Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf: Erich Rottenau aus Malchin erinnert sich an die Flucht und die schwere Ankunftszeit in Mecklenburg
Erich Rottenau war zwölf Jahre alt, als er mit seiner Familie aus Schlesien vor der heranrückenden roten Armee floh. Heute lebt er in Malchin.
Im Januar 1945 fing für tausende Familien ein verheerendes Jahr an. Meine Eltern, wir drei Kinder und mit der Oma lebten in Hönigern, Kreis Oels (Schlesien). Vor der heranrückenden russischen Armee flohen wir mit Sack und Pack in Richtung Westen. Die kranken und älteren Männer mussten bleiben, um das Vieh abzutreiben. Als 12-jähriger Bub drückte mir mein Vater die Pferdeleine in die Hand und sagte: „Fahr vernünftig,“ denn auf dem mit einer Plane bedeckten Ackerwagen befanden sich meine Großmutter, vier Frauen und drei Kinder.
Acht Tage lang war ich als jüngster Kutscher in der Kolonne. Beim Aus- und Anspannen des Pferdes halfen mir die Nachbarn. Dann stieß unser Vater, Invalide des ersten Weltkrieges, zu uns. Ich war von meinen Pflichten als Kutscher entbunden und konnte wieder Kind sein. Meine Mutter und die anderen Frauen suchten unterwegs nach Essbarem und Flüssigkeiten und wir alle nach einer überdachten Unterkunft.
Schließlich landeten wir im April 1945 in der Nähe von Beroun (Tschechei), wurden auf einem Bauerngehöft untergebracht und erlebten das Kriegsende. Die deutschen Männer kamen ins Arbeitslager, alle drei aus unserem schlesischen Dorf kehrten nicht zurück. Die Frauen, Kinder und die gebrechlichen älteren Männer zogen tagelang in Richtung Heimat. Übernachtet wurde auf Wiesen oder in Wäldern an den Straßen.
Ende Mai erreichten wir unseren kleinen Bauerhof und wurden von einer polnischen Familie begrüßt, deren Mitglieder auch als Vertriebene in einer neuen Heimat lebten.
Im November des gleichen Jahres erfolgte die Ausweisung der deutschen Familien. Nur wer die polnische Staatsangehörigkeit beantragte und bekommen hatte, konnte in der Heimat bleiben. In einem Viehwaggon ging es in Richtung Mecklenburg. Wir landeten in Dargun und wurden nach einem Zwischenaufenthalt im Schafstall und in einem Gasthaussaal nach Groß Methling gebracht und verbrachten das Weihnachtsfest in der Dorfschule mit weiteren Familien.
Beim Bauern Karl Schröder im Ausbau bezogen wir mit Mutter und drei Kindern sowie einer älteren Frau eine kleine Dachkammerwohnung. Neben uns war eine Frau mit ihren vier und unter uns eine Frau mit drei Kindern untergebracht. Der Hunger war groß. Die Bäuerin gestattete uns, im Schweinekartoffelkeller nach essbaren Kartoffeln zu suchen. Wir griffen auch nach Zuckerrüben und kochten uns Sirup. In den Sommermonaten gehörten Brennnessel, Sauerampfer, Beeren und Pilze zu unserem Essenangebot. Es ist auch vorgekommen, dass wir Kinder nach dem Kartoffelpflanzen abends auf Feld schlichen und die gelegten Kartoffel klauten, um am nächsten Tag etwas zum Essen zu haben. Wir brachen, schnitten oder sägten Lindenbaumäste ab, um uns mit Lindenblütentee zu bevorraten.
Das Brot, Fleisch, Wurst und etwas Speck bekamen wir im ca. 8 km entfernten Dargun bzw. in Gnoien und auch die ärztliche Betreuung.
Die Zeiten waren sehr schwer. Hunger, Durst und fehlende Unterkünfte waren gegenständlich. Wir hoffen, dass solche Ereignisse unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln erspart bleiben, obwohl die kriegerischen Auseinandersetzungen sehr nahe sind.
