Nicht ganz ungefährlich: Bei den Berufswehren gibt es Spezialisten, die auch Tiere aus der Not befreien.
Das hellbraune Bündel mit den rötlichen Flecken lag regungslos in einem Gebüsch. Eine Schlange, so viel war Brandmeister André Nickel klar. Aber beißt das Tier, ist es vielleicht sogar giftig? Nickel hatte eine Vorahnung. „In einer Natur-Doku hatte ich das schon mal gesehen“, erinnert sich der Feuerwehrmann. Sicherheitshalber zog er sich dennoch die mit Kevlar ausgeschlagenen, dick gepolsterten Bissschutz-Handschuhe an.
Bei der Schweriner Berufsfeuerwehr gehört Nickel zu einem Spezialtrupp von Freiwilligen, die ausrücken, wenn Tiere in Not gerettet oder befreit werden müssen. Die Feuerwehrleute fangen ausgebüxte Hunde wieder ein, kümmern sich um verirrte Schwäne, nehmen es mit randalierenden Dachsen auf. Und manchmal benötigen eben auch Reptilien ihre Hilfe. „Man weiß nie, was einen erwartet. Tiere wollen in der Regel ja nicht gerettet werden“, sagt Nickel. Das mache die Einsätze nicht immer ganz einfach.
Die Brandschützer haben deshalb ein Fahrzeug mit Spezialgerät ausgerüstet: Mit einem großen Kescher können Nickel und seine Kollegen agile Tiere einfangen, „die gerne kratzen und beißen wie etwa Waschbären“. Zur Ausstattung gehören auch zwei Käfige. An der Wand hängt eine Stange mit einer Schlinge. „Für Hunde“, sagt Nickel. Mit dem zangenartigen Greifer können Schlangen aufgehoben werden. Und wenn die Feuerwehrleute einen abtrünnigen Bienenschwarm einsammeln müssen, liegen stichsichere Imkeranzüge bereit. Der Bienenkasten aus Holz stammt noch von einem Kollegen. Auch eine Spraydose mit Wespen-Ex ist an Bord.
Spezialisten wie Nickel gibt es ebenso bei den Berufsfeuerwehren in Neubrandenburg und Rostock. Tierrettung gehört zum Alltagsgeschäft. „Das passiert fast täglich“, sagt Oberbrandmeister Jörg Vogelsang vom Brandschutz- und Rettungsamt der Hansestadt. Um Tiere aus misslichen Lagen zu befreien oder für ihre Besitzer wieder einzufangen, rückt die Feuerwehr in Mecklenburg-Vorpommern im Schnitt fünfmal pro Tag aus. Für das vergangene Jahr weist die Statistik rund 1822 Einsätze aus. Am häufigsten müssen die Feuerwehrleute laut Vogelsang entlaufende Hunde einfangen. Aber seine Kollegen seien auch schon einer Möwe mit gebrochenem Flügel zur Hilfe geeilt. „Die Bevölkerung ist da sehr aufmerksam und sensibel.“
Neben Leckerlis für Hunde ist das Spezialfahrzeug in Rostock sogar mit einem Betäubungsgewehr ausgestattet. „Eine feine Sache“, findet Vogelsang. Erst vor wenigen Tagen setzte er damit einen verirrten Fuchs in einer Tiefgarage zeitweise außer Gefecht. „Nach einer Stunde ist er in Freiheit wieder aufgewacht und hat sich aus dem Staub gemacht“, erzählt der Tierretter. Oft hilft auch Improvisations-Geschick. Für Schwäne etwa, die sich in der Stadt verwatschelt haben, hat sich eine einfache Decke bewährt. „Einfach drüberwerfen und dann rühren die sich nicht mehr“, weiß Experte Vogelsang.
Für den Job in der Tierrettung werden die Brandschützer in Rostock zusätzlich ausgebildet. „Die haben alle eine Jagderlaubnis“, sagt Vogelsang. Ein Fachmann für Reptilien aus München hat ihnen den Umgang mit Schlangen, Spinnen und Varanen gezeigt. Es gibt sogar Lehrgänge für Einsätze mit Greifvögeln und Großvieh. „Dabei lernen die Männer, wie man Pferden das Zaumzeug anlegt“, erklärt der Oberbrandmeister.
