Die Neonazi-Gruppe „Hammerskins Deutschland“ wird verboten. In zehn Bundesländern geht die Polizei mit Razzien gegen die Rechtsextremisten vor. Bei einem führenden Mitglied entdecken die Beamten eine Handgranate.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den rechtsextremistischen Verein „Hammerskins Deutschland“ sowie seine regionalen Ableger und die Teilorganisation „Crew 38“ verboten. Wie das Ministerium am Dienstag mitteilte, durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am frühen Morgen Wohnungen von 28 mutmaßlichen Mitgliedern des Vereins in zehn Bundesländern: Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und dem Saarland.
Drei Objekte sollen als Vereinsheime genutzt worden sein. Durchsucht wurde auch die „Hate Bar“ der Gruppierung im saarländischen Dillingen. Nach dpa-Informationen wurden in MV Objekte bei Wismar, Anklam und auf Usedom durchsucht.

Neonazi-Gruppe ist Ableger aus den USA
Die Razzia richtete sich dem Vernehmen nach nur gegen mutmaßliche Führungsfiguren. Der Behörden schätzen die Zahl der Mitglieder auf rund 130.
Das Verbot sei „ein harter Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus“, sagte Faeser. Damit werde „ein klares Signal gegen Rassismus und Antisemitismus“ gesetzt und das menschenverachtende Treiben einer international agierenden Neonazi-Vereinigung beendet. Der Rechtsextremismus sei nach wie vor „die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie“. Faeser betonte: „Deshalb handeln wir weiter mit aller Entschiedenheit, um rechtsextremistische Strukturen zu zerschlagen.“
Mitglieder in Kampfsportszene
Der Verein agiere gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung, hieß es zur Begründung des Verbots. Zudem liefen Zweck und Tätigkeit der Vereinigung den Strafgesetzen zuwider. Bei Konzertveranstaltungen der Gruppe würden auch Nicht-Mitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut ideologisiert.
Mitglieder der Vereinigung sind auch in der Kampfsportszene aktiv. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen boten sie sich als Sicherungsdienst für rechtsextremistische Veranstaltungen an.
Granate bei „Hammerskins“-Mitglied entdeckt
Bei den Durchsuchungen wurden laut Faeser neben Bargeld auch große Mengen rechtsextremistische Devotionalien beschlagnahmt. „In einigen Bundesländern wurden die Durchsuchungsmaßnahmen aufgrund aktueller Erkenntnisse weiter ausgeweitet“, fügte sie hinzu.
Wie das Innenministerium in Schwerin mitteilte, kam bei den Durchsuchungen in Mecklenburg-Vorpommern der Munitionsbergungsdienst zum Einsatz. Auch von waffenähnlichen Gegenständen war die Rede.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur entdeckten die Beamten bei einem führenden Mitglied der „Hammerskins“ eine Granate, bei der zunächst nicht klar war, ob sie noch funktionsfähig ist. Außerdem habe man eine Armbrust und mehrere Dolche gefunden.
Verbot von Neonazi-Vereinigung
Bei den Vorbereitungen für das Verbot haben Bund und Länder nach Angaben des Ministeriums über ein Jahr lang zusammengearbeitet. Auch mit US-Partnerbehörden sei kooperiert wurden. Die Neonazi-Gruppe ist ein Ableger einer Gruppierung aus den USA und existiert in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre. Wer sich der Vereinigung anschließen wollte, die sich selbst als elitär versteht, musste verschiedene Stufen durchlaufen, um als Vollmitglied anerkannt wurde.
Zu den rechtsextremistischen Vereinigungen, die in den vergangenen Jahren in Deutschland verboten wurden, zählen unter anderem „Combat 18“ und „Nordadler“. Laut Ministerium ist es das 20. Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung durch das Bundesinnenministerium.
Razzia in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern
Bei der Razzia wurden unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern drei Objekte durchsucht, darunter in dem wegen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und Gegnern bekannten Dorf Jamel. Vier Orte steuerte die Polizei in Nordrhein-Westfalen an. In Brandenburg waren vier Verdächtigte betroffen, in Berlin zwei Orte, im Saarland sechs Objekte und in Hessen ein Verdächtigter.
Gegen vier der mutmaßlichen Neonazis, bei denen nun durchsucht wurde, sei bereits in der Vergangenheit wegen Verstößen gegen das Waffengesetz beziehungsweise das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt worden, hieß es aus Sicherheitskreisen. Ein Mitglied war demnach in Frankreich verurteilt worden, nachdem er in Lothringen eine Stele zum Andenken an eine Division der Waffen-SS aufgestellt hatte. Die Stele sei 2018 abgebaut worden.
Das Verbot zeige, dass die Ampel-Regierung den Kampf gegen Rechts mit Entschlossenheit angehe, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Die Innenpolitikerin fügte hinzu: „Wir müssen selbstverständlich noch tiefer gehen und jedem Versuch entschlossen entgegentreten, rechte Parallelgesellschaften zu etablieren.“
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„Hammerskins“: Wo Nancy Faeser konsequent ist - und wo nicht
Rechtsextreme in „national befreiten Zonen“
Im kleinen Dorf Jamel in Mecklenburg-Vorpommern, wo einer der Rädelsführer der Szene lebt, kann man sich seit Jahren ein Bild davon machen, wie sich Rechtsextreme ihre „national befreiten Zonen” vorstellen. Das ist kein Spaß, sondern untergräbt den Rechtsstaat und ist eine Bedrohung für alle, die sich dem entgegenstellen.
Ein Verbot bewirkt zwar nicht, dass „Hammerskins” nicht länger gefährlich sind. Wer in der Gruppe Mitglied sein wollte, musste es mit völkischem Gedankengut und Staatsverachtung schon ziemlich ernst meinen. Das legt man wegen eines Verbots nicht ab. Gegen Strukturen und öffentliche Auftritte der Gruppe kann die Polizei aber von nun an gezielt vorgehen. Gut so.
Beim Thema Migration ist Faeser nicht konsequent
Bei anderen Themen war Faeser zuletzt weniger konsequent. In dieser Woche muss sie sich im Innenausschuss zur Abberufung ihres früheren Cybersicherheitschefs Arne Schönbohm erklären, nachdem sie sich einer Befragung mehrfach entzogen hatte. Auch hat sie es versäumt, sich mit Nachdruck um das Thema Migration zu kümmern. Wenn sie dem rechten Rand wirklich dauerhaft das Wasser abgraben will, müsste sie hier entschieden handeln.