Landtag will mit Kampagne „nicht-egal“ junge Menschen für Politik begeistern und gleichzeitig Diskussionskultur im Internet verbessern
„Was kümmert euch der Ramadan? Dass doch deren behinderte Religion.“ – „Raus mit dem Pack. Dann ist Ruhe.“ – Nur zwei von vielen Hass-Kommentaren, die derzeit auf Facebook zu finden sind. Seine eigene Meinung zu sagen, war noch nie so einfach, wie heute. Die Möglichkeit in den sozialen Medien anonym kommentieren zu können, lässt bei einigen Nutzern alle Hemmungen fallen. Die Folgen: Diffamierungen, Beleidigungen, Häme. Mit dem Pilotprojekt „nicht-egal“ will der Landtag MV nun die Debattenkultur im Internet verbessern und gleichzeitig das Politikinteresse junger Menschen im Land fördern.
„Wenn sich junge Menschen über Politik informieren, dann konkurrieren an dieser Stelle Zeitungen und klassische Nachrichtensendungen massiv mit sozialen Netzwerken“, sagte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) gestern bei der Vorstellung des Projekts in Schwerin. „Der Umgang mit Informationen hat sich geändert. Die Frage ist, wie gehen wir damit um?“ Aufgenommen würden vor allem die oft von den Betreibern sozialer Netzwerke vor- ausgewählten Neuigkeiten. Häufig seien diese bereits kommentiert. So den Überblick zu behalten, sei nicht einfach. Genau hier will „nicht-egal“ ansetzen.
Die Idee: Junge Nutzer sollen über Facebook auf eine Internetseite aufmerksam gemacht werden, wo Diskussionen politischer Themen unter aktiver Moderation stattfinden. „Das heißt, es werden Nachfragen gestellt, Argumente abgefordert oder auch Fakten eingestreut“, erklärt Gerhard Reichert vom Sozialministerium. Grenzen gebe es bei den gesetzlichen Bestimmungen. So werden beispielsweise diffamierende oder beleidigende Kommentare gelöscht. Vor allem 17- bis 24-Jährige will der Landtag mit der Aktion erreichen.
Geplant sind auf der Website regelmäßige Themenschwerpunkte, zu denen die Jugendlichen debattieren können.
Zum Auftakt am 20. Juli soll die Frage „Kiffen erlauben?“ zum Diskutieren anregen. „Kontroverse Debatten sind ausdrücklich erwünscht“, sagt Bretschneider. Dies zeige den jungen Menschen ganz praktisch, dass verschiedene Standpunkte zu einem Thema möglich sind und es nicht die eine absolute Wahrheit in der Politik gibt, so Bretschneider weiter: „Die Art der Debatte ist eben nicht egal.“ Um zu zeigen, dass ihre Meinung durchaus Bedeutung habe, sollen auf der Internetseite regelmäßig Abstimmungen durchgeführt und die Ergebnisse in Pressemitteilungen veröffentlicht werden.
Die Website „nicht-egal.de“, die auch von der Initiative „Wir. Erfolg braucht Vielfalt“, der Beteiligungswerkstatt MV sowie den Unternehmen Mandarin Medien und Farbmedia unterstützt wird, bleibt vorerst ein Pilotprojekt. Zunächst soll es bis zu der Landtagswahl am 4. September laufen. Anschließend werden die Ergebnisse ausgewertet und über den Fortgang entschieden. „Das Projekt stellt ein Experiment in einem Kernbereich der Demokratie dar – der öffentlichen Meinungsbildung“, sagt Bretschneider. „Ich denke, junge Menschen müssen in Diskussionen generell stärker vorkommen.“