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Anleger werden wenig Geld sehen Verbrannte Millionen

Von roth | 05.07.2016, 21:00 Uhr

Hausfrauen, Rentner, Kleinanleger: 17 000 wollen ihr Geld zurück: Katerstimmung beim Gläubigertreffen des insolventen Brennstoffherstellers German Pellets

Die Versuchung war zu groß: Sieben Prozent Zinsen für eine mehrjährige Anleihe des Brennstoffherstellers German Pellets aus Wismar – „bislang ist immer bezahlt worden“, blickt Michael Wilke zurück. 27 000 Euro habe er angelegt, sein Bruder noch einmal 15 000 Euro. „Dem Risiko muss man sich bewusst sein“, erzählt der Hamburger: „Mit der Höhe der Zinsen steigt es“ – bis zum Totalverlust. Mit der Insolvenz des einstigen Shootingstars der Wirtschaft in MV sehen die Wilke-Brüder ihre Geld möglicherweise nicht mehr wieder. „Ärgerlich“, meint Wilke: „Es sieht so aus, dass nur wenig übriggeblieben ist. Aber damit muss man rechnen. Ich sehe es sportlich.“

Andere nicht: Katerstimmung unter den Anlegern in der schwarz verhangenen Kongresshalle in Schwerin. In der an diesem Vormittag zum größten Gerichtssaal des Landes hergerichteten Halle hat gestern mit der ersten von vier Gläubigerversammlungen die Aufarbeitung einer der spektakulärsten Pleiten in Mecklenburg-Vorpommern begonnen. 17 000 Anleger wollen ihr Geld zurück. Hausfrauen, Rentner, die für ihre Enkel etwas Geld anlegen wollten, Sparer mit wenigen Tausend Euro Einlage, Kapitalgeber aus ganz Deutschland und aus Europa: Über drei Anleihen und einem Genussschein hatten sie ihr Kapital dem Unternehmen von Firmenchef Peter H. Leibold und seiner Frau Anne Kathrin gegeben – zusammen 270 Millionen Euro. Das wenigste werden sie zurückerhalten – wenn überhaupt.

Frust bei Tausenden Anlegern: Viele haben die Hoffnung offenbar schon aufgegeben. Nur wenige sind gestern gekommen. Zumindest 150 hatte das Amtsgericht erwartet – doch gerade etwa 25 Privatanleger verlieren sich in der mit 1000 roten Stühlen ausgestatteten Halle. Dazu noch einmal so viele Anwälte, die andere Anleger vertreten.

Michael Mai aus Baden-Württemberg ist trotzdem gekommen. „Ein lohnendes Angebot“, erinnert sich der 70-Jährige. Fürs Alter wollte er etwas anlegen, nicht viel, einen vierstelligen Betrag – „meine erste Anleihe“, sagt Mai. So wie Mai hätten viele zwischen 5000 und 10 000 Euro platziert, erklärt Wolfgang Weber-Thedy, Sprecher der Insolvenzverwaltung. 100 Millionen Euro der ersten Anleihe, verzinst mit 7,25 Prozent, sollten im April 2016 zurückgezahlt werden – wurden aber nicht. Leibold fehlte das Geld und meldete im Februar Insolvenz an.

Damit habe er nun gar nicht gerechnet, meint Rentner Mai: Dabei machte German Pellets einen so guten Eindruck – Marktführer, gut im Geschäft, mit gesunder Basis, glaubte der Baden-Württemberger. Zehn Jahre lang war Leibolds Holzwerk im Höhenflug – und wuchs und wuchs um eine Firma nach der anderen, zum nach eigenen Angaben weltgrößten Pelletsproduzenten und -händler mit 650 Beschäftigten. Dazu das fortschrittliche Investment in eine Öko-Technologie, mit der German Pellets bei Kapitalgebern geworben hat: „Das hat Zukunft“, glaubt Rentner-Ehepaar aus Frankfurt am Main, das ungenannt bleiben will, noch heute. Einen fünfstelligen Betrag war ihnen für die Unternehmensanleihe wert. Urlaub machten sie gerade im holsteinischen Neustadt, wollten dann aber doch für die erste Gläubigerversammlung ihre Ferien kurz unterbrechen, um zu sehen, was zu erwarten ist, wie hoch die Quote ausfallen wird, die sie von ihrem einbezahlten Geld zurückerhalten. Wahrscheinlich nicht viel: „Das macht wütend. Wir rechnen mit wenig bis nichts.“

