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Wissenschaft Burger aus dem Bio-Printer

Von Dieter Schulz | 20.06.2015, 08:00 Uhr

Unternehmen wollen in Zukunft Essen, Leder und künstliche Organe ausdrucken.

Das saftige Steak oder die edle Lederhandtasche aus dem 3-D-Drucker? Das klingt nach Science-Fiction à la „Star Trek“. In der Serie genügt ein Kopfdruck und voilà: Schon hat eine Maschine namens Replikator jeden beliebigen Gegenstand hervorgezaubert, dessen atomare Struktur zuvor damit programmiert wurde. Wird der Bioingenieur Gabor Forgacs auf die Anklänge seines Vorhabens mit der Technik aus der Science-Fiction-Serie angesprochen, gibt er sich amüsiert.

„Ganz so einfach wird es wohl nicht“, meint der ehemalige theoretische Physiker und Professor für Biophysik dann augenzwinkernd. Immerhin verspricht der smarte Geschäftsmann, der 2011 zusammen mit seinem Sohn Andras Forgacs, einem ehemaligen Finanzberater, die auf Gewebezüchtung spezialisierte US-Firma Modern Meadows gegründet hat, eine technologische Sensation: essbares Fleisch und kostbares Leder aus dem Biodrucker. „Biofabrication“ nennt sich das Verfahren mit dem das New Yorker Unternehmen von sich reden macht.

„Die Technik ist sauber, effizient und human. Damit senken wird den Ressourcenverbrauch durch die Tierhaltung und die Kosten für die Fleischproduktion enorm“, verkündet Modern Meadows auf seinen Webseiten. Mit seinem Namen „moderne Weiden“ will das Unternehmen deutlich machen, wofür es steht: „Die Viehindustrie ist der größte Verbraucher von Land und Wasser und einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Jetzt ist Zeit, bessere Alternativen zu entwickeln,“ verkündet Andras Forgacs in einer Animation. Wie zum Beweis schwenkt er eine in Folie eingeschweißte Probe gedruckten Leders in der Hand. Die Kamera fährt näher an das knapp briefmarkengroße Muster heran, genaues ist trotzdem nicht zu erkennen. „Da müssen keine Haare entfernt werden, es gibt keine Narben im Gewebe“, preist der Manager sein Produkt an. Nicht ohne weitere Vorteile hinzuzufügen: „Wir können die Transparenz von Leder verändern und Eigenschaften wie Weichheit, Haltbarkeit, Atmungsaktivität oder Elastizität nach Wunsch einstellen.“ Für Extravagante soll es die Lederwaren aus dem Biodrucker auch mit unverwechselbaren Musterungen und Prägungen geben. Hoffnungen macht die Gewebezucht mittels 3-D-Druck auch der Medizin. Mit dem Bioprinter lassen sich exakte Abbildungen von Körperteilen anfertigen. So könnten eines Tages Organe nach Maß geschaffen und transplantiert werden. Die Technik, die Modern Meadows einsetzt, um seine Ziele zu erreichen, beschreibt das Unternehmen mit dem Hinweis auf Patentgeheimnisse nur allgemein. Zunächst wird Rindern oder Schweinen etwas Gewebe entnommen aus dem dann Stammzellen isoliert werden. Diese werden im Labor so modifiziert, dass sich daraus die gewünschten Zellen, etwa für Haut, entwickeln. Im Bioreaktor werden die Zellen dann millionenfach vermehrt. Damit sie den Druckvorgang unbeschadet überstehen, werden sie von einer schützenden, gelartigen Masse umhüllt, beispielsweise einem Alginat.

Der 3-D-Printer setzt dann Tausende von einzelnen Tröpfchen ab, in denen wiederum jeweils Zehntausende Zellen schwimmen. Durch Zugabe von speziellen Wachstumsfaktoren sollen diese dann zu fingernagelgroßen Gewebestrukturen und schließlich zu funktionstüchtigen Geweben oder Häuten zusammenwachsen. Das Konzept, für das Vater und Sohn in den Medien werben, hat Geldgeber wie die in Hongkong ansässige Risikokapitalgesellschaft Investor Horizon Ventures überzeugt. Das Unternehmen finanziert Modern Meadows mit über zehn Millionen Dollar.

Auf Bioprinting setzt auch Organovo aus San Diego, bis vor Kurzem das Schwesterunternehmen. Gegründet 2007 von Forgacs Junior, hat dieser die Firma, die sich auf den 3-D-Druck von Geweben für medizinische Zwecke spezialisiert hat, vor zwei Jahren verlassen.

Von dem Ziel biologische Gewebe zu drucken, die den natürlichen Vorbildern in nichts nachstehen, sind die Forscher dort noch weit entfernt. Immerhin gelang es mithilfe der von ihnen entwickelten Drucktechnik eine „Mini“-Leber zu erschaffen. Das aus Stammzellen oder menschlichen Leberzellen gezüchtete Kunstgewebe ist etwa so groß wie die von einem Bürolocher ausgestanzte Öffnung und einen halben Millimeter dick. Beim Druck wird es Zellschicht für Zellschicht aufgebaut. Damit lassen sich schon einige wichtige biologische Funktionen nachbilden. Beispielsweise produziert das Gewebe, wie die Leber, Cholesterin, aus dem der Organismus lebenswichtige Bestandteile, darunter Hormone aufbaut.

