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Weihnachten 1915 „Liebesgaben“ für die Front

Von Karsten Richter | 11.12.2015, 00:00 Uhr

Mecklenburger Grenadiere mussten Weihnachten 1915 in den Schützengräben der Champagne verbringen

Mit dem Kriegseintritt Großbritanniens in den Ersten Weltkrieg änderte sich schlagartig die Versorgungslage der Mittelmächte. Eine Seeblockade der britischen Flotte in Nord- und Ostsee schnitt das deutsche Reich von Überseelieferungen im Bereich von Rohstoffen und Lebensmitteln fast vollständig ab.

Dies hatte zur Folge, dass auch die Truppen an der Front mit Einschränkungen bei Verpflegung und kriegswichtiger Ausrüstung zurechtkommen mussten. Bereits im ersten Kriegswinter 1914/15 wurden in der Heimat so genannte „Liebesgaben“ gesammelt. Dies umfasste Lebensmittel – vor allem Fleischwaren – aber auch wärmende Kleidung und Marketenderartikel, wie z.B. Tabak und Alkohol.

Solche Liebesgaben-Sendungen waren für den Soldaten eine willkommene Abwechslung. Sie hoben die Moral der kämpfenden Truppe und verbesserten erheblich die mitunter sehr einseitige Kost der „Feldgrauen“ – so der Spitzname der deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Besondere Lieferungen trafen natürlich in der Vorweihnachtszeit bei den Soldaten ein. Nur wenigen war es vergönnt, in diesen Tagen Heimaturlaub zu erhalten. Daher richteten sich die Truppen teilweise darauf ein – soweit sie in der vordersten Linie eingesetzt waren – das Weihnachtsfest im Schützengraben zu feiern. Das Mecklenburgische Grenadier-Regiment 89 wurde in dieser Zeit mit allen seinen drei Bataillonen in der Champagne eingesetzt.

Die französische Landschaft – bekannt für ihre Schaumweine – war im Kriegsjahr 1915 Schauplatz zweier französischer Großoffensiven. Die sogenannten Winter- (16. Februar bis 18. März 1915) und Herbstschlachten (25. September bis 6. November 1915) in der Champagne endeten für die französische Seite bei Einsatz größter personeller und artilleristischer Überlegenheit im Desaster: Rund 200 000 französische Soldaten fielen oder wurden verwundet – ohne dass sich ein militärischer Erfolg einstellte. Auch die deutschen Verluste mit ca. 100 000 Mann waren beträchtlich. Davon kündet auch der deutsche Soldatenfriedhof in Souain-Perthes-lès-Hurlus, auf dem zum Beispiel der deutsche Maler August Macke seine letzte Ruhestätte fand.

Das IX. Armeekorps, dem das mecklenburgische Grenadier-Regiment 89 angehörte, war dazu bestimmt, das X. Armeekorps auf diesem Frontabschnitt nach schweren Verlusten abzulösen. Im Bereich der Ortschaft Somme-Py bezog das Regiment ab Oktober 1915 Stellung. In der Geschichte des „Großherzoglichen Mecklenburgischen Grenadier-Regimentes Nr. 89“ von Dr. Ernst Zipfel ist zu lesen: „Aus Schwerin trafen am 1. Dezember, …, viele Liebesgaben ein: von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog, vom Landesverein vom Roten Kreuz, von Schweriner Privatleuten. Den Vogel schoß dabei ein Waggon Weißkohl ab, von Herrn v.d.Lühe (Hornstorf) gestiftet; er machte die sehr eintönige Feldkost viel schmackhafter und vielseitiger für lange Zeit, vor allem war es eben „Mecklenburger Kohl“.

Der Stab II. (des II. Bataillon, der Autor) wohnte nach der Ablösung am 9. Dezember abends im Gefechtsstand der 34 I.B. (Infanterie Brigade, d.A.) im Aure-Grund, einem Tal, das sich vom Dorfe Aure nach Westen der Chaussee Médéah-Ferme-Sommer-Py hinzog … Es war entsetzlich schmutzig in dem Tälchen, durch das der Weg zu einigen Batterien der schweren Artillerie führte. Auf den Höhen standen kleine, kümmerliche Tannen, der Gefechtsstand war kalt und zugig, aber sonst war der Aufenthalt sehr idyllisch. Der starke Regen hielt an, die Gräben sackten mehr und mehr zusammen und wurden immer schlammiger. Alles „schwamm“. Die Anfuhr von Material wurde schwieriger. Mit allen Kräften mußte daran gearbeitet werden, die Stellung überhaupt verteidigungsfähig zu erhalten. …

Am 12. Dezember wurde der „Heckengang“ genannte Grabenteil, den die 4. Kompanie besetzt hatte, mit Torpedominen lebhaft beschossen. Hierdurch wurden teils im Unterstand, teils im Graben Hauptmann v. Oertzen und 10 Grenadiere verschüttet. Durch schnelles, tatkräftiges Eingreifen mehrerer entschlossener Grenadiere gelang es, alle bis auf zwei lebendig wieder auszugraben. Zwei Mann waren bereits erstickt, die anderen blieben bei der Truppe und kamen mit dem Schreck und geringen Quetschungen davon.“

Im Buchanhang werden für den 12. Dezember 1915 (Somme-Py) zwei Soldaten als Gefallene genannt: Wehrmann Arnold Laage und Landsturmmann Heinrich Hinners.