„Es geht um das Vertrauen in die rechtsstaatliche Verwaltung“: Bürgerbeauftragter zieht Halbjahresbilanz seiner Behörde
Das verstehe, wer will: Ein Radfahrer soll ein Bußgeld bezahlen, weil er in einer Fußgängerzone in einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern nicht abgestiegen ist. Nur markiert kein Verkehrsschild den Beginn der Fußgängerzone. Diesen Einwand nimmt die Bußgeldstelle des Landkreises zur Kenntnis, zahlen soll der Radfahrer trotzdem. Das tut er auch zähneknirschend, um sich weitere Kosten zu ersparen, wendet sich aber dennoch an den Bürgerbeauftragten des Landes, Matthias Crone. Der schildert den Fall gestern bei der Vorstellung seiner Halbjahresbilanz als eine von 863 Petitionen, die ihn bis zum 30. Juni erreichten.
Nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz, so Crone, könnten nur vorhandene Verkehrszeichen eine Rechtswirkung entfalten. Dennoch war der Landkreis auch auf seine Intervention hin nicht zur Rücknahme des Bußgeldbescheides bereit. Die Stadt allerdings erklärte, jetzt eine entsprechende Beschilderung vornehmen zu wollen. Das, so der Bürgerbeauftragte, stehe im Widerspruch zur Haltung des Kreises in der Bußgeldangelegenheit, den er deshalb gebeten hätte, seine Haltung noch einmal zu überdenken.
„Es geht um das Vertrauen in die rechtsstaatliche Verwaltung“, schreibt Crone Behörden, die zweifelhafte Entscheidungen fällen bzw. berechtigte Entscheidungen schlecht oder gar nicht erklären, ins Stammbuch. Viel ließe sich schon durch eine den Menschen zugewandte Grundhaltung ausgleichen.
Im Landkreis Vorpommern-Rügen vermissen die Eltern von rund 2200 Kindern und Jugendlichen eine solche Grundhaltung. Wie sie beim Bürgerbeauftragten beklagten, will der Landkreis ab dem neuen Schuljahr die Fahrtkosten zu einer freien oder örtlich nicht zuständigen Schule nicht mehr übernehmen. Dabei, so Crone, sei im Schulgesetz des Landes (Paragraf 113, Absatz 2) geregelt, dass Schülerinnen und Schüler zumindest bis zur örtlich zuständigen Schule die öffentliche Schülerbeförderung kostenlos nutzen dürfen, auch wenn sie diese Schule gar nicht besuchen. Der Kreis aber verweigere dies mit dem Verweis, es gebe gar keine öffentliche Schülerbeförderung, statt dessen werde die Schülerbeförderung über den Linienverkehr organisiert. Das, so Crone, sei aber auch in anderen Landkreisen der Fall – die dennoch den gesetzlichen Mindestanspruch für die Schülerbeförderung garantierten. Innen- und Bildungsministerium sowie Städte- und Gemeindetag stimmen mit dem Bürgerbeauftragten überein, dass Vorpommern-Rügen seine Auffassung revidieren müsse. Heute berät der Kreistag noch einmal zu dem Thema. Bleibt er bei seiner Position, rät Crone betroffenen Eltern zur Klage.
Vor allem in sozialen Angelegenheiten wurde der Bürgerbeauftragte in den zurückliegenden Monaten konsultiert. So wandten sich 181 Bezieher von Arbeitslosengeld II an seine Behörde. Nicht selten mussten daraufhin Bescheide korrigiert werden. Für Langzeitarbeitslose, die beklagten, mit 63 zwangsweise in Rente geschickt zu werden und dadurch noch größere Renteneinbußen hinnehmen zu müssen, erreichte Crone zusammen mit den Bürgerbeauftragten anderer Bundesländer, dass die entsprechende Rechtsverordnung vom Bund noch einmal geändert werden soll. „Danach soll die Pflicht zur Rentenbeantragung entfallen, wenn durch die vorzeitige Altersrente dauerhaft Hilfebedürftigkeit im Alter eintreten würde“, erläutert Crone. Ob sich Altersarmut so wirksam vermeiden ließe, bliebe aber die Frage.