Ein halbes Jahr lang haben sich drei Rostocker Schüler durch das Stadtarchiv gewühlt, haben in Kirchenbüchern gestöbert und Zeitzeugen interviewt. Nun stellten sie neben rund 150 anderen Jugendlichen ihre Ergebnisse vor.
Ein halbes Jahr lang haben sie sich durch das Stadtarchiv gewühlt, haben in Kirchenbüchern gestöbert und Zeitzeugen interviewt. "Das hat am meisten Spaß gemacht, war aber auch am schwierigsten", erzählte Benjamin Scheulen. "Manche haben uns einfach die Tür vor der Nase zugeschlagen." Der Zehntklässler der Nordlicht-Schule Rostock hat zusammen mit Christian Dahmke und Marcel-Simon Koch im Rahmen des Jugendprogramms "Zeitensprünge" die Geschichte des amerikanischen Kampfflugzeugs "Spamcan" aus dem Jahre 1944 recherchiert. Gestern stellten sie neben rund 150 Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren ihre Forschungsergebnisse auf dem 7. Jugendgeschichtstag im Schweriner Schloss vor.
Gekommen war als Ehrengast auch Mecklenburg-Vorpommerns ehemaliger Ministerpräsident Prof. Alfred Gomolka (CDU), der sich am Stand von Benjamin und den anderen zusammen mit Landtagsvizepräsidentin Silke Gajek über das Schicksal der Besatzung der "Spamcan" informierte. Nachdem die Maschine auf dem Rückflug von Berlin von deutschen Kampfjägern getroffen worden war, sprangen vier Besatzungsmitglieder über Rostock ab. Der Pilot hatte vermutlich versucht, das neutrale Schweden zu erreichen. Die vier amerikanischen Soldaten wurden verhaftet, nach Kessin gebracht und dort erschossen. Der Pfarrer des Ortes, Dietrich Timm, beerdigte die Leichen in aller Stille.
Die Spurensuche hat den Schülern großen Spaß gemacht und sich gelohnt: Jetzt ist die Geschichte der Soldaten fast lückenlos dokumentiert. Geplant ist zudem, für sie auf dem Kessiner Friedhof einen Grabstein aufstellen zu lassen -"am besten einen großen Findling, den man nicht übersieht", sagte Marcel-Simon Koch. Damit sei die Arbeit an dem Projekt aber nicht beendet: "Wir wollen weitermachen", bekräftigte Projektleiter und Geschichtslehrer Lutz Müller.
Alfred Gomolka zeigte sich beeindruckt von der Recherchearbeit der Schüler. "Ich lasse, wenn möglich, keine Gelegenheit aus, mit Jugendlichen in Kontakt zu treten", sagte er. "Solch eine Begegnung hinterlässt, wenn sie interessant ist, einen langen Eindruck." Es sei wunderbar, dass sich die Jugendlichen ihre Projekte selbst aussuchen könnten, erklärte Gomolka. "So werden sie auch mit Zweifeln konfrontiert, und die sind wichtig, um kritisch gegenüber der Ideologisierung der Geschichte und offen gegenüber Neuem zu sein."
In einem Theaterstück zeigten Teilnehmer des Zeitensprüngeteams des Jugendgartens "Alte Schmiede" aus Rostock, wie es war, als die Urgroßeltern zur Schule gingen: Meist barfuß mussten sie den oft langen Fußweg zur Schule antreten, wo manchmal schon der Lehrer mit dem Rohrstock wartete. Alle Altersstufen wurden damals gemeinsam in einem Klassenraum unterrichtet, erfahren die Zuschauer, und als Toilette gab es nur einen Eimer. Wer unartig war, musste ihn ausleeren gehen. Ein anderes Zeitensprüngeprojekt beschäftigte sich mit der Geschichte der Spielkartenfabriken in Stralsund. Über die Todesmärsche der KZ-Häftlinge aus Sachsenhausen 1945 haben Schüler des Fridericianums Schwerin einen Unterrichtsfilm für neunte Klassen gedreht. Dafür bekamen die Jugendlichen vorher einen Kamera- und Schnittkurs beim Offenen Kanal Fernsehen in Schwerin, Fisch-TV. "Beim Einsprechen war ich richtig aufgeregt", erzählte Schüler Josef Schumann.