. Mir fällt kein Künstler auf der ganzen Welt ein, dessen Karriere immer nur linear aufwärts ging. In jeder Karriere gibt es auch Täler und das bleibt bei einer 42-jährigen Karriere wie meiner auch nicht aus. Man kann nicht immer damit rechnen, im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Dafür gibt zu viele andere, die auch Musik machen. Selbst Udo Lindenberg war mal ganz tief unten und ist jetzt im hohen Alter wieder ganz oben.

Wenn Sie sich mit einem Fußballverein vergleichen würden, welcher wäre das?

Ganz klar Werder Bremen.

Sie sind ja auch großer Fan des Clubs von der Weser.

Eben. Meine erfolgreichste kommerzielle Zeit war sicherlich von 1985 bis Ende der 90er, aber ich bin immer noch da. Ich habe immer noch ein Publikum. Und ich bin sehr dankbar dafür und sehr demütig, dass ich im gesunden Mittelfeld rangiere. Ich bin nicht der FC Bayern, aber eben auch nicht Hertha BSC, sondern ich bin Werder Bremen.

Haben Sie einen Tipp für junge Musiker? Wie schafft man es, so lange und so gut im Geschäft zu bleiben?

Ich würde zunächst mal jedem jungen Menschen, der sich heute mit dem Gedanken trägt, Musiker zu werden, sagen: Wir haben uns das damals 100-mal überlegt, überleg Du Dir das 1000-mal. 

Warum?

Weil es viel, viel schwieriger geworden ist. Die Zeiten sind nicht gut. Die Tonträgerindustrie ist nahezu zusammengebrochen, beim Streaming werden wir Musiker enteignet und bekommen so gut wie nichts. Das ist ein Skandal, um den sich keine politische Partei kümmert. Man kann mittlerweile eigentlich nur noch vom Live-Geschäft leben und macht CDs nur noch, um Konzerte zu bewerben. Früher war das umgekehrt. Lieber junger Mann, liebe junge Frau: Wenn Du es Dir 1000-mal überlegt hast und dann immer noch Musiker werden willst, dann musst Du es tun. Dann bist Du besessen und dann ist das Dein Weg. Aber es ist schwer geworden und sehr unwahrscheinlich, dass Du daraus ein Leben machen kannst. Es wird wahrscheinlich episodisch bleiben. Und wenn es tatsächlich nicht episodisch bleibt, sondern ein Leben wird, dann gibt es aus meiner Sicht nur einen Weg: Lass Dich nicht breit klopfen von irgendwelchen Plattenheinis oder Managements, jemanden nachzumachen. Du kannst auf Dauer nur bestehen, wenn Du Dein eigenes Ding machst. Ein Bruce Springsteen oder eine Madonna wird man nicht, wenn man imitiert.

„Man muss um die AfD-Wähler kämpfen.“

Das passt zu Ihrem Song „Meine eigenen Wege”. Die sind Sie immer schon gegangen. Früher auch mal in die SPD und dann auch wieder raus. Schlägt ihr Herz dennoch weiter für die Sozialdemokratie?

Ich bin ein ratloser Wähler geworden, der zurzeit gar nicht weiß, was er machen soll.

Aber Sie gehen wählen?

Ja natürlich, aber ich traue derzeit weder der Regierung noch der Opposition viel zu. Warum ist die denn CDU so bemerkenswert still? Ist doch klar: Weil sie eine Menge der Probleme mit eingerührt hat, die die jetzige Regierung nicht in den Griff bekommt. Insofern weiß ich im Moment gar nicht, wo ich mein Heil suchen soll. Daran, immer nur das kleinere Übel zu wählen, habe ich mich in meinem langen Leben gewöhnt. Im Moment sehe ich aber viel Übel. Vor allem eine große Masse an Menschen, die verbittert und wütend ist, sodass wir es vielleicht bald mit 20 Prozent und mehr für die AfD zu tun haben werden.

Und dann?

Dann ist die Kacke am Dampfen.

Ist es richtig, diese AfD-Wähler abzuschreiben?

Nein, nein, das wäre ein grober Fehler. Im Gegenteil: Man muss um die AfD-Wähler kämpfen. Ich bin keiner von diesen arroganten Menschen, die sagen „die können mich alle mal, denen weine ich keine Träne nach”. Nach meinem Bauchgefühl sind nur etwa zehn Prozent der AfD-Wähler unbelehrbar und unrettbar Nazis, den Rest könnte man ins demokratische Spektrum zurückholen, wenn man vernünftige Politik machen würde, die sich um die wirklichen Probleme der Menschen kümmert und nicht nur ums Gendern.