Das wird sich noch entscheiden: „Momentan sieht es nicht gut aus“, muss Insolvenzverwalterin Bettina Schmudde gestern einräumen: „Viel Geld ist in den USA gelandet.“ Für die gebeutelten Anleger bleibt vorerst nicht viel zu tun. Auf den Gläubigerversammlungen in dieser Woche wollen sie lediglich pro Anlage einen gemeinsamen Vertreter wählen, der ihre Rechte bei der Insolvenzverwalterin geltend machen soll. Sieben Anwälte aus ganz Deutschland haben sich für die Jobs beworben. Gestern wurde der erste gewählt, teilt der Sprecher der Insolvenzverwalterin, Weber-Tehdy am Nachmittag mit: der Kölner Rechtsanwalt David Vos von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Vos macht sich indes keine Illusionen: Der Bericht der Insolvenzverwalterin sei ernüchternd, meint er im Anschluss an das Anlegertreffen. Es sei in Relation zu den Außenständen kaum freie Masse vorhanden. Lediglich 4,4 Millionen Euro seien übrig, wenn die Belastungen durch Dritte abgezogen seien. Mehr Klarheit wird indes die erste eigentliche Gläubigerversammlung im Herbst bringen. Termin: am 5. Oktober.

Mega-Aufwand für mageres Anleger-Interesse: Mehr als ein Dutzend Sicherheitsbeamte, Polizei, Sanitäter, eine ganze Schar von Helfern an der nahezu besucherfreien Anmeldung, Personenkontrollen mit Handdetektoren – „Handy- und Tablettverbot“, bestimmt ein Justizbeamter gestern beim Anlegertreffen – keine Öffentlichkeit. Wird aus der Insolvenzmasse bezahlt, meint eine Gerichtssprecherin. Für die Miete der Halle habe sich das Gericht schon mal einen Vorschuss überweisen lassen – viele Tausend Euro.

Frust bei Anlegern – vor allem auch auf den einstigen Pelletschef von Wismar. Noch bis kurz vor der Insolvenz habe Leibolds German Pellets um Kapitalgeber gebuhlt, erzählt das Rentner-Pärchen aus Frankfurt. Selbst gezeigt habe er sich aber nie. Da hatten Kritiker Leibold wegen seines zu schnellen Wachstums mit dem Geld der Anleger schon längst ins Visier genommen. Für den einst gefeierten Holzboss, der zunächst mit dem mit einer umstrittenen Millionenbürgschaft des Bundes aufgebauten Sägewerk Klausner in Wismar den Grundstein für Europas größtes Holzzentrum legte, und später im Pelletswerk zusammen mit seiner Frau Anna Kathrin für schnelles Wachstum sorgte, wird die Firmenpleite indes ein juristisches Nachspiel haben. Gegen ihn sind bei der Staatsanwaltschaft 30 Anzeigen von Anlegern wegen Betrugs eingegangen, dazu eine Anzeige wegen Insolvenzverschleppung.

Millionenverluste bei den Anlegern, andere lassen das Geschäft weiterlaufen: Die German-Pellets-Werke in Wismar sowie Ettenheim und Herbrechtingen in Baden-Württemberg sind verkauft, Projekte in den USA werden von der Insolvenzverwalterin weitergeführt. Und auch das Werk in Torgau wurde übernommen – von der PLT Pellet Lohnfertigung Torgau GmbH. Und auch die Anleihen werfen möglicherweise noch Geld ab: Am grauen Markt werden sie offenbar immer noch gehandelt. „Da wird auf die Quote gezockt“, hieß es gestern.

Unternehmensanleihen, Rentner Mai ist davon erstmal bedient: Der Verlust einiger Tausend Euro – „das treibt mich nicht in den Ruin“, sagt er: „Aber ich weiß nicht, ob ich noch mal Anleihen zeichnen würde.“