Das Handwerk des Raumausstatters verbindet verschiedenste Gewerke und lässt Jana Samland viel Raum für Kreativität
Die Wende hat das Leben zahlreicher Menschen verändert – manchmal zum Positiven, mal zum Negativen. Die Welt der Polsterer jedenfalls hat sie auf gewisse Weise bereichert. Ein gutes Beispiel dafür ist Jana Samlands Schwiegervater Kurt. Er war gelernter Tapeziermeister, machte sich aber 1977 als Polsterer selbstständig. „Und das mit einer Leidenschaft und Hingabe, die bis heute ihresgleichen sucht“, erklärt die Raumausstatterin. Doch mit der Wende gab es auf einen Schlag so gut wie keine Aufträge mehr für ihn.
„Dann hieß es nicht mehr, Polstermöbel vom Handwerker zu erwerben, sondern ab nach Bad Segeberg.“ Unerfreulich nur, dass Kurt Samland auch seinen Sohn Frank schon zum Polsterer ausgebildet hatte. Der entschloss sich jedoch kurzerhand, die Möglichkeiten des Westens zu nutzen und schloss in Bremen die Ausbildung zum Raumausstatter ab – eine gute Entscheidung, wie sich bald zeigte. Denn dieses Handwerk vereint die Tätigkeiten von Polsterer, Tapezierer, Dekorateur sowie dem Bodenleger und bietet so die Möglichkeit, sich kreativ auszuleben.
Jana Samland gehört inzwischen auch zum Familienbetrieb. „Ich wollte Architektur studieren. Dann kam aber die Überlegung, erst mal eine Ausbildung zu machen, um etwas Handfestes zu lernen“, sagt sie. Während der Ausbildung im Betrieb von Kurt Samland lernte sie auch ihren jetzigen Mann Frank kennen und lieben. „So bin ich dann hier hängengeblieben“, sagt die 41-Jährige mit breitem Lächeln. Seit Januar 2005 haben sie und ihr Mann den Betrieb übernommen.
Jana Samland liebt an ihrem Handwerk vor allem die Vielseitigkeit. „Jeden Tag habe ich eine neue Aufgabe vor mir und kann mich bei meinen Kunden kreativ austoben.“ Von Zeit zu Zeit sei es jedoch schwierig, an Arbeit zu kommen, gibt sie zu. Schuld daran sei vor allem die Massenware der Industrie.
„Gut gemachte Industrieware ist rein optisch kaum von handwerklichen Stücken zu unterscheiden – vor allem, wenn gutes Obermaterial verwendet wird“, erklärt die Schwerinerin. Aber zählen würden vor allem die inneren Werte. Ein klassischer Polsteraufbau bestehe aus Sprungfedern, die auf ein Geflecht aus Jutegurten aufgenäht werden. Die Federn werden anschließend von Hand auf die gewünschte Höhe geschnürt und mit Federleinen abgedeckt. Dann wird eine Fasson beispielsweise aus Palmfasern aufgelegt, mit Leinen abgedeckt und per Hand durchgenäht. Es folgt die Pikierung als ausgleichende Schicht, zum Beispiel mit Rosshaar und Wollwatte, bevor das Möbelstück mit Nessel als „Weißpolster“ bezogen wird. Erst jetzt folgt als finale Schicht der eigentliche Möbelstoff. Zum Vergleich: Bei industriellen Möbeln werden oft lediglich ein Federkern und Schaumstoff auf eine Holzplatte geklebt und der Möbelstoff darübergezogen. „Mit Handwerk hat das nichts mehr zu tun“, sagt Jana Samland. Glücklicherweise gäbe es aber genug Kunden, die alte Familienstücke pflegen und hegen. „Manche der Möbel haben schon 100 Jahre auf dem Buckel.“ Das liege aber auch daran, dass sie früher anders genutzt wurden. „Das Sofa im Wohnzimmer wurde höchstens am Sonntag zum Kaffeetrinken benutzt“, sagt sie. Heute läge man stundenlang darauf, die Kinder würden es als Trampolin nutzen oder die Haustiere als Liege- und Spielplatz.
Bei den Restaurationen kommen mitunter auch kuriose Dinge zum Vorschein. Seien es beispielsweise vergessene Münzen, Zeitungen von vor dem Krieg oder völlig andere Möbelstücke: „Wir sollten mal einen Sessel neu polstern. Dabei stellten wir fest, dass unter der Schaumstoffschicht ein ganz anderer Stuhl war – mit geschwungenen Armlehnen aus Holz.“ Am Ende habe der Kunde so ein völlig neues Sitzmöbel bekommen. Dabei legen die Samlands auch viel Wert auf persönliche Beratung vor Ort und engen Kundenkontakt. „So setzen wir l(i)ebenswerte Wohnideen perfekt um“, sagt die 41-Jährige. Außerdem gäbe es nichts Schöneres als die leuchtenden Augen der Kunden, deren Wünsche sie erfüllen konnte.
Auch das Fortbestehen des Betriebes scheint bereits gesichert. „Unser ältester Sohn bewirbt sich gerade um einen Ausbildungsplatz als Raumausstatter“, erklärt sie. Geht es nach ihr, soll er seine Lehre aber lieber nicht im Familienbetrieb absolvieren. Lieber solle er andere Arbeitsweisen kennenlernen und später den Weg zurück nach Hause finden. „Sonst gehen wir uns womöglich auf den Keks.“
Der Ausbildungsberuf |
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Wo kann man den Beruf erlernen? Oldenburg (NS) Wie lange dauert die Ausbildung? drei Jahre Wie gestaltet sich der Weg zum Meister? Die betriebswirtschaftlichen, kaufmännisch-rechtlichen sowie berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse (Teile 3 und 4) werden im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Schwerin angeboten. Fachtheorie und Fachpraxis (Teile 1 und 2) können bei der Handwerkskammer Dresden oder in der Fachschule für das Handwerk e.V. in Oldenburg absolviert werden. Wie sehen die Berufschancen aus? Über die Ausbildungsmöglichkeiten und -betriebe im Land informieren die Ausbildungsberaterinnen der Handwerkskammer Schwerin unter Tel. 0385 7417-136 oder -172. |
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