
Die Angleichung der Renten hat für ostdeutsche Arbeitnehmer einen negativen Effekt: Hintergründe zu den Nahles-Plänen
In zwei Schritten zur Renten-Einheit: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will die Altersbezüge in Ostdeutschland bis 2020 auf Westniveau anheben. Doch der Gesetzentwurf der SPD-Politikerin hat einen Haken. Nicht alle würden profitieren. Ostdeutsche Arbeitnehmer hätten künftig geringere Rentenansprüche als bislang. Die Hintergründe zu den Plänen der Bundesarbeitsministerin erläutert Rasmus Buchsteiner.
Wie sieht der Fahrplan der Angleichung aus?
Der Rentenwert – die monatliche Rente für ein Jahr Beschäftigung mit Durchschnittsentgelt – soll im Osten zum 1. Januar 2018 angehoben werden. Und zwar um die Hälfte des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Unterschieds zum Westen. Aktuell beträgt der Rentenwert Ost 28,66 Euro. Das entspricht 94,1 Prozent des Wertes in den alten Bundesländern. Die Lücke hatte sich durch die Rentenerhöhung zum 1. Juli, bei der die Altersbezüge im Westen um 4,25 Prozent und im Osten um 5,95 Prozent gestiegen waren, weiter geschlossen.
Die vollständige Angleichung der Altersbezüge erfolgt laut Gesetzentwurf zum 1. Januar 2020. Vier Millionen Rentner im Osten könnten sich bei der Umsetzung auf höhere Bezüge freuen.
Ist das die einzige Änderung?
Nahles will nicht nur den Rentenwert vereinheitlichen, sondern auch weitere Faktoren anpassen, die für die Berechnung der Altersbezüge und die Höhe der Beiträge relevant sind. Dazu zählen die sogenannte Bezugsgröße sowie die Beitragsbemessungsgrenze. Auch der bisherige Hochwertungsfaktor für die im Osten weiterhin nie-drigeren Löhne soll nach den Plänen der Arbeitsministerin zunächst entsprechend abgesenkt werden und ab 2020 ganz entfallen.
Gibt es also auch Verlierer der Reform?
Ja. Es sind die rund sechs Millionen Arbeitnehmer in Ostdeutschland. Ihre Beiträge würden zu geringeren Rentenansprüchen führen. Erklärung: Bisher wurden die niedrigeren Ost-Löhne – aktuell 87,1 Prozent des Westniveaus – künstlich höher gewertet. Nach bisheriger Rechtslage erhalten Ostdeutsche bei gleichem Einkommen eine um acht Prozent höhere Rentenanwartschaft als Arbeitnehmer im Westen. Abgesehen vom Wegfall des Höherbewertungsfaktors gibt es noch einen zweiten Effekt: Wegen der Angleichung der Beitragsbemessungsgrenze müssen Ostdeutsche mit höheren Einkommen künftig mehr in die Rentenkasse einzahlen.
Was ist eigentlich der Grund dafür, dass im Osten derzeit höhere Renten gezahlt werden?Zuletzt lag die durchschnittliche Rentenzahlung in den neuen Ländern bei 944 Euro, im Westen bei 771 Euro. Der Höherwertungsfaktor im Osten ist nur ein Teil der Erklärung. Ein weiterer Grund sind die lückenloseren Erwerbsbiografien in Ostdeutschland – dort ist auch die Beschäftigungsquote von Frauen traditionell höher.
Wie teuer wird die Renten-Einheit?
Nahles’ Plan kostet ab 2018 pro Jahr rund 1,8 Milliarden Euro und ab 2020 etwa 3,9 Milliarden Euro jährlich. Über die Finanzierung dürfte es noch Streit geben.
Kann das Vorhaben noch scheitern?
Schwer vorstellbar, auch wenn die Finanzierung gegenwärtig noch ungeklärt ist. Kanzlerin Angela Merkel hatte die Angleichung mehrfach zugesagt.