Mehr Informationen:

Heinz Rudolf Kunze wurde 1956 in Espelkamp geboren und lebt heute in der Nähe von Hannover. Ab 1975 studierte er Germanistik und Philosophie in Münster und Osnabrück und beendete das Studium mit dem ersten und zweiten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien. Er ist ein bekannter deutscher Schriftsteller, Rocksänger, Liedermacher und Musicaltexter/-übersetzer. Im Wintersemester 2007/2008 ist er als Gastdozent an der Fachhochschule Osnabrück im Studiengang Popularmusik im Bereich Lyrics tätig gewesen.

Ende 1980 beginnt Kunze seine künstlerische Karriere mit einem erfolgreichen Beitrag beim deutschen Pop-Nachwuchs-Festival in Würzburg. Im Januar 1981 schließt er seinen ersten Plattenvertrag ab und veröffentlicht im April sein Debütalbum „Reine Nervensache“, worauf die erste Deutschlandtour startet. Nur wenige Zeit später, 1985, erscheint die Single „Dein ist mein ganzes Herz“ – sie und das gleichnamige Album erlangen kurz nach Veröffentlichung Goldstatus. Auch das nächste Album „Wunderkinder“ wird 1986 vergoldet. Darauf folgen mehrere Deutschland-Tourneen, die längste 1987 mit 70 Konzerten. Kunze veröffentlicht bis heute mehr als 40 Studioalben und hat insgesamt mehr als vier Millionen Tonträger verkauft.

In Zeiten von Krieg und Klimakrise will der 66-Jährige mit seiner Musik Probleme ansprechen und gleichzeitig Trost spenden. „Ich hoffe, dass meine Stücke wie Heilkräuter wirken und manche Sorge ein bisschen lindern“, sagte der Sänger und Komponist kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Für Kunze gehört es dazu, Krieg, Krisen und Ängste zu thematisieren. „Die Schlagermusik, die nur die rosa Brille aufhat, die beruhigt mich persönlich als Hörer kein bisschen und macht mich nur aggressiver.“

„Wir leben in angestrengten, finsteren Zeiten“, sagte der Deutschrocker, der auf eine mehr als 40-jährige Bühnenkarriere zurückblickt. „Diese Spannung, unter der wir alle leben in diesem Land, auf diesem Erdball, die zieht sich durch mehrere Lieder“, erklärt der Künstler zu seinem neuen Album „Können vor Lachen“, das am 26. Mai erschienen ist. „Halt mich fest“ zum Beispiel handele von der allgemeinen diffusen Kriegsangst. Der Titel „Lass uns tun, was geht“ stelle die Frage: „Wie komme ich am besten durch diese Zeiten?“.

„Gendern ist für mich der Tod des künstlerischen Umgangs mit Sprache. Ich jedenfalls lasse mir von niemandem vorschreiben, mit welchen Worten ich Menschen respektiere.“

Beim Thema Gendern platzt Ihnen der Kragen. „Sobald ich gegenderte Sprache höre oder lese, wird mir körperlich übel”, haben Sie kürzlich gesagt. Ist es wirklich so schlimm?

Gendern ist für mich der Tod des künstlerischen Umgangs mit Sprache. Ich jedenfalls lasse mir von niemandem vorschreiben, mit welchen Worten ich Menschen respektiere. Man sollte mir doch bitte glauben, dass ich Menschen aller Art respektiere, auch wenn ich von den Wählern oder den Bürgern spreche.

Das Gender-Thema bringt Sie auf die Palme. In welchem Modus sind Sie sonst so unterwegs – eher tiefenentspannt oder dauerhaft unter Strom?

Ich bin ein Mensch, der immer in der Steckdose ist. Udo hat das schon vor Jahrzehnten gesagt: Leute wie wir sind von Beruf Udo Lindenberg oder Heinz Rudolf Kunze. Wir haben ja keine geregelte Arbeitszeit, sondern sind immer im Dienst. Wir sind Aufnahmegeräte, Seismografen von Beruf und ständig auf Empfang. Alles, was wir um uns herum wahrnehmen, kann sich in unserer Arbeit wiederfinden. Ich stehe schon unter einer erheblichen Grundspannung, die nur gemildert wird durch Alterserscheinungen wie der, dass ich auf dem Sofa einschlafe, wenn ich nicht gebraucht werde.