Bei den Kollegen in Schwerin ist dagegen das Prinzip „learning by doing“ angesagt. Für Brandmeister Nickel kein Problem. Er kommt vom Land und ist mit Tieren groß geworden. Regel Nummer eins: „Erst einmal Abstand halten und nicht drauflosstürmen, das verängstigt oder erschreckt Tiere nur unnötig.“ Und wenn er doch einmal einen unbekannten Exoten einfangen muss?. „Smartphone raus und schnell mal googeln“, sagt Nickel und lacht. Notfalls kann auch ein Experte aus dem Zoo oder ein Tierarzt gerufen werden. Großen Respekt hat sein Kollege in Rostock aber vor allem vor Katzen. „Die haben nadelspitze Zähne.Ein Biss kann gefährliche Infektionen auslösen“, sagt Vogelsang. Aber dafür gibt es ja die dicken Handschuhe.
Das anderthalb Meter lange Reptil im Gebüsch entpuppte sich damals jedoch, wie von Nickel vermutete, als ungiftige Würgeschlange. „War aber schon ziemlich kräftig“, weiß er noch. Er steckte die Boa in einen Beutel und brachte sie in den Zoo.
Extra: Erst die Rettung, dann der Gerichtsprozess
Um Terrier „Skipper“ zu retten, gaben die 40 Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes alles. Der Hund einer Tierärztin war in einem Waldstück bei Berlin in einen Dachsbau gekrochen und mit der Leine am Wurzelwerk hängen geblieben. „Skipper“ saß unter Tage fest. Bis zu drei Meter tiefe Löcher buddelten die Retter, um den Terrier aus seiner misslichen Lage zu befreien. Seine Rettung dauerte fast acht Stunden, zog sich bis in die Nacht hin. Der kolossale Einsatz war erfolgreich und „Skippers“ Frauchen „superglücklich und dankbar“ – bis ihr die Rechnung ins Haus flatterte.
Die Einsatzkosten der Feuerwehr beliefen sich auf rund 13 000 Euro. Mit dieser stolzen Summe hatte Frauchen nicht gerechnet. Und bezahlen wollte sie auch nicht – sie entschied sich zur Klage vor Gericht. Nach Auffassung von „Skippers“ Frauchen und ihres Anwaltes hätten bei einer besseren Organisation eigentlich zehn Helfer ausgereicht. Und auch den Einsatz von fünf Feuerwehrfahrzeugen fanden die beiden überzogen. Der Dachsbau habe doch gar nicht gebrannt, argumentierte der Anwalt.
Doch für den großen Aufwand gab es nach Einschätzung der Feuerwehr gute Gründe. Die angeforderten „Universal-Fahrzeuge wurden für den Transport und die Stromproduktion benötigt. Schließlich musste das Waldstück ausgeleuchtet werden. Und auch für das starke Retter-Aufgebot brachte der Einsatzleiter gute Gründe vor. „Skippers“ Befreiung sei kraftraubende Handarbeit gewesen. Die Männer an der Schaufel mussten nach drei Stunden abgelöst werden.
Der Rechtsstreit über die Einsatzkosten endete 2014 mit einem Vergleich: Für die Befreiung ihres Hundes musste die Frau 10 000 Euro bezahlen. Das Land Berlin stellte ihr ein Fahrzeug samt Personal weniger in Rechnung.
Erhebliche Kosten hatte auch der drei Tage lang auf einem Baum hockende Kater „Tommi “ in Hagenow verursacht. Der Fall im August 2005 schaffte es sogar ins Fernsehen. 38 Feuerwehrleute versuchten zweieinhalb Stunden lang, den Kater wieder auf den Boden zu holen – vergeblich. Es ging sogar eine Steckleiter zu Bruch. „Tommi“ wurde schließlich von einem privaten Sicherheitsdienst befreit – für 30 Euro. Für den Einsatz der Feuerwehr sollte die Katzen-Halterin dagegen rund 1000 Euro bezahlen. Auch nach dieser Befreiungsaktion musste ein Gericht über die Einsatzkosten entscheiden. Auch in diesem Fall schlossen die Streitparteien einen Vergleich. Rund 500 Euro zahlte die Katzenbesitzerin für „Tommis“ Rettung am Ende.