Wie bei dem echten Organ zeigt auch das Lebergewebe aus dem Biodrucker eine spezielle enzymatische Aktivität. Normalerweise wandeln sogenannte Cytochrom-P-450-Enzyme fettlösliche Wirkstoffe in der Leber in wasserlösliche Stoffe um, die der Körper besser ausscheiden kann. Arzneimittelforscher testen mithilfe der Eigenschaft, ob ein Wirkstoff in der Lage ist, sich aus einer inaktiven Medikamentenvorstufe in eine aktive Substanz umzuwandeln. Immer deutlicher wird, dass menschliche Zellkulturen und Gewebe für pharmakologische Tests oft aussagefähiger sind als die Erprobung beispielsweise im Mausmodell. Darauf setzt auch Organovo. Neben der Minileber hat das Unternehmen auch Muskelgewebe, Lungen- und Herzgewebe sowie Blutgefäße mit dem Biodrucker hergestellt. Einige Gewebe werden bereits im Auftrag des Pharmaunternehmens Johnson & Johnson getestet.

Dass künstliche Gewebe und Organe aus dem Biodrucker heute noch so klein sind, hat einen einfachen Grund. „Eine der größten Herausforderungen dabei ist ein gut funktionierendes Blutgefäßsystem“, sagt Thomas Boland, wissenschaftlicher Leiter und Mitbegründer von TeVido BioDevices. Das in Austin, Texas beheimatete, junge US-Biotechunternehmen bietet Brustkrebspatientinnen, denen Teile der Brust entfernt worden sind, gedruckte Implantate nach Maß aus eigenem Gewebe an.

„Wir benutzen dafür modifizierte Tintenstrahldrucker“, berichtet Boland. Gefüllt mit einem speziellen Gel und den im Labor vermehrten Haut- und Fettgewebezellen der Patientinnen wird damit das Implantat Schicht für Schicht aufgebaut.

Der Clou an dem patentierten Verfahren: „Es erlaubt uns ein Netzwerk aus Mikrogefäßkanälen zu erzeugen, welche die Sauerstoffversorgung im Gewebe gewährleisten. Das ist für die Wundheilung und die Annahme des Implantats entscheidend“, sagt Boland. Während andere beim Bioprinting auf einen hohen Zelldurchsatz setzen, konzentriert sich Boland lieber auf Präzision: „Eine entscheidende Eigenschaft unseres Ansatzes ist die hohe Auflösung, die wir mit dem modifizierten Tintenstrahldrucker erzielen. Das ermöglicht es, Muster in die Zellschichten einzuprägen, aus denen dann die feinen Gefäßkanäle entstehen.“ Ein funktionierendes Gefäßsystem, mit dem sich das künstliche Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen und die Verteilung und Wechselwirkungen von pharmakologischen Testsubstanzen erforschen lässt, hat die Biotechniker bei Organovo aufhorchen lassen. Das Unternehmen hat die Rechte für den Einsatz der Drucktechnik von TeVido BioDevices erworben. Ob das Verfahren auch bei der künstlichen Minileber zum Einsatz gekommen ist, darüber schweigt sich Organovo aus.

Welchen Stellenwert Bioprinting-Technologien inzwischen erreicht haben, zeigt sich auch daran, dass sogar EU-Kommission und das Militär sich damit befassen. Die EU-Kommission sieht mögliche Vorteile beispielsweise zur Beschleunigung von Prüfverfahren im Rahmen der sogenannten Reach-Verordnung. Diese regelt, dass chemische Stoffe auf ihre biologische Abbaubarkeit und mögliche Gesundheitsrisiken geprüft werden müssen. Dafür werden auch Tierversuche durchgeführt, die möglicherweise mithilfe von Bioprinting ersetzt werden könnten. Auch die Nato beschäftigt das Potenzial von Bioprinting. Im Rahmen einer Tagung, die über Fortschritte in der regenerativer Medizin informierte, diskutierten Experten kürzlich in Berlin über Möglichkeiten zum Einsatz von Bioprinting bei schweren Verwundungen.

Die US-Armee geht noch weiter. Dort soll die Technik nicht nur für medizinische Einsätze weiterentwickelt werden. Sogar maßgeschneiderte Menüs, angereichert mit allen notwendigen essenziellen Nahrungsbestandteilen und Vitaminen sollen künftig aus dem 3-D-Drucker kommen. „Soldaten, denen es an bestimmten Vitaminen oder Mineralien mangelt, können wir so mit einer optimierten Ernährung versorgen. Wir können die fehlenden Bestandteile dann besser hinzufügen“, sagt Lauren Oleksyk, Leiterin des Food Processing and Technology Team der im Verteidigungsministerium angesiedelten Abteilung für die militärische Kantinenversorgung.

Zusammen mit dem Massachusetts Institute of Technology soll ab dem kommenden Jahr der Prototyp eines 3-D-Food-Printers für die Armee entwickelt werden. Ob das damit fabrizierte Essen auch schmeckt? Bei der Vorstellung des Projektes blieb diese Frage eines Reporters unbeantwortet. Ob er auch schmeckt, der Burger aus dem Drucker? Und ob er drückt, der Schuh? Die Forscher schwärmen von Ressourcen, die eingespart werden können – allein in der Tierhaltung. Hoffnungen weckt die Technik in der Medizin. Künstliche Organe aus dem Biodrucker könnten kranken Menschen das Leben erleichtern.