„Er ist ein Braver“ - Hinweise reichen Gericht nicht aus
Immer wieder ärgern sich Autobesitzer morgens über neue Kratzer im Lack ihrer Wagen. Häufig haben Randalierer nachts in derselben Straße auch die dort geparkten Autos der Nachbarn demoliert. Die Täter entkommen meist unerkannt. Als es im Juli 2015 in seiner Straße mehrfach schepperte, nahm der Schweriner Pensionär Walter K. (Name geändert) die Verfolgung auf und alarmierte die Polizei. Walter K. war überzeugt, genügend Hinweise auf den Randalierer geliefert zu haben. Dennoch sprach das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten frei.
Die Staatsanwaltschaft legte dem 34-jährigen Facharbeiter mehrfache Sachbeschädigung in einer Straße am Rande der Schweriner Innenstadt zur Last. Ein Autobesitzer musste für die Reparatur seines Außenspiegels 630 Euro bezahlen. Ein anderer kam mit 300 Euro, ein dritter mit 13,80 Euro aus. „Ich war das jedenfalls nicht“, war alles, was der Angeklagte zu den Vorwürfen zu sagen hatte. Er wisse nicht, wie er in die Mühlen der Justiz geraten sei.
Als Zeuge vor Gericht berichtete Walter K., wie er kurz vor Mitternacht draußen dumpfe Schläge vernahm. Von seinem Fenster aus beobachtete er einen jungen Mann, der sich offenbar auch an seinem Auto zu schaffen machte, allerdings auf der Seite, die Walter K. nicht direkt sehen konnte. Der Pensionär holte eine Taschenlampe und begutachtete den Schaden. Derweil habe Täter etwas weiter entfernt „wie im Frust“ auf mehrere Außenspiegel eingeschlagen. Walter K. folgte ihm. Als er um die nächste Ecke bog, sah er wieder einen jungen Mann, der einen Briefkasten aufgeschlossen hatte, seine Post durchstöberte und in einem Haus verschwand. K. las den Namen vom Briefkasten ab, holte die Polizei und erstattete Anzeige. Allerdings sahen die Beamten keinen Grund, bei dem von Walter K. Verdächtigten sofort zu klingeln. Dazu kam es erst ein paar Tage später. Das sei schon etwas misslich, befand nun Amtsrichter Rainer Schmachtel.
Einen grellfarbenen Kapuzenpullover habe der Täter getragen, sagte K. vor Gericht. Von der Statur passe der Angeklagte „genau zu dem, was ich gesehen habe“. Er zumindest war von dessen Schuld überzeugt. Als die Staatsanwaltschaft vor einigen Monaten das Verfahren gegen den Facharbeiter dennoch einstellte, erhob K. Einspruch. Die Staatsanwaltschaft überprüfte ihre Entscheidung und durchsuchte die Wohnung des Angeklagten erfolglos nach dem grellen Pullover. Gleichwohl wollte sie ihm danach eine Geldstrafe aufbrummen. Die akzeptierte der Angeklagte nicht. Deshalb traf man sich vor Gericht.
Die Mutter des Angeklagten versicherte, ihr Sohn besitze keinen grellfarbenen Pullover. Das wisse sie genau, denn sie macht, obwohl er nicht bei ihr wohnt, noch immer seine Wäsche. Auch traute sie ihm eine solche Randale nicht zu: „Er ist ein Braver.“
Schmachtel sprach den strafrechtlich unbescholtenen Angeklagten frei. Die Spiegel-Attacke sei ihm nicht zweifelsfrei nachzuweisen, zu ungenau sei die Personenbeschreibung des Täters durch Walter K.. Auch werde kaum jemand, der gerade zig Autos demoliert hat, seelenruhig vor seinem Haus die Post durchsehen. „Da muss jemand anderes zugange gewesen sein“, resümierte der Amtsrichter. Zeuge K. allerdings hatte den Gerichtssaal bereits ohne das Urteil abzuwarten verlassen. Vielleicht hatte er sowieso nichts anderes erwartet.