Und Sie sind nah am Wasser gebaut.

Ja, ich bin ein emotionaler Mensch. Und in der Tat: Wenn man es geschickt anstellt, kann man mich mit bestimmten Musikstücken oder Filmszenen zum Heulen bringen.

„Solange es Menschen gibt, die sich freuen, wenn ich ihnen vorsinge, mache ich weiter.“

Der Titel Ihres aktuellen Albums „Können vor Lachen” zielt auf eine alte Tugend ab: Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen. Halten Sie sich stets an diesen Grundsatz?

Auf jeden Fall. Ich stamme aus einem preußischen, kleinbürgerlichen Haushalt. Mein Vater und meine Mutter waren Lehrer in Osnabrück. Fleiß, Ehrgeiz, Werte, Strebsamkeit, Leistung spielen in einem Lehrerhaushalt eben eine große Rolle. Es kommen ja nicht ohne Grund so viele Künstler aus Lehrer- und Pastorenhaushalten. Ich wurde nicht dazu gezwungen, sondern eher subtil belohnt. Ich habe immer die Leistung gebracht, war Jahrgangsbester im Abitur. Solange die Leistung stimmte, durfte ich auch alles. Und mein Sohn weiß auch, dass er kein reiches Söhnchen ist, das mit einem goldenen Löffel aufgewachsen ist, sondern dass ich mir das alles selbst hart erarbeitet habe. Die Familie hat das schon immer ausgestrahlt: Wer etwas erreichen will im Leben, muss es sich selbst erkämpfen.

„Können vor Lachen” enthält 14 neue Songs und ist Ihr sage und schreibe 45. Album. Andere gehen in Ihrem Alter, mit 66 Jahren also, in Rente oder sind es längst. Wie lange macht HRK noch Musik?

Die Frage ist legitim und verständlich, aber ich verstehe sie trotzdem nicht.

Warum nicht?

Ganz einfach: Weil es für mich der schönste Beruf auf der Welt ist. Ich mache weiter, solange ich gesundheitlich dazu in der Lage bin. Ich habe einen enormen Überhang an Texten und ich habe immer noch diesen Spieltrieb: Ich will weiter Musik komponieren und Texte schreiben. Ich kann das überhaupt nicht bändigen. Ich habe einfach Lust dazu und solange es Menschen gibt, die sich freuen, wenn ich ihnen vorsinge, mache ich weiter.

Wie arbeiten Sie an Ihren Texten und Liedern? Morgens von 9 bis 12 und nachmittags von 15 bis 18 Uhr oder nachts oder früh morgens oder einfach immer, wenn Ihnen eine Liedzeile in den Kopf schießt?

Feste Arbeitszeiten habe ich nur, wenn ich Auftragsarbeiten erledige und etwa für ein Theater schreibe. Wenn ich für mich selber arbeite, bin ich immer im Dienst. Das kann schon morgens unter der Dusche losgehen. Ist ein schöner Augenblick, wenn das warme Wasser auf den Schädel prasselt, dann werden offenbar Dinge im Kopf gelöst und kommen in Bewegung. Oder wenn ich mit meinem Hund durch die frische Luft gehe, setzt das bei mir auch Ideen frei. Grundsätzlich bin ich mehr Tages- als Nachtarbeiter.

„Mich als Oberlehrer zu bezeichnen, ist eine Unverschämtheit.“

Was macht HRK, wenn er keine Musik macht?

Dann bin ich eigentlich schrecklich langweilig: Ich sprach eben schon von meinem Hund und ansonsten dreht sich meine Freizeit auch fast ausschließlich um Musik. Ich höre viel Musik und bin leidenschaftlicher Sammler von Musik aller Art, habe eine riesige Tonträgersammlung. Und ich lese viel. Ich beschäftige mich also auch in meiner Freizeit mit Worten und Tönen, weil das einfach mein Lebensinhalt ist. 

Manche Kritiker bezeichnen Sie als „Berufsmelancholiker“ oder „Oberlehrer“ – trifft Sie das oder ist Ihnen das gleichgültig?

Berufsmelancholiker ist hübsch, Oberlehrer ist eine Gemeinheit, die mich in der Vergangenheit sehr verletzt hat und unter der ich wirklich gelitten habe. Mittlerweile werde ich eher als Pop-Philosoph oder Vordenker oder Rockpoet bezeichnet. All diese Wörter sind klebrig und doof, aber Oberlehrer ist eine Unverschämtheit.

Warum?

Weil es in Deutschland kaum einen Kollegen gibt, der in seinen Liedern so wenig pädagogisiert wie ich. Da gibt es viele sehr berühmte Kollegen – nein, ich werde hier keine Namen nennen –, deren Zeigefinger meterdick sind, meiner ist ganz klein. Ich bin jemand, der den Leuten Dinge erzählt, ihnen Wahrnehmungen oder Geschichten oder Eindrücke mitteilt und sie eigentlich immer damit alleine lässt. Bei mir gibt es keine Moral von der Geschicht’ in meinen Liedern und es hat sie auch nie gegeben. Deswegen habe ich mich auch immer sehr getroffen gefühlt von dem Oberlehrer-Vorwurf, der ja einfach nur aus Neid kommen kann, weil Leute nicht damit fertig werden, dass ich vielleicht ein paar Bücher mehr gelesen habe als sie. 

Ist Intellektualität womöglich verpönt in Deutschland?

Das könnte der Punkt sein. Niemand stört sich daran, dass Sting, Bryan Ferry oder Peter Gabriel gebildete Menschen sind. Es gibt im Englischen gar kein Wort für unseren abschätzigen Oberlehrer-Begriff, dort gibt es nur Respekt vor Schläue.

„Ich habe mich unter Schmerzen und gegen meinen Willen von Osnabrück getrennt. Ich vermisse die Stadt sehr und habe manchmal richtige Heimwehanfälle, wenn ich an den Westerberg und den Schölerberg denke, wo ich hauptsächlich gelebt habe.“

Sie sind in Osnabrück aufgewachsen und leben heute in der Nähe von Hannover. Kommen Sie noch hin und wieder nach Osnabrück?

Viel zu selten. Ich habe mich unter Schmerzen und gegen meinen Willen von Osnabrück getrennt. Es handelte sich damals um eine rein berufliche Entscheidung der Vernunft und nicht der Emotionen folgend. Ich habe mich in Osnabrück immer sehr, sehr wohlgefühlt. Dort ist ja auch alles Entscheidende in meinem Leben passiert: Jugend, Studium, große Liebe, zwei Kinder – all das verbinde ich mit Osnabrück. Nun wohne ich also im Umland von Hannover, aber Osnabrück ist und bleibt meine Heimatstadt. Ich vermisse die Stadt sehr und habe manchmal richtige Heimwehanfälle, wenn ich an den Westerberg und den Schölerberg denke, wo ich hauptsächlich gelebt habe. 

Olaf Scholz ist gebürtiger Osnabrücker und Verteidigungsminister Boris Pistorius ebenfalls. Hätte Pistorius auch das Zeug zum Kanzler?

Auf jeden Fall mehr als Olaf Scholz es hat.

Tatsächlich?

Ja. Olaf Scholz ist einfach zu wenig wahrnehmbar. Er hat zu viel von Angela Merkel gelernt.

„Menschenmengen kann ich nur vor meiner eigenen Bühne ertragen.“

Zum Abschluss müssen wir nochmal über den SV Werder Bremen reden. Wie wurden Sie als Osnabrücker zum SVW-Fan?

So ganz genau weiß ich das auch nicht, aber ich erkläre es mir so: Ich bin natürlich auch Fan des VfL Osnabrück, aber wenn man als Kind in Osnabrück lebt und sich auch mal für Erstliga-Fußball begeistern möchte, dann hat einem der VfL diese Freude ja leider nie gemacht. Irgendwie hat Werder dann mein Herz erreicht. Und als Werder unter Otto Rehhagel dann vom kleinen Mauerblümchen-Club zum ernsthaften Bayern-Jäger wurde, hatte mich das Werder-Fieber endgültig gepackt. Für mich ist das einfach ein Sympathieträger-Verein, der bescheiden und bodenständig und nicht großkotzig ist.

Sie haben vor einigen Jahren zum 120. Vereinsbestehen auch einen Song zum Werder-Jubiläumsalbum beigesteuert. Sind Sie auch hin und wieder im besungenen Weserstadion anzutreffen? 

Ich bin kein Stadiongänger, sondern eher Sofasportler, weil ich es in Menschenmengen nicht so gut aushalte. Ich bekomme bei diesem Gebrüll leicht Panik, das macht mich unruhig. Menschenmengen kann ich nur vor meiner eigenen Bühne ertragen (lacht